Palantir: Polizisten fordern Einsatz umstrittener KI-Software
FAQ
"Superdatenbank" für Polizei?:Warum Palantir so umstritten ist
von Oliver Klein und Nils Metzger
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KI gegen Kriminalität: Immer mehr Bundesländer nutzen Palantir - in Baden-Württemberg sorgt das für Streit in der Koalition. Was für und gegen den Einsatz der US-Software spricht.
Mit KI auf Verbrecherjagd: Sollte die deutsche Polizei auf Palantir setzen? (Archivbild)
Quelle: Imago
Kaum ein Unternehmen ist so umstritten wie das US-Tech-Startup Palantir. Das liegt auch an Mitgründer Peter Thiel, dem in Deutschland geborenen Tech-Milliardär, der als einer der Schlüsselfiguren der US-amerikanischen Rechten gilt. Vor allem Sicherheitsbehörden gehören zu den Kunden. Palantir drängt auch auf den deutschen Markt und kooperiert bereits mit Polizeibehörden in mehreren Bundesländern.
In Baden-Württemberg sorgt der geplante Einsatz der Software gerade für Streit der Regierungskoalition. Kritiker sorgen sich um den Datenschutz und Technologie-Abhängigkeit von dem US-Unternehmen mit exzellenten Kontakten zur Trump-Administration. ZDFheute mit einem Überblick.
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Wie nutzt die Polizei Palantir-Software?
Aus einem Datenwust einen Datenschatz machen - das ist das Versprechen von Palantir. Mit seiner Software können Behörden und Unternehmen alle möglichen Arten von Informationen auswerten und grafisch aufbereiten, teils unter Zuhilfenahme von KI-Automatisierung.
Datensätze aus unterschiedlichen Quellen, von Telefonnummern über Geodaten bis zu Ermittlungsakten und Internetfunden, können eingepflegt und in Netzwerken dargestellt werden. Je mehr Daten man miteinander verknüpft, desto mächtiger wird das Tool.
Polizisten können etwa die Analyse großer Datenmengen an die Software geben, um Muster und Zusammenhänge zu erkennen. Früher mussten sie diese Informationen aufwändig aus verschiedenen Datenbanken zusammensuchen oder Aktenberge durchforsten.
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Warum fürchten Skeptiker eine "Superdatenbank" der Polizei?
Wenn die Polizei auch vorher schon Zugriff auf diese Informationen hatte, wo ist dann das Problem, die Auswertung mit Palantir zu beschleunigen? Grundsätzlich darf die Polizei nur Daten verarbeiten, die für einen konkreten Fall benötigt werden.
Wenn im Rahmen einer Terrorermittlung alle Kennzeichen in einer Straße erfasst werden, dann wäre es problematisch, diese Daten für eine separate Ermittlung zu Autodiebstählen zu nutzen, obwohl beide in der Palantir-Software nur einen Mausklick entfernt sind. Jede eingepflegte Information muss genau verortet werden: für welchen Zweck und von wem sie genutzt werden darf.
Das kann zu Missbrauch oder einer Ausweitung der Befugnisse einladen. Kritiker wie der Kriminologie-Professor Martin Thüne fürchten Eingriffe in die Rechte der Bürger:
Es ist eine Lehre aus dem Nationalsozialismus, dass wir keine 'Superdatenbanken' haben, auf die wiederum 'Superbehörden' zugreifen können.
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Martin Thüne, Kriminologe
"Um das zu verhindern ist die Zusammenführung von bestimmten Daten sogar gesetzlich untersagt. Davon kann es in begründeten Fällen Ausnahmen geben, aber es muss sich dann eben um besondere Ausnahmen handeln und nicht um Regelverfahren", sagt Thüne zu ZDFheute.
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Wo in Deutschland kommt die Palantir-Software zum Einsatz?
Mehrere Bundesländer nutzen angepasste Versionen der Palantir-Software "Gotham". Einige rechtlich problematische Funktionen wurden daraus entfernt.
Hessen: Bereits seit 2017 nutzt die hessische Polizei das System "HessenDATA".
Nordrhein-Westfalen: Hier wird die Software-Plattform "DAR" genannt - datenbankübergreifende Analyse und Recherche. Sie ist seit 2020 in Betrieb.
Bayern: "VeRa" heißt das System im Freistaat, das 2024 angelaufen ist.
Baden-Württemberg: Hier soll Palantir-Software künftig eingesetzt werden, was aber für Streit in der schwarz-grünen Koalition sorgt. Die Grünen fordern, einen bereits unterzeichneten Vertrag mit Palantir zu überprüfen.
Andere Länder zeigen sich hinsichtlich Palantir eher zurückhaltend. Eine Initiative aus Bayern, Palantir für alle Bundesländer anzuschaffen, brachte bislang kein Ergebnis.
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Was sagen Polizei-Vertreter zur Palantir-Nutzung?
Polizei-Vertreter machen sich seit Jahren für den Einsatz von Palantir-Software stark. Jens Mohrherr, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei Hessen, sagt ZDFheute:
Angesichts drängender Themen der Inneren Sicherheit sind politisches Geplänkel und ideologisches Beharren keine guten Ratgeber. Entscheidend ist, dass die Menschen möglichst sicher sind.
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Jens Mohrherr, Gewerkschaft der Polizei Hessen
"Durch die Nutzung der Analyseplattform 'HessenDATA' konnten bereits eine Reihe von herausragenden Ermittlungserfolgen erzielt werden", betont Mohrherr gegenüber ZDFheute. "Beim Kampf gegen die Organisierte Kriminalität, bei der Abwehr von Terroranschlägen und bei der Bekämpfung der widerlichen Kinderpornografie ist 'HessenDATA' unverzichtbarer Teil der Ermittlungsarbeit."
In der Analyseplattform befänden sich ausschließlich rechtmäßig erhobene polizeiliche Daten und es erfolge eine Zugriffskontrolle. "Das bedeutet konkret, dass nur Personen abgefragt werden dürfen, die im Fokus der Ermittlungsbehörden stehen", so Mohrherr.
Hessens Innenministerium verweist unter anderem auf die Verhinderung eines Terroranschlags 2018 in Eschwege, wobei "HessenDATA" zentral gewesen sei. "Mit 'HessenDATA' haben wir die Polizeiarbeit in ein neues digitales Zeitalter gehoben. Während Ermittler in anderen Bundesländern über Tage und Wochen Akten wälzen und mögliche Querverbindungen aufwendig mit Textmarkern hervorheben", sagte der damalige Innenminister Peter Beuth (CDU) im Juni 2023 im hessischen Landtag.
Aus den Verträgen zwischen Palantir und den Landespolizeibehörden sind kaum Details öffentlich bekannt. Der Einsatz der Software ist teuer - allein NRW zahlte für das Projekt inklusive Schulungen und Hardware-Ausgaben 39 Millionen Euro. Der Einsatz ist zeitlich begrenzt, bei Verlängerung der Verträge werden erneut Lizenzkosten fällig. Anpassungen an der Software können oft nur von Palantir-Entwicklern vorgenommen werden.
Die Speicherung der Daten findet auf deutschen Servern statt, ein Abfluss sensibler Daten in die USA soll ausgeschlossen werden - doch manche Kritiker vertrauen den Zusicherungen des Unternehmens nur begrenzt.
Machen sich deutsche Behörden von einem US-Konzern abhängig?
Kritik am Palantir-Einsatz kommt auch von Personen, die grundsätzlich von der Notwendigkeit solcher Werkzeuge überzeugt sind. Das hat viel mit dem Hersteller zu tun. "Noch immer ist der äußerst radikal-libertäre Peter Thiel einer der Anteilseigner mit Sitz im Verwaltungsrat. Ein Demokratiefeind von besonders bedrohlichem Kaliber", sagt Sebastian Fiedler, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, zu ZDFheute.
Es ist wirklich nicht vermittelbar, dass wir diesen Typen ausgerechnet aus Steuermitteln, die wir den Sicherheitsbehörden zur Verfügung stellen, finanziell fördern.
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Sebastian Fiedler, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion
Fiedler kritisiert, dass man noch keine eigene Alternative zu Palantir-Software entwickelt habe. "Es geht hier um eine Schlüsseltechnologie für die Sicherheitsbehörden", so Fiedler, der bis 2021 Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter war.
Eine Abschaltung der Palantir-Systeme in den drei Bundesländern sei keine Lösung, bevor es eine gute Alternative gebe, betont Fiedler. "Neue Verträge wie in Baden-Württemberg oder geplante Vertragsverlängerungen für fünf Jahre wie in NRW halte ich hingegen für verantwortungslos."
Ein "Höchstmaß an Sicherheit" verspricht der Koalitionsvertrag. Der Weg dorthin führt über neue Ermittlungsbefugnisse bis zur umstrittenen Vorratsdatenspeicherung.