Krebs: Kommunikation zwischen Hirntumor und Nervenzellen entdeckt
Preis für Forschungsdurchbruch:Wie Krebszellen im Gehirn kommunizieren
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Forschende haben entdeckt, dass Hirntumore mit unseren Nervenzellen kommunizieren und so ihr eigenes Wachstum fördern. Eine Erkenntnis, für die der Brain Prize verliehen wurde.
Neue Forschung zeigt: Hirntumorzellen kommunizieren mit Nervenzellen. Das Verständnis dieser Netzwerke könnte völlig neue Therapien gegen aggressive Tumore ermöglichen.11.06.2025 | 6:01 min
Die Diagnose Glioblastom bedeutet für Betroffene meist ein baldiges Lebensende, trotz intensiver Therapien. Doch eine bahnbrechende Entdeckung des Heidelberger Neurologen Frank Winkler bringt neue Hoffnung.
Winkler hat herausgefunden, dass Hirntumorzellen in aktiver Kommunikation mit gesunden Nervenzellen stehen - ein bisher völlig unterschätzter Mechanismus, der das Tumorwachstum antreibt und womöglich die Resistenz gegen herkömmliche Behandlungen erklärt. Die Erkenntnisse könnten die Therapie von Hirntumoren grundlegend verändern.
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Tumorzellen bilden intelligentes Netzwerk
Glioblastome, die aggressivste Form von Hirntumoren, wachsen nicht nur invasiv in gesundes Gewebe hinein. Sie organisieren sich auch in einem hochkomplexen Netzwerk.
Winkler und sein Team konnten erstmals zeigen, dass diese Tumorzellen funktional miteinander verbunden sind und regelrechte synaptische Kontakte mit gesunden Nervenzellen eingehen. Ähnlich wie Neuronen kommunizieren die Tumorzellen über elektrische Impulse und stimulieren sich gegenseitig zum Wachstum. "Diese Netzwerke sind fast intelligent", so Winkler.
Sie verstehen, was im Gehirn passiert, und reagieren darauf - etwa indem sie sich nach einer Operation gezielt reparieren.
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Prof. Frank Winkler, Neurologe
... ist der am häufigsten auftretende bösartige Hirntumor bei Erwachsenen. Ein Glioblastom entwickelt sich aus den Gliazellen des Gehirns und tritt vor allem bei älteren Menschen auf. Er wächst schnell, ist schwer zu behandeln und führt meist innerhalb weniger Jahre zum Tod. Die Standardtherapie besteht aus einer Kombination von Operation, Bestrahlung und Chemotherapie, bekannt als das sogenannte Stupp-Schema.
Kommunikationswege als Schwachstelle
Diese Erkenntnis stellt das bisherige Bild vom Tumor als reinem Zellklumpen in Frage. Gleichzeitig eröffnet sie neue Möglichkeiten der Diagnostik und Behandlung.
Die zentrale Erkenntnis: Nicht allein das Entfernen des Tumors bringt nachhaltigen Erfolg. Wichtig ist, die Kommunikationswege zwischen Krebs- und Nervenzellen zu unterbrechen. Denn genau diese Signalverbindungen fördern nicht nur das Wachstum, sondern auch die Resistenz gegenüber Chemotherapie und Strahlentherapie.
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Studien laufen mit Epilepsie-Medikament
Ein vielversprechender Ansatzpunkt ist daher die Blockade der synaptischen Aktivität. Erste klinische Studien laufen bereits, unter anderem mit einem Medikament, das ursprünglich zur Behandlung von Epilepsie eingesetzt wird. Es scheint in der Lage zu sein, die Erregungsweiterleitung in den Tumornetzwerken zu hemmen und könnte so das Fortschreiten des Tumors verlangsamen.
"Wir prüfen aktuell Substanzen, die die tumoralen Netzwerke gezielt stören", erklärt Winkler.
Wenn wir diese Telefonleitungen kappen, könnten andere Therapien viel wirksamer werden.
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Prof. Frank Winkler, Neurologe
Auch wenn sich die Forschung noch in einem frühen Stadium befindet, sind die bisherigen Ergebnisse vielversprechend.
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Hightech-Mikroskopie und Mausmodelle: Blick ins lebende Tumorgewebe
Ein zentrales Werkzeug der Forschung ist die sogenannte In-vivo-Mikroskopie. Mit speziellen Hochleistungsmikroskopen gelingt es den Wissenschaftler*innen, lebende Tumorzellen direkt im Gewebe von Versuchstieren - und sogar von Patienten - zu beobachten. So konnte das Team die sogenannten "Schrittmacherzellen" identifizieren: Tumorzellen, die besonders aktiv sind und offenbar das Wachstum des gesamten Netzwerks antreiben.
Die Grundlagenforschung erfolgt dabei häufig am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg, wo Winkler neben seiner klinischen Tätigkeit arbeitet. Die Kombination aus praktischer Patientenbehandlung und Laborarbeit erweist sich als großer Vorteil: "Ich sehe direkt, wie unsere Forschung den Menschen helfen kann", sagt der Arzt.
Ohne präklinische Tierversuche, insbesondere mit Mausmodellen, wären viele dieser Entdeckungen nicht möglich gewesen. Nur so ließ sich die komplexe Interaktion zwischen Tumor- und Nervenzellen entschlüsseln.
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Krebs-Neurowissenschaft als Zukunftsdisziplin
Die von Frank Winkler maßgeblich mitentwickelte Disziplin trägt inzwischen einen eigenen Namen: Cancer Neuroscience - Krebs-Neurowissenschaft. Sie untersucht, wie Nervenzellen das Verhalten von Tumorzellen beeinflussen, nicht nur im Gehirn, sondern auch in anderen Organen. Auch bei Brustkrebs etwa gibt es Hinweise darauf, dass die Interaktion zwischen Nerven und Tumorzellen das Fortschreiten der Erkrankung mitbestimmt.
Für seine Pionierarbeit wurde Professor Winkler mit dem renommierten dänischen Brain Prize ausgezeichnet - dotiert mit 1,3 Millionen Euro. Eine Anerkennung, die nicht nur seine Forschung würdigt, sondern auch Hoffnung macht für all jene, die gegen scheinbar unheilbare Hirntumore kämpfen.
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Quelle: dpa
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