Atomwaffentests der USA auf Marshallinseln: Bleibende Schäden

Atomwaffentests der USA:Bis heute schwere Schäden auf Marshallinseln

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Die US-Atomwaffentests auf den Marshallinseln haben weit mehr Schaden angerichtet, als die USA anerkennen, sagt Greenpeace. Eine neue Studie zeigt das Ausmaß der Belastung.

 Strahlenexperten von Greenpeace und unabhängige Wissenschaftler forschen in Rongelap, Marshallinseln.
Experten und Wissenschaftler haben die Marshallinseln auf Schäden untersucht, die durch US-amerikanische Atomwaffentests in den 40er- und 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstanden sind.
Quelle: dpa

Die Folgen der Atombombentests der USA im Pazifik sind laut einer Studie bis heute spürbar und wiegen weit schwerer als offiziell anerkannt. Das belegt eine vom Institute for Energy and Environmental Research im Auftrag von Greenpeace durchgeführte Studie. Die Umweltschutzorganisation veröffentlichte die 52 Seiten umfassende Untersuchung am Donnerstag.
"Noch heute wirken die gesundheitlichen, sozialen und ökologischen Folgen auf den Marshallinseln fort – weit gravierender als von den USA bisher anerkannt", teilte die Organisation mit. Durch die zwischen 1946 und 1958 durchgeführten Versuche wurden demnach alle bewohnten Atolle der Marshallinseln radioaktiv kontaminiert. Aber: "Nur 3 der 24 heute bewohnten Atolle erhielten medizinische Hilfe."

Strahlenbelastung höher als in Tschernobyl

Selbst die Menschen auf den sogenannten gering belasteten Atollen waren der Studie zufolge einer deutlich höheren Strahlenbelastung ausgesetzt als die evakuierte Bevölkerung von Pripjat nach der Reaktorkatastrophe 1986 im ukrainischen Tschernobyl.
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Als besonders erschütternd bezeichnet Greenpeace den Umstand, dass US-Wissenschaftler die gesundheitlichen Folgen bei den Betroffenen beobachteten, ohne sie angemessen zu behandeln.

Die Menschen wurden ohne ihr Wissen und ihre Zustimmung zu medizinischen Versuchsobjekten gemacht.

Greenpeace

Eine "gerechte Entschädigung und eine Entschuldigung durch die USA" sei längst überfällig.
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Forscher verglichen Insel-Bewohner mit Mäusen

Die Studie zitiert beispielhaft aus dem Protokoll einer Sitzung des beratenden Ausschusses für Biologie und Medizin der US-Atomenergiekommission von 1956, der sich für Untersuchungen von in den verseuchten Gebieten lebenden Einwohnern der Marshallinseln aussprach und das die Haltung der US-Forscher gegenüber den betroffenen Bewohnern verdeutlicht.

Obwohl diese Menschen nicht so leben, wie es die Menschen im Westen tun, zivilisierte Menschen, ist es dennoch auch wahr, dass diese Menschen uns ähnlicher sind als Mäuse.

US-Atomenergiekommission

Mäuse werden bis heute für Experimente zur Strahlenbelastung eingesetzt.

Ein Vielfaches der Hiroshima-Bombe

Insgesamt führten die USA 67 Tests auf den Marshallinseln durch. Die gezündete Sprengkraft betrug 108 Megatonnen; das entspricht dem Abwurf einer Hiroshima-Bombe an jedem einzelnen Tag über 20 Jahre hinweg.
Die Tests hätten nicht nur Folgen im Pazifik, hieß es. Ihr radioaktiver Niederschlag habe sich weltweit verteilt, die Folge seien Schätzungen zufolge rund 100.000 zusätzliche Krebstote - viele davon mit verzögerter Wirkung bis weit ins 21. Jahrhundert hinein.
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Evakuierung des Rongelap-Atolls vor 40 Jahren

Greenpeace erinnert mit der Studie auch an den 40. Jahrestag der Evakuierung des zu den Marshallinseln gehörenden Rongelap-Atolls, das etwa auf halbem Weg zwischen Hawaii und Australien liegt.
Am 17. Mai 1985 evakuierte Greenpeace mit ihrem Schiff Rainbow Warrior die Bevölkerung der Insel Rongelap, nachdem diese im Zuge der Atomtests jahrzehntelang unter gesundheitlichen Problemen wie Tumoren sowie Fehlgeburten und Fehlbildungen bei Neugeborenen gelitten hatte. Auf dem etwa 160 Kilometer weiter westlich gelegenen Bikini-Atoll hatten die USA 1954 die "Bravo-Bombe" gezündet. Sie hatte die 1.300-fache Sprengkraft der Hiroshima-Bombe.
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Auswirkungen bis in die Jetztzeit

Vor wenigen Wochen sind Mitarbeiter - begleitet von einem Wissenschafts- und Strahlungsteam - in die Region zurückgekehrt. Sechs Wochen lang sammelten sie vor Ort Bodenproben, um die langfristigen ökologischen und radiologischen Daten zu untersuchen.
"Diese Atombombentests sind kein abgeschlossenes Kapitel - sie wirken sich bis heute aus", sagte Breuer. Eine gerechte Entschädigung und eine Entschuldigung durch die USA seien längst überfällig.

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Quelle: dpa

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Quelle: dpa, KNA
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