Warum extreme Temperaturen so stark zunehmen | Terra-X-Kolumne

Terra X - die Wissens-Kolumne:Warum extreme Temperaturen so stark zunehmen

von Axel Kleidon
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Kaum ein Sommer vergeht ohne neue Extreme. Aber warum nehmen gerade die sehr heißen Tage so stark zu und was macht sie extrem? Hier lohnt sich ein genauerer Blick in die Forschung.

Terra X - Die Wissens-Kolumne: Axel Kleidon
Terra X - Die Wissens-Kolumne: Axel Kleidon

In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.

Natürlich spielt die Sonne eine zentrale Rolle. Klar: Wenn es sonnig ist, wird es während des Tages wärmer, die Erdoberfläche erhitzt sich stärker als an bewölkten Tagen. Dazu kommt der Treibhauseffekt: Die Atmosphäre sorgt mit der Strahlung, die sie Richtung Oberfläche abstrahlt, für zusätzliche Erwärmung. Das ist nicht sichtbar, verstärkt die Erwärmung aber ganz erheblich und passiert tags wie nachts. Ohne sie wären die Nächte so bitterkalt wie auf dem Mond.
Die Temperaturen an der Oberfläche entstehen also aus der Bilanz von Erwärmung durch Sonne und Treibhauseffekt sowie Kühlung durch Ausstrahlung der Erdoberfläche, aufsteigender Luft und Verdunstung.
Abkühlung am Brunnen
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Temperaturschwankungen, Klima und Wetter

Das, was an Sonnenlicht auf die Erde einfällt, ist sehr gut berechenbar. Beim Wetter wird das schwieriger. Ein Tag ist mal wärmer, ein anderer kälter als der Mittelwert. Mal ist es mehr, mal weniger stark bewölkt. Dadurch entsteht Variabilität in der Erwärmung der Oberfläche, die bestimmt, wie stark Temperaturen schwanken.
Während jedoch die Wettervorhersage schlechter wird, je weiter sie in die Zukunft blickt, ändern sich die Gründe für Mittelwerte und Wetterschwankungen nicht. Das führt zu einer typischen Häufigkeitsverteilung von Temperaturen - also wie häufig Temperaturen über einen gewissen Zeitraum gemessen werden konnten. Das sieht dann oft aus wie die wohlbekannte Glockenkurve, oder auch Gaussverteilung genannt. Der Mittelwert der Verteilung, das ist Klima - die Breite der Verteilung, das sind die Wetterschwankungen.
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Was versteht man unter "extremen" Temperaturen?

Über die Häufigkeitsverteilung können wir jetzt beschreiben, was extrem ist. Aus Beobachtungen erhalten wir die Verteilung und sehen dann nach, welche Temperaturen an nur fünf Prozent der Tage am oberen (oder unteren) Ende zu finden sind. Und diese Temperaturen nennen wir dann extrem.
In Jena zum Beispiel, wo schon seit Goethes Zeiten eine Wetterstation betrieben wird, wird im Sommer im Mittel eine Höchsttemperatur von 23.5 Grad gemessen. An fünf Prozent der Tage überschreitet sie 31 Grad - also an etwa vier bis fünf Tagen. Das sieht man in der Temperaturverteilung aus den Jahren 1960 bis 1990, die als klimatologische Referenzperiode definiert ist.
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Klimawandel verschiebt die Temperaturverteilung

Durch den Klimawandel verstärkt sich der Treibhauseffekt - das verschiebt die gesamte Verteilung hin zu höheren Temperaturen. Die mittlere Temperatur erhöht sich und das Ende der Verteilung bei hohen Temperaturen verschiebt sich ebenso. Diese Enden sind durch exponentiellen Abfall geprägt, durch die Verschiebung nehmen dann die Extreme überproportional stark zu (oder ab).

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:Daten zum Klimawandel im Überblick

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Fünf Icons mit Fabrikschlot, Blitz, Thermometer vor Deutschland und Weltkarte, und einem Haus über Wellen. Im Hintergrund ein Braunkohlekraftwerk.
Grafiken

Temperaturverteilung in Richtung warm verschoben

In Jena, 30 Jahre später, also von 1991 bis 2020, hat sich die mittlere Höchsttemperatur im Sommer um 1,6 Grad auf 25,1 Grad erwärmt, während die Wetterschwankungen gleich geblieben sind. Die Form der Verteilung ist also gleich geblieben, sie ist nur Richtung warm verschoben. Damit hat sich die Häufigkeit von extremen Tageshöchsttemperaturen in etwa verdoppelt. Also werden Tageshöchsttemperaturen von 31 Grad an neun Tagen im Sommer erreicht.
Wenn man nur die letzten fünf Jahre ansieht, ist der Effekt noch deutlicher zu sehen: Die mittlere Höchsttemperatur stieg um 3,1 Grad auf 26,6 Grad an, Höchsttemperaturen von 31 Grad wurden an 13 Tagen erreicht. Wir sehen also eine Verdreifachung der Extreme.
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Trend betrifft ganz Deutschland

Das ist natürlich nicht nur in Jena der Fall, nicht nur im Sommer und betrifft nicht nur die Tageshöchsttemperaturen. In den letzten Jahren sind die Temperaturen in ganz Deutschland im Mittel um zwei bis drei Grad gestiegen, deutlich mehr als das globale Mittel. Und der Erwärmungstrend hört ja nicht auf, er setzt sich fort, solange wir Fossiles verbrennen, und sogar deutlich darüber hinaus. Das lässt sich nicht mehr verhindern.

Was wir gegen zunehmende Hitzewellen tun können

Aber was wir tun können, ist offensichtlich: aufhören, Fossiles zu verbrennen und unser Energiesystem modernisieren, hin zum Strom und Erneuerbaren. Und wir müssen uns auf heißere und extremere Sommer einstellen und anpassen. Zum Beispiel, indem wir in Städten mehr begrünen und weniger Flächen versiegeln. Nur dann können wir die zunehmenden Hitzewellen im Schatten besser ertragen.
Professor Harald Lesch
Harald Lesch über einen Aspekt des Klimawandels, der bisher kaum beleuchtet wird: die Kühlgrenztemperatur.22.07.2020 | 8:06 min

... ist Physiker, leitet eine Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut für Biogeochemie und lehrt an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Meistens forscht er daran, wie die Erde Energie in verschiedenste Formen umwandelt und wo dabei die Grenzen liegen, mit einem Blick auf das ganze Erdsystem.  Dies wendet er an, um Klima, Klimawandel und die Rolle des Lebens besser - und einfacher - zu verstehen und abzuschätzen. Das hat auch ganz praktische Bedeutung, für die Folgen des Klimawandels und für die Grenzen von erneuerbaren Energien. Seine Arbeitsgruppe schreibt über die eigene Forschung auch auf dem Blog earthsystem.org.

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