Ottobock: Prothesen-Hersteller trotz Kritik an die Börse gegangen

Börsengang des Prothesen-Herstellers:Ottobock-Aktien starten durch

von Kerstin Ripper
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Prothesen-Hersteller Ottobock will mit den Börsengang-Einnahmen vor allem eins: Schulden tilgen. Das finden nicht alle gut. Trotzdem war der Start an der Börse ein voller Erfolg.

Eine myoelektrisch gesteuerte Handprothese ist im Showroom am Firmensitz vom Orthopädietechnikhersteller Ottobock zu sehen

Ottobock hat weltweit einen Marktanteil von 30 Prozent bei Prothesen und ist damit Weltmarktführer.

Quelle: dpa

Es war der bislang bedeutendste Börsengang 2025: Die Aktie von Ottobock, Weltmarktführer von Prothesen, hatte einen Ausgabepreis von 66 Euro und war am ersten Tag so gefragt, dass sie kurz nach Öffnung der Börsen um 9:30 Uhr sogar bei 72,70 stand. Im Laufe des Tages pendelte sich die Aktie bei um die 69 Euro ein.

Der Zeitpunkt war gut gewählt - so hatte es auch Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) im Vorfeld eingeschätzt: "Insgesamt ist die Gemengelage für Börsengänge ordentlich." Denn: "Trotz weiterhin spürbarer Unsicherheiten sind die Märkte solide und US-Kapital fließt wieder nach Europa."

Nach einer (…) Durststrecke am IPO-Markt ist Ottobock der erste größere Börsengang seit Langem.

Marc Tüngler, Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW)

Warum Unternehmen an die Börse gehen




Paralympics-Teilnehmer tragen Ottobock-Prothesen

Ottobock hat weltweit einen Marktanteil von rund 30 Prozent bei Prothesen und ist damit Weltmarktführer. Viele Paralympics-Teilnehmer tragen Ottobock-Prothesen. Auch als Hersteller von Rollstühlen und Exoskeletten ist das Unternehmen ganz vorne dabei.

Ein Technicker von Ottobock arbeitet an Prothesen für den französichen Para-Athlet Alexis Sanchez.

Ein Technicker von Ottobock arbeitet an Prothesen für den französichen Para-Athlet Alexis Sanchez.

Quelle: afp

Mit Blick auf die geopolitische Weltlage und einer immer älter werdenden Gesellschaft werden Medizintechnik-Produkte voraussichtlich weiter gefragt. Für Käuferinnen und Käufer also eine sichere Sache? So einfach ist es leider nicht.

Viel schwieriger als Weltmarktführer zu sein, ist es Weltmarktführer zu bleiben.

Hans Georg Näder, Chef von Ottobock im ZDF im Jahr 2007

"einfach Mensch - Denise Schindler: Paralympics 2024 (1)": Denise Schindler fährt auf ihrem Rennrad eine Straße hoch. Sie lacht in die Kamera. Im Hintergrund liegen Wiesen, dahinter stehen Häuser unter einem bewölkten Himmel.

Denise Schindler ist eine der erfolgreichsten Para-Radsportlerinnen. Auch sie ist auf Unterstützung durch maßgeschneiderte Medizintechnik angewiesen.

17.08.2024 | 15:09 min

Unternehmenschef trifft harte Entscheidungen

Der Chef, Hans Georg Näder, Jahrgang 1961, steht seit 1990 an der Spitze des Familienunternehmens, das sein Großvater 1919 gegründet hat. In der Liste der 100 reichsten Deutschen belegte Näder 2024 Platz 61.

Er selbst hat sich in einem ZDF-Interview 2007 als "Teamchef mit Führungsanspruch" bezeichnet. Ein Teamchef, der in der Vergangenheit auch ungemütliche Entscheidungen getroffen hat: Von 2006 bis 2010 galt bei Ottobock die 42(!)-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich. Es hagelte Kritik, aber mit der Firma ging es bergauf.

Prothesen der Firma Vincent Systems sollen an die Bewegungen einer echten Hand so nahe wie möglich heran kommen

Wie werden Prothesen hergestellt? Aluminium und Titan, hochfeste Kunststoffe und kleinste Motoren sowie Getriebe, ermöglichen künstliche Gliedmaße, die für Erwachsene wie für Kinder geeignet sind.

29.11.2017 | 2:33 min

Trotz Ermittlungen gegen Näder: Aktien überzeichnet

Aktuell laufen Ermittlungen gegen Hans Georg Näder. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt wegen des Verdachts auf schwere Steuerhinterziehung gegen den Kopf des Unternehmens. Der weist die Vorwürfe zurück.

Aber geschadet hat es der Reputation des Prothesen-Herstellers und damit dem Börsengang bislang nicht: Die Aktien des Medizintechnik-Herstellers sind mehrfach überzeichnet. Damit sind die Anteilsscheine ähnlich gefragt wie die Produkte.

moma future: Exoskelett

Aufstehen und sich aufrecht fortbewegen: Dies sollen Exoskelette Menschen mit etwa einer Querschnittslähmung ermöglichen. Erste Prototypen werden getestet.

28.11.2024 | 2:27 min

Kritik an Börsengang: Schuldentilgung und Russlandgeschäft

Der Wert von Ottobock wird zurzeit mit rund vier Milliarden Euro eingestuft. Den meisten Experten wie Marc Tüngler scheint das viel und "recht ambitioniert". Vor allem wenn man weiß, dass das Unternehmen hoch verschuldet ist und mit dem Börsengang seinen Schuldenberg abbauen will.

Das ist zwar nicht unüblich, doch sehen es Investoren lieber, wenn das Geld aus einem Börsengang für die Entwicklung neuer innovativer Produkte verwendet wird und nicht, um damit Schulden abzubauen.

Ottobock verändert sich: von der Gmbh zu einer Co. KGaA. Eine Co. KGaA - also eine Kommanditgesellschaft auf Aktien - schüttet Dividende aus und bittet Aktionärinnen und Aktionäre zu Abstimmungen auf der Hauptversammlung; Grundsatzentscheidungen können diese aber nicht treffen. "Die Kontrolle verbleibt bei der Familie Näder. Investoren geben Kapital, können aber nicht mitreden. Das ist ein sehr großer Nachteil," so das Fazit von DSW-Geschäftsführer Marc Tüngler.


Kritisch zu hinterfragen sei Marc Tüngler zufolge das Engagement des Börsen-Neulings in Russland: "Ottobock ist trotz Krieg in der Ukraine weiterhin dort aktiv." In der aktuellen politischen Lage sei unklar, wie diese Aktivitäten beim Börsengang bewertet werden, erläutert Tüngler.

"Zuspitzungen - etwa zwischen USA und Russland - könnten unmittelbare Folgen (…) haben", ergänzt Tüngler. Der größte Börsengang seit langem wird im Vorfeld also nicht nur mit Jubel erwartet.

Kerstin Ripper ist Redakteurin der ZDF-Hauptredaktion WIRSSUM.

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