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Testfahrt durch Europa:Wie zukunftsfähig sind Wasserstoff-Lkw?
von Christian Bock
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Diesel-Lkw verursachen einen erheblichen Anteil der Schadstoffbelastung. Politik und Wirtschaft setzen auf Batteriefahrzeuge - aber ist das der einzig mögliche Weg?
Sara Schiffer, Jahrgang 1993, ist Geschäftsführerin des Start-ups "hylane", das 122 Wasserstoffantrieb-Lkw in der Flotte hat. Die studierte Informatikerin hat sich zum Ziel gesetzt, maßgeblich dazu beizutragen, den Straßentransport klimaneutral zu gestalten.
Testfahrt mit Wasserstoff-Lkw durch Europa
In der Anschaffung kosten Saras H2-Trucks das Sechsfache von Diesel-Lkw, was sich die meisten kleinen Speditionen und Unternehmen nicht leisten können - eine Mietoption mit Festpreis pro Kilometer schon, so dass Saras Unternehmensmodell Zuspruch findet.
Aber ist die Tankstellen-Infrastruktur dafür ausgelegt, um Frachten quer durch Europa mit Wasserstoff-Lkw zu transportieren? Ein Praxistest soll es zeigen: Sara startet mit einem ihre Lkw koreanischer Bauart auf eine Langstreckenfahrt von Niebüll in Schleswig-Holstein bis nach Turin in Italien.
Wasserstoff-Lkw: Viele Vorteile - wenig Tankstellen
Wasserstoff als Energiequelle für den regelmäßigen Straßengüterverkehr ist noch wenig verbreitet. Für die Lkw spricht: Sie sind leise, zugkräftig wie ein batteriebetriebenes Modell - und tanken an H2-Tankstellen binnen 15 Minuten auf. Batterie-Lkw brauchen bis zu acht Stunden, was einen 24-Stunden-Betrieb unmöglich macht.
Nachteile: Die LKW sind noch wesentlich teurer als Diesel und das Tankstellennetz ist kaum ausgebaut. 2016, kurz nach der Marktzulassung des ersten Pkw mit Wasserstoffantrieb, gab es gerade einmal fünf Wasserstofftankstellen in Europa - alle in Deutschland.
Im Jahr 2024 sind es europaweit mit 167 deutlich mehr - aber reicht das wirklich quer durch Europa? In jedem Fall muss jede Fahrt exakt vorbereitet werden, um sicherzustellen, dass der nächste Tankstopp erreichbar ist. "Wenn eine Tankstelle in der Nähe ist, tanke ich lieber auf Nummer sicher", so Saras Strategie.
Start-up-Gründerin fordert Investitionen
Eine Herausforderung ergibt sich an der Schweizer Grenze. Die Beamten sind unsicher, ob ein Wasserstoff-Lkw unter die Mautbefreiung für Elektrofahrzeuge fällt. Nachkurzer Diskussion kann Sara mautfrei weiterfahren, denn die von der Brennstoffzelle produzierte Energie wird auch in einer Batterie gespeichert und von dort an den Antrieb abgegeben. Insofern gelten Wasserstoff-Lkw als Elektrofahrzeuge.
Auch in Lausanne wird Sara mit Problemen konfrontiert, die von Elektro-KFZ bekannt sind. Eine Zapfsäule verweigert den Dienst, bis sie nach 15 Minuten Streik doch noch den Lkw betankt - ohne dass es eine nachvollziehbare Erklärung gibt.
Sara ist überzeugt, dass es wichtig ist, schon jetzt die Nachfrage nach Wasserstoff zu steigern, um Investitionen in die entsprechende Infrastruktur anzuregen. Erst müsse die Industrie eine Infrastruktur aufbauen, dann käme die Nachfrage der Transportunternehmen mit größer werdenden Flotten von selbst.
Innovationsforscher sieht Chancen bei Wasserstoff
Prof. Patrick Plötz, Innovationsforscher beim Fraunhofer-Institut, sieht wasserstoffgetriebenen Schwerverkehrs als große Herausforderung:
Grüner Wasserstoff ist ein zentraler Energieträger der Zukunft.
Patrick Plötz, Innovationsforscher, Fraunhofer-Institut
"Dennoch ist momentan eine dominierende Rolle im Straßenverkehr aufgrund der technischen Entwicklung von Batterien und dem Schnellladen sowie der Gesamtkosten eher noch weniger wahrscheinlich", so Plötz.
Einen kompletten Verzicht auf Wasserstoff sieht er jedoch nicht: "Brennstoffzellenfahrzeuge können in einigen Märkten interessante Anwendungen haben und sollten für die künftige Entscheidung bezüglich des Einsatzes von Wasserstoff in mobilen Anwendungen weiter untersucht werden", meint Plötz und ergänzt:
Gerade auch vor dem Hintergrund, dass es für Deutschland ein wichtiges industriepolitisches Thema ist.
Patrick Plötz, Innovationsforscher, Fraunhofer-Institut
Und noch ein weiteres Argument spricht für den Einsatz von Wasserstoff: Durch den zunehmenden Anteil Erneuerbarer Energien an der Stromversorgung entstehen vor allem an nutzungsschwachen, aber sonnigen Tagen Stromspitzen, die die Netze gefährden können.
Anteil der Erneuerbaren am Stromverbrauch
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Der Bedarf an Speichermöglichkeiten, um den Überschuss nicht zu verschwenden, steigt. Wasserstoff lässt sich nahezu verlustfrei und dezentral - also in Tankstellen - lagern. Und viele der über 14.000 Tankstellen in Deutschland befinden sich außerhalb der Innenstädte und haben entsprechend Platz.
Testfahrt endet nach 1.500 Kilometern
Nach ihrer über 1.500 Kilometer langen Testfahrt ist Sara Schiffer überzeugt, dass Langstreckenfahrten durch Europa mit Wasserstoffantrieb schon heute möglich sind. Sie ist überzeugt: "Wir brauchen eine Kombination aus Batterie- und Wasserstofftechnologie auf den Straßen. Eine Energieart allein wird nicht ausreichen, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen".
Quelle: dpa
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