Vorteil im US-Zollstreit:Renault, das gallische Dorf der Autoindustrie
von Gregor Lischka
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Wir befinden uns im Jahr 2025. Europas Autobauer sind vom US-Zollstreit hart getroffen. Alle? Nein - ein kleiner gallischer Konzern bleibt gelassen. Wie hat Renault das geschafft?
Der französische Autohersteller Renault zeigt sich unbeeindruckt von Trumps Zöllen.
Quelle: AFP
Während europäische Branchengrößen wie Volkswagen, BMW und Mercedes unter dem Druck des internationalen Handelskriegs ächzen, bleibt man bei Renault erstaunlich entspannt. "Ich bin wahrscheinlich weniger besorgt als meine Kollegen, die ein großes Interesse an den USA haben", sagte Konzernchef Luca de Meo jüngst dem US-Sender CNBC.
Wir werden die Auswirkungen in Zukunft nicht in gleichem Maße zu spüren bekommen.
Luca de Meo, Konzernchef Renault
Der Grund: Der Konzern aus Frankreich hat sich schon vor Jahrzehnten vom amerikanischen Markt verabschiedet. "Diese kompakten, preiswerten Autos passen einfach nicht in den amerikanischen Markt", erklärt der unabhängige Branchenexperte Jürgen Pieper. "Diese Zollthematik lässt Renault daher vollkommen kalt."
Renault: Vom Sorgenkind zum Vorzeigekonzern
Auch darüber hinaus steht der Konzern derzeit solide da. In den vergangenen fünf Jahren hat Renault eine bemerkenswerte Renaissance erlebt: 2020 war Renault angeschlagen. Marktanteile gingen verloren, das Unternehmen steckte in einer tiefen Krise. Die operative Marge war sogar negativ - mit jedem produzierten Auto schrieb Renault ein kleines Minus.
Heute sieht das ganz anders aus: Über sieben Prozent operative Marge stehen für 2024 in den Büchern - ein Wert, der aktuell nicht nur über dem von Volkswagen liegt, sondern sich auch mit Premiumherstellern wie BMW oder Mercedes messen kann.
Mit Effizienzstrategien aus dem Minusgeschäft
Die Trendwende trägt einen Namen: Luca de Meo. Der ehemalige Manager von Volkswagen übernahm 2020 das Ruder bei Renault - und krempelte den Konzern um.
So simpel das klingt: Er hat die Wichtigkeit guter Produkte erkannt und viel Wert auf Effizienz gelegt.
Jürgen Pieper, Experte für Automobilindustrie
De Meo schloss oder verlagerte Werke, senkte die Kosten und setzte den Fokus in Richtung E-Mobilität. Diese Strategie trägt mittlerweile Früchte. Was Renault im E-Bereich auf den Markt bringt, kommt an - bei Kunden wie auch der Fachpresse.
Pieper lobt besonders die Originalität der neuen Modelle: "Bei Renault hat man aktuell Aha-Effekte, die man bei VW seit Jahren vermisst", meint der Autoanalyst.
Autobauer mit preiswerter Produktpalette
Ein weiterer Trumpf im Renault-Konzern: die Marke Dacia. Mit dem rumänischen Tochterunternehmen gelingt es Renault als fast einzigem europäischen Hersteller, kostengünstige Autos zu bauen und hat mit dem Dacia Sandero auch einen echten Bestseller im Portfolio.
Das Modell hat den VW Golf als meistverkauftes Auto in Europa längst überholt. Und: Die für eine Automarke so wichtige Kundenloyalität liegt bei Dacia bei über 80 Prozent.
Heißt: Acht von zehn Kunden, die ein Auto der Marke besitzen, kaufen ihr nächstes Auto erneut bei Dacia - europaweiter Bestwert. "Die Kunden mögen offensichtlich diese einfachen Produkte", sagt Branchenexperte Pieper.
Überschaubare Preise, Robustheit, Alltagstauglichkeit - das hat früher auch VW groß gemacht.
Jürgen Pieper, Autoanalyst
Der "gallische" Vorteil für Renault im Zollstreit - wie lange noch?
Im Moment scheint bei Renault also vieles zu stimmen. Aber heißt das, dass man in Wolfsburg künftig öfter mal nach Paris blicken sollte?
Jürgen Pieper bleibt zurückhaltend: "Man muss auch sagen: Renault spielt von der Größe nicht in der ersten Liga." So verkauft der Volkswagen-Konzern etwa fünf- bis sechsmal mehr Fahrzeuge pro Jahr als Renault.
Man kann Dinge häufig ein bisschen einfacher bei kleineren Unternehmen durchsetzen, aber der aktuelle Größen- und Kostenvorteil wird sich irgendwann auch abnutzen.
Jürgen Pieper, Autoanalyst
Renault mag derzeit so etwas sein wie das gallische Dorf der europäischen Autoindustrie - mutig, clever und widerstandsfähig. Aber: Wie im Asterix-Comic auch hält der Zaubertrank womöglich nicht ewig.
Und da ist auch noch das US-Geschäft. Kurz- und mittelfristig spielt die geringe Abhängigkeit von diesem Markt Renault in die Karten. Aber: "Langfristig ist es natürlich kein Zeichen von Stärke, wenn man so einen großen Weltmarkt links liegen lassen muss", glaubt Automobil-Experte Jürgen Pieper.
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