Schiffs-Recycling: Was die neue Hongkong-Konvention ändert

Abkommen zu Schiffs-Recycling:Gefährliches Abwracken soll gestoppt werden

von Lilly Kock und Lucy Weiler
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Ausschlachten unter fragwürdigen Umständen: Das Recycling alter Schiffe schadet oft Mensch und Umwelt. Ein internationales Abkommen soll das nun ändern.

Ein alter Frachter wartet in Chittagong in Bangladesch auf seine Verschrottung. Häufig geschieht das Recycling unter fragwürdigen Bedingungen.
Ein alter Frachter wartet in Chittagong in Bangladesch auf seine Verschrottung. Häufig geschieht das Recycling unter fragwürdigen Bedingungen.
Quelle: AFP

Mit dem sogenannten Beaching endet für viele Ozean-Riesen die Reise. Ausrangierte, verrostete Schiffe werden vor allem in Südasien mit hoher Geschwindigkeit an den Strand gefahren und dort ausgeschlachtet - oft unter Bedingungen, die der Umwelt schaden und die lebensgefährlich für die Arbeiter sind.
16 Jahre nachdem sie unterzeichnet wurde, tritt jetzt die Hongkong-Konvention in Kraft. Das internationale Abkommen soll das Recycling weltweit verbessern.
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Recycling unter gefährlichen Bedingungen

Die Arbeitsbedingungen: meist prekär, denn Schutzkleidung und Sicherheitsvorkehrungen fehlen. Tonnenschwere Schiffsteile bergen wegen mangelnder Arbeitsstandards eine hohe Unfallgefahr. Die oft minderjährigen, ungeschulten Arbeiter setzen täglich ihre Gesundheit aufs Spiel, kritisiert Nicola Mulinaris von der Schutzorganisation Shipbreaking Platform. Und oft würden sie giftigen Stoffen ausgesetzt.
Dazu zählen Asbest und giftige Öle, die in vielen alten Schiffen verbaut sind. Wenn nicht sachgemäß gearbeitet wird, dann gelangen die zum Teil auch krebserregenden Stoffe ins Meer und belasten dort das Ökosystem.
Es geht ums Geld. Etwa 700 Seeschiffe werden laut dem Verband Deutscher Reeder jährlich außer Dienst gestellt. Das Recycling findet fast ausschließlich in Asien, vor allem in Pakistan, Bangladesch und Indien statt.
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Wissen über giftige Stoffe oft ignoriert

Zwar arbeiten längst nicht alle Unternehmen mit fragwürdigen Methoden, allerdings ist die Versuchung groß, die Kosten klein zu halten. "Nicht-zertifizierte Werften bevorzugen zum Teil das Nichtwissen über Gefahrenstoffe", erklärt Henning Gramann, Experte bei der Firma Green Ship Recycling Services. "Das spart Kosten und Mühen."
Vor allem Stahl ist ein lukrativer Rohstoff. Ein großes Frachtschiff kann einige Zehntausend Tonnen liefern. Allein in Bangladesch decken die Recyclingwerften geschätzte 80 Prozent des Stahl-Rohstoffbedarfs des gesamten Landes.
Und der Markt wird wohl nicht schrumpfen. Die Zahl der zu recycelnden Schiffe könne sich in den kommenden zehn Jahren im Vergleich zur Dekade davor fast verdoppeln, so schätzt der internationale Rederverband Bimco.
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Neue Konvention schreibt Standards vor

Die Hongkong-Konvention schreibt nun vor, dass jedes Schiff künftig eine detaillierte Schadstoffliste mitführen muss. So soll genau dokumentiert werden, welche gefährlichen Stoffe im Schiff verbaut sind.
Recyclingfirmen müssen zudem von nun an über einen Rückbauplan verfügen, der unter anderem Sicherheitsmaßnahmen und Schulungen für die Arbeiter beinhaltet.

Die Hongkong-Konvention ist ein Übereinkommen der Internationalen Maritimen Organisation (IMO), einer UN-Behörde. Derzeit gibt es 176 Vertragsstaaten und drei assoziierte Länder. Die Konvention wurde zwar schon 2009 beschlossen, die notwendige Anzahl an Ratifizierungen ließ aber bis 2023 auf sich warten. Sie tritt am 26. Juni 2025 in Kraft.

Solche Auflagen schreiben nun internationale Standards fest, für die Shipbreaking Platform gehen sie allerdings nicht weit genug. Denn:

Die Hongkong-Konvention verbietet die Beaching-Methode nicht und legitimiert damit genau die Praktiken, die sowohl die Arbeiter als auch die Umwelt gefährden.

Nicola Mulinaris, Shipbreaking Platform

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Regeln werden durch "Umflaggen" umgangen

Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) sieht in der Konvention vielmehr eine Ergänzung zu bereits bestehenden Abkommen. Dazu zählt die Basel-Konvention, die seit 1989 den grenzüberschreitenden Verkehr und die Entsorgung von gefährlichen Abfällen regelt.
Zudem gilt für Schiffe unter EU-Flagge seit 2013 eine eigene Verordnung der EU. Durch das so genannte Umflaggen, also den Verkauf an Länder wie etwa Liberia, werden die hohen europäischen Lohn- und Arbeitsschutzstandards aber oft umgangen.
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Beaching bleibt wohl lukrativ

Wie gut die neue Hongkong-Konvention tatsächlich wirkt, muss sich zeigen. Das Beaching biete "skrupellosen Schiffseignern und lokalen Abwrackern" trotz allem weiter hohe wirtschaftliche Gewinne, fürchtet Nicola Mulinaris.
Für Henning Gramann ist die Methode des Abwrackens dabei gar nicht mal entscheidend. Wichtiger ist für ihn, dass sich die Werften schlichtweg an die Regel halten, die verlangten Maßnahmen umsetzen und entsprechend gut ihre Mitarbeiter ausbilden.

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