Interview
15 Jahre Euro-Rettungsschirm:Schuldenkrisen bewältigt, viele offene Fragen
von Anne Sophie Feil
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Vor 15 Jahren spannte die EU den Euro-Rettungsschirm auf, um Staatspleiten zu verhindern und den Euroraum in der Schuldenkrise vor dem Auseinanderbrechen zu bewahren. Mit Erfolg?
2010 trat der Euro-Rettungsschirm in Kraft. (Symbolbild)
Quelle: dpa/Boria Roessler
Am 10. Mai 2010 einigten sich die Euro-Staaten auf ein Hilfspaket von 750 Milliarden Euro. Auslöser war die eskalierende Schuldenkrise, die sich aus mehreren Faktoren speiste.
Nationale Finanzpolitik: "Geburtsfehler" im Euroraum
Schon mit der Geburt des Euro ging es los: Alle Euro-Mitgliedsländer behielten ihre eigene Finanzpolitik. Man hatte eine gemeinsame Währung - aber keine gemeinsame Kontrolle über Haushaltsdefizite, Verschuldung oder Wettbewerbsfähigkeit.
Dann kamen günstige Zinsen, die viele Länder zu sorglosem Schuldenmachen verführten - allen voran Griechenland, das schon vor dem Euro tief in der Kreide stand. Gleichzeitig blähten sich Immobilienblasen in Ländern wie Spanien und Irland auf. Als 2008 die globale Finanzkrise zuschlug, mussten viele Staaten ihre Banken retten - und ihre Schulden stiegen dramatisch.
Euro-Rettungsschirm aus Angst vor Staatsbankrott
Die Finanzmärkte verloren das Vertrauen, die Zinsen für Staatsanleihen explodierten, einige Länder konnten sich gar nicht mehr finanzieren. Der Staatsbankrott rückte näher - und mit ihm die Angst vor einem Dominoeffekt im gesamten Euroraum.
Länder wie Griechenland oder Portugal verloren massiv an Kreditwürdigkeit, standen kurz vor der Pleite. Um ein Auseinanderbrechen der Eurozone zu verhindern, zog die Europäische Union deshalb einen Euro-Rettungsschirm auf. Am 10. Mai 2010 trat er in Kraft.
Hilfe der Euroländer nur gegen harte Reformauflagen
Das Prinzip: Aus einem gemeinsamen Topf konnten jetzt Kredite an Krisenstaaten fließen - allerdings nur gegen harte Reformauflagen. Überwacht wurde das Ganze von der sogenannten "Troika" aus EU-Kommission, EZB und Internationalem Währungsfonds (IWF).
Später konnten auch Banken direkt gestützt werden, um den gefährlichen Kreislauf zwischen Staat und Finanzsektor zu durchbrechen.
Fünf Länder - Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Zypern - griffen auf die Hilfen zurück. Alle setzten Reformprogramme um. Irland, Portugal, Spanien und Zypern kehrten relativ zügig an den Kapitalmarkt zurück.
Sonderfall Griechenland: Weiter hoch verschuldet
Spanien nutzte vor allem ein Bankenprogramm und zahlte große Teile vorzeitig zurück. Auch Zypern schrumpfte seinen überdimensionierten Bankensektor.
Griechenland bekam drei Hilfspakete, einen Schuldenschnitt und stand bis 2018 unter scharfer Aufsicht. Heute ist das Land wieder kreditfähig, bleibt aber wirtschaftlich verletzlich - mit hoher Verschuldung, Investitionslücken und schwieriger Demografie. Dennoch: Bei Wachstum, Haushaltsführung und Reformen gibt es deutliche Fortschritte.
Corona-Pandemie nächste Prüfung für Rettungsschirm
Als die Pandemie Europa traf, folgte der nächste Kraftakt: der Corona-Aufbaufonds. Damit ging die EU-Kommission erstmals in großem Stil gemeinsame Schulden ein, indem sie selbst Kredite am Finanzmarkt aufnahm.
Das Ziel war, den Mitgliedsstaaten rasch Geld für Investitionen und Reformen bereitzustellen, um die wirtschaftlichen Schäden der Pandemie abzufedern und den Wiederaufbau zu finanzieren.
Viele Baustellen sind geblieben
Inzwischen gibt es Kritik an mangelnder Kontrolle und Transparenz, aber das Prinzip gemeinsamer Verantwortung bleibt politisch brisant.
Der Euro ist geblieben - trotz aller Turbulenzen. Aber auch viele Baustellen sind geblieben: Schuldenregeln werden weiter diskutiert, und die Frage, wie solidarisch Europa in künftigen Krisen sein soll, ist längst nicht geklärt. Aber eines hat die Krise gezeigt: Wenn es ernst wird, ist der politische Überlebenswille der Eurozone groß.
Anne Sophie Feil ist Redakteurin im ZDF-Team Wirtschaft und Finanzen.
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