Facebook muss Hetzbeiträge nicht aktiv suchen und löschen
Facebook muss Hetzbeiträge nicht suchen und löschen
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Facebook muss in seinem Netz nicht aktiv nach rechtswidrigen Inhalten suchen und sie löschen. Ein syrischer Flüchtling unterlag mit seinem Antrag auf eine Einstweilige Verfügung.
Der Fall des Anas Modamani sorgte für Schlagzeilen: Das Foto, das den Flüchtling dabei zeigt, wie er für ein Selfie mit Angela Merkel posiert, ging um die Welt. Doch das Foto brachte ihm nicht nur Berühmtheit ein: Es wurde verfälscht, seine Person in falsche Zusammenhänge gebracht, er wurde verleumdet und diffamiert. Vor allem auf Facebook verbreiteten sich die falschen Fotos. Anas Modamani zog vor Gericht, um per zu erreichen, dass Facebook die falschen Postings, sowie jene Posts, in denen die falschen Aussagen geteilt wurden, löscht. Denn bislang müssen Nutzer jedes einzelne Posting, in dem sie eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte sehen, umständlich melden.
Nach dem am Dienstag vom Landgericht Würzburg erlassenen Urteil ist klar: Auch weiterhin wird Anas Modamani selbst verleumderische Beiträge gegen ihn suchen und melden müssen. Der syrische Flüchtling unterlag mit seinem Antrag auf eine Einstweilige Verfügung gegen Facebook.
Das Urteil
Facebook muss in seinem Netz weiterhin nicht aktiv nach rechtswidrigen Inhalten gegen einen Flüchtling suchen und diese löschen. Das Unternehmen habe sich die Verleumdungen von Dritten nicht zu Eigen gemacht und könne deshalb nicht zu einer Unterlassung gezwungen werden, begründete der Vorsitzende Richter der Ersten Zivilkammer, Volkmar Siepel, sein Urteil.
„Bei einer schweren Persönlichkeitsverletzung“ erscheine zwar „ein erhöhter Suchaufwand gerechtfertigt“. Die Verpflichtung gelte aber nur, „wenn diese technisch ohne zu großen Aufwand realisierbar und damit zumutbar ist“, so das Gericht. Diese zwischen den Parteien strittige Frage sei „letztlich im Verfügungsverfahren nicht aufklärbar“ gewesen und werde „gegebenenfalls in einem möglichen Hauptsacheverfahren durch Gutachten zu klären“ sein. Die Eilbedürftigkeit als Voraussetzung für eine einstweilige Verfügung bestehe in dem Verfahren jedenfalls nicht oder zumindest nicht mehr.
Modamanis Anwalt Chan-jo Jun sagte, das Gericht habe sich mit seiner Entscheidung „in den Grenzen des Rechts“ bewegt, das älter ist als das soziale Netzwerk. Gesellschaft und Politik müsste nun entscheiden, ob sie weiterhin hinnehmen, dass Facebook„machen kann, was es will“, sagte Jun: „Wenn nicht, dann brauchen wir neue Gesetze.“ Der Fall wurde in Würzburg verhandelt, weil der Anwalt des Flüchtlings seine Kanzlei in der Residenzstadt hat.
Ist die Verbreitung strafbar?
Die Frage, ob sich Nutzer durch die Verbreitung solcher unwahren Posts strafbar machen, sei schwierig zu beantworten, sagt Rechtsanwalt Christian Solmecke. Oft sei unklar, ob die Verbreiter die Unwahrheit der Meldung erkennen müssten oder nicht. Nach der bisherigen Rechtsprechung sei eine Haftung der Verbreiter allerdings dann möglich, wenn sie sich die fremde Falschmeldung inhaltlich zu eigen machten. Nutzer, die eine Falschmeldung mit einem unterstützenden Kommentar versehen, könnten grundsätzlich also auch rechtlich für eine Falschmeldung verantwortlich gemacht werden, so Solmecke weiter.
Während eine Strafbarkeit wohl eher selten in Frage komme, sei es aber möglich, dass sich Unterlassungs- und Löschungsansprüche begründen ließen. Dabei sei aber stets auch das sogenannte Laienprivileg zu berücksichtigen, nachdem man Privatpersonen, die Medienberichte weiterverbreiten, nur eingeschränkte Prüfpflichten auferlege. Es komme dann darauf an, ob die jeweilige Meldung als Rechtsverletzung erkennbar war oder nicht, resümiert der Rechtsanwalt.
Das können Betroffene tun
Wer unwahre Tatsache über sich selbst liest, kann aktiv werden. Es gebe sowohl zivilrechtliche als auch strafrechtliche Handlungsmöglichkeiten gegen den Autor der unwahren Tatsachenbehauptung, sagt Christian Solmecke. Aus strafrechtlicher Sicht komme bei unwahren Tatsachenbehauptungen in Fällen, in denen auf eine konkrete Person Bezug genommen wird, eine Anzeige wegen Beleidigung, übler Nachrede und Verleumdung in Betracht. Dieser Weg stelle sich bisweilen als schwierig dar, weil es bei der Polizei für die weiteren Ermittlungen nicht selten an Kapazitäten, vor allem aber an notwendigem technischen Know-How fehle, insbesondere bezüglich der zuverlässigen Identifizierung eines Täters, sagt Solmecke.
Da ein strafrechtliches Vorgehen zwar zu einer Bestrafung des Autors führen könne, in der Regel aber nicht für eine hinreichend schnelle Löschung der Falschmeldungen sorge, sei ein zivilrechtliches Vorgehen oft vorzugswürdig. Bei rechtswidrigen Tatsachenbehauptungen könne der Betroffene – je nach Umständen des Einzelfalles – von dem Autor im Rahmen einer Abmahnung oder gerichtlichen Unterlassung, Widerruf, Schadensersatz, Einforderung einer Geldentschädigung, Auskunft über das Ausmaß der Verletzungshandlung sowie Löschung verlangen. Reagiere der Autor oder der Betreiber der entsprechenden Internetseite auf eine Abmahnung nicht entsprechend, führe eine einstweilige Verfügung zu einer schnellen gerichtlichen Entscheidung, so Rechtsanwalt Solmecke.
Nach der bisherigen Rechtsprechung sei eine Haftung der Verbreiter dann möglich, wenn sie sich die fremde Falschmeldung inhaltlich zu Eigen machen. Während eine Strafbarkeit nicht immer angenommen werden könne, dürften sich zumindest Unterlassungs- und Löschungsansprüche begründen lassen. Ob auch das Weiterverbreiten ohne weitere Kommentierung eine Rechtsverletzung darstellen kann, sei noch nicht höchstrichterlich geklärt worden, sagt Christian Solmecke.
Facebook hafte zwar nicht für Rechtsverletzungen der Nutzer. Eine (straf-)rechtliche Verantwortlichkeit sei jedoch dann nicht mehr ausgeschlossen, wenn Rechtsverletzungen hinreichend konkret gemeldet würden und Facebook untätig bleibe (der sogenannte „notice and takedown“-Grundsatz), führt Christian Solmecke aus. Mit positiver Kenntnisnahme entfalle nämlich das Haftungsprivileg des Telemediengesetzes. Folglich sei eine konkrete Meldung des Rechtsverstoßes, im besten Fall unter Nennung der jeweiligen Rechtsnormen, für Betroffene ungemein wichtig, so Solmecke. Von der Meldung sollte möglichst ein Screenshot gemacht werden. Komme Facebook einer Löschung nicht nach, könne auch Facebook rechtlich in Anspruch genommen werden.