Tischtennis: Timo Boll - Großer Sportler, größerer Mensch
Abschied der Tischtennis-Legende:Timo Boll: Großer Sportler, größerer Mensch
von Michael Kreutz und Sebastian Ungermanns
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Mit 44 Jahren endet die große Karriere der Tischtennis-Legende Timo Boll. Zwei Perspektiven auf eine große Karriere.
Nach knapp 25 Jahren in der Weltspitze verabschiedet sich Tischtennis-Ikone Timo Boll vom Leistungssport. Was hat ihn zu einer Legende werden lassen?15.06.2025 | 15:23 min
Aus zwei unterschiedlichen Generationen zu kommen, lässt einen, auch im Sport viele Dinge unterschiedlich wahrnehmen, unterschiedliche Geschichten erleben. Zwischen den ZDF-Tischtennis-Redakteuren Michael Kreutz und Sebastian Ungermanns beispielsweise liegen fast 40 Jahre.
Der eine hat Jörg Rosskopf Weltmeister werden sehen (Kreutz), der andere kennt Tischtennis ohne Timo Boll nicht (Ungermanns). Der eine konnte Boll seine gesamte Karriere als Journalist begleiten, der andere hat die meiste Zeit als Fan verfolgt. Zwei Perspektiven auf eine große Karriere.
Von Beginn an dabei: Michael Kreutz erinnert sich
Timo Bolls Karriereende ist ein emotionales Ende, auch für mich. Ich hatte das Privileg diese außergewöhnliche Laufbahn zu großen Teilen begleiten zu können.
Im Mai 1998 lernte ich ihn persönlich kennen, bei den Europameisterschaften in Eindhoven. Ich war eigentlich auf Nicole Struse, Jörg Roßkopf und Co. fokussiert, aber dachte dann ein Abstecher zum Spiel des 17-jährigen Boll gegen Jan-Ove Waldner, den Mozart des Tischtennissports, könnte ganz interessant sein.
Es war weit mehr als das! Timo wehrte neun Matchbälle ab und gewann gegen den damals so ziemlich besten Spieler der Welt! Daraufhin beauftragte mich die Redaktion, ihn in "das aktuelle sportstudio" einzuladen. Mit ein bisschen Überredungskunst betrat dann auch der schüchterne junge Mann aus dem Odenwald die große Fernsehbühne.
Von Erfolg zu Erfolg
Es sollte ein Karrierehöhepunkt nach dem anderen folgen. Weltcup-Sieg, Weltranglisten-Erster, zweimal WM-Bronze. Nur bei Olympia passte es nie so richtig. Dort lernte ich aber den Menschen Timo Boll besser kennen - auf Einladung des DTTB konnten wir Journalisten vorab Einzelgespräche im olympischen Athleten-Dorf führen.
Timo Boll hat sein letztes Champions-League-Finale verloren. Mit Borussia Düsseldorf unterlag er dem 1. FC Saarbrücken mit 1:3. Saarbrücken feierte damit den Titel-Hattrick.
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Und Boll war auch immer einer der zurückfragte, der Interesse an seinem Gegenüber hatte, eine Wertschätzung, die in diesem Geschäft eher selten ist.
Diese Wertschätzung konnten auch immer seine Gegner spüren, er war ein Vorbild an der Tischtennis-Platte, ein Musterbeispiel für Fairness.
Eine Generation später: Der ewige Boll
Als mein Kollege Michael Kreutz Boll das erste Mal spielen sah, da war ich noch nicht geboren. Selbst hatte ich den Tischtennis-Schläger das erste Mal mit acht Jahren in der Hand - da hatte Boll schon fast alles gewonnen, was es zu gewinnen gab.
Deutschland bleibt erstmals seit 2015 bei einer Individual-WM ohne Medaillengewinn. Vor allem für die deutschen Herren verlief das Turnier in Doha enttäuschend.
von Susanne Heuing
Über 25 Jahre stand der heute 44-Jährige an der Spitze des deutschen Tischtennissports. Kein Wunder also, dass es viele junge Erwachsene gibt, die nichts anderes kennen als eine deutsche Nationalmannschaft mit Boll an der Spitze - mich eingeschlossen.
Er war der Spieler der regelmäßig die übermächtigen Chinesen schlug, er war mehrfach die Nummer eins der Welt, um ihn drehten sich sämtliche Medienberichte - aber vor allem galt und gilt Timo Boll auch aufgrund seines Verhaltens abseits des Tisches als absolutes Vorbild.
Boll der Bodenständige
Ich kenne nicht wenige Mannschaftskollegen von damals, die nur seinetwegen angefangen haben zu spielen - einige arbeiten heute sogar im und um den Tischtennissport. Boll nahm sich Zeit für seine Fans, bis auch der letzte aus dem Publikum ein Autogramm bekommen hatte.
Die Tischtennis-WM in Katar findet bislang vor leeren Rängen statt. Das wurde nicht anders erwartet. Für Ärger sorgt eher die große Entfernung zwischen den beiden WM-Hallen.
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Das tat er aber nicht, weil Kameras auf ihn gerichtet waren. Während meines Bundesfreiwilligendienstes bei seinem Verein Borussia Düsseldorf erlebte ich, wie er sich regelmäßig mit seinem fünften Kaffee des Tages ins Büro setzte, sämtliche Mitarbeitenden fragte, wie der Tag war, wie eigentlich die Wohnungssuche läuft oder wie es den Haustieren geht.
Er merkte sich solche Sachen. Boll blieb bodenständig, stand ungern selbst im Mittelpunkt, trotz aller Erfolge.
Boll beeindruckte über Generationen hinweg
Zwei Perspektiven, zwei Generationen - und dennoch hat Boll es geschafft bei beiden gleichermaßen Eindruck zu hinterlassen. Nicht nur als Sportler, sondern auch mit seiner Persönlichkeit. Mit ihm tritt ein ganz Großer des deutschen Sports ab. Als Spieler wird er fehlen, als Mensch bleibt er glücklicherweise dem Tischtennis, und nicht nur dem, erhalten.
Quelle: Reuters
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