TikTok, Instagram & Co.: Kinder vor psychischen Folgen schützen
Dark Patterns bei Social Media:Kinder im Bann der Apps: Was dagegen hilft
von Clara Nigratschka
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Social-Media-Apps wie TikTok, Instagram und Co. packen vor allem Kinder und Jugendliche schnell. Wie schaffen sie das und wann sollten Eltern das Gespräch mit ihren Kindern suchen?
TikTok dient vor allem zur Unterhaltung und Ablenkung. Was aber passiert, wenn Kinder und Jugendliche in eine Blase aus negativem und psychisch bedenklichem Content geraten?25.06.2025 | 5:41 min
Hier ein süßes Tiervideo, da jemand, der witzig tanzt, und das sieht aber lecker aus - schon ist man im scheinbar endlosen Strudel von Instagram oder TikTok gefangen. Aber neben netten Pannen- und Tiervideos werden auf Social Media auch gewaltvolle und psychisch bedenkliche Inhalte sowie Fake News geteilt.
Wie die Aufmerksamkeit aufrechterhalten wird
Der Algorithmus hinter Social-Media-Apps wie Instagram und TikTok ist inzwischen sehr gut entwickelt und stellt sich passgenau auf Interessen und Vorlieben der einzelnen Nutzenden ein. Das animiert dazu, scheinbar ohne Ende weiterscrollen zu wollen. Marcus Bösch forscht zu den Themen Propaganda und digitale Kommunikationsstrategien an der Universität Münster. Zudem ist er Autor des Newsletters "Understanding TikTok". Er vergleicht das Prinzip mit einem Glücksspielautomaten.
Das ganze Prinzip ähnelt einer Slot Machine mit der Grundidee: Das, was jetzt gleich kommt, könnte ja noch interessanter sein.
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Marcus Bösch, Politik- und Kommunikationswissenschaftler, Universität Münster
Neben thematisch passenden Inhalten spielt der Algorithmus manchmal auch absichtlich thematisch konträre Videos aus. Dadurch wird die Neugier der Nutzenden geweckt. Sie werden animiert, weiterzuschauen, um zu checken, ob danach wieder Inhalte erscheinen, die zu ihren Interessen passen.
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Warum es (scheinbar) kein Ende gibt
Sowohl TikTok als auch Instagram bieten keinen Exit-Point: Wenn man nicht aktiv weiter wischt, spielen die Videos in Endlosschleife ab. Dies kann nur durch das aktive Verlassen und Schließen der App beendet werden.
Ein Faktor, der das endlose Scrollen verstärkt, ist das immersive Erlebnis. Besonders auf TikTok werden die Videos automatisch im Vollbild-Modus angezeigt, sodass das Seh-Erlebnis nicht durch zusätzliche Elemente im Bild gestört und man in den Sog der App gezogen wird. TikTok fordert sogar aktiv dazu auf, weiter zu wischen, wenn man zu lang auf einem Video verharrt. Sobald man dem Befehl ein paar Mal gefolgt ist, wird das Scrollen zur Gewohnheit.
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Auch Emotionen spielen eine wichtige Rolle bei den Strategien hinter TikTok und Instagram. Wie der Kinder- und Jugendpsychotherapeut Matthias Heitmann aus Frankfurt erklärt, nutzen Social-Media-Apps die Tatsache aus, dass Menschen generell emotionsgesteuert sind. Denn: Wenn etwas Emotionen in uns auslöst, egal ob positive oder negative, lassen wir uns leichter zu Entscheidungen beeinflussen, die vielleicht nicht gut für uns sind.
Manipulative Mechanismen und ihre Folgen erklärt
Ein Algorithmus ist grundsätzlich eine Handlungsanweisung in Teilschritten, die ein Computerprogramm ausführt, um zu einem bestimmten Ziel zu kommen oder ein Problem zu lösen. Im Fall von Social-Media-Apps ist der Algorithmus dazu da, die Nutzungsdaten auszuwerten und Nutzende auf ihre Interessen zugeschnittene Inhalte zu zeigen.
Dafür werten die Apps Informationen wie Name, Alter und Standort aus, analysieren aber vor allem das Verhalten der Personen innerhalb der App. Also zum Beispiel, was sie liken, teilen, kommentieren und selbst posten.
Dieser Begriff bezeichnet versteckte Mechanismen und Designentscheidungen von Social-Media-Anbietern, die Nutzende unbewusst zu einer bestimmten Handlung animieren, etwa so lange wie möglich in der App zu bleiben oder im Falle einer Shopping-App einen Kauf abzuschließen. Zu den Dark Patterns zählt zum Beispiel auch das gezielte Ausspielen bestimmter Inhalte. Aber auch bestimmte Designelemente, die ein immersives Erlebnis schaffen, fallen darunter.
Eine Folge des scheinbar endlosen Scrollens ist das sogenannte "Doomscrolling", den zwanghaften und oft stundenlangen Konsum von negativen Nachrichten. Dieser wird ausgelöst durch den stetigen Fluss von Inhalten zu ähnlichen Themen, der wiederum negative Einflüsse auf die Psyche haben kann. Eine Abstumpfung kann die Folge sein.
Eine weitere Folge ist das Abtauchen in ein sogenanntes "Rabbithole". Wie bei einem echten Kaninchenbau tauchen Nutzende in ein "Loch" ein, in dem ihnen nur noch Videos zu einem bestimmten Thema angezeigt werden und aus dem sie nur sehr schwer wieder herauskommen.
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Wann und wie Eltern reagieren sollten
Das Handy und Social Media sind wesentliche Bestandteile der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen. Doch gerade sie sind anfällig für die manipulativen Mechanismen hinter Social-Media-Apps, da ihre Gehirne noch nicht voll entwickelt sind. Deshalb sollte man Kinder von Anfang an im Umgang mit Social Media begleiten, rät der Kinder- und Jugendpsychotherapeut Matthias Heitmann.
Zum einen sei es deswegen wichtig, dem Social-Media-Konsum des Kindes im gemeinsamen Gespräch mit Neugier zu begegnen und ihm damit zu signalisieren, dass man sich für seine Lebenswelt interessiere. Zum anderen sei es aber auch wichtig, klare Regeln aufzustellen und über die Mechanismen des Algorithmus aufzuklären. Zu streng müsse man dabei aber nicht sein.
Es ist wichtig, das Verhalten vielleicht nicht mit beiden, aber mit einem guten elterlichen Auge zu beobachten.
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Matthias Heitmann, Psychologe, Kinder- und Jugendlichenpsyschotherapeut
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Kinder im Grundschulalter allerdings sollten während der Handy-Nutzung immer begleitet werden. Auch für ältere Kinder und Jugendliche gilt: Beobachtet man suchtartiges Verhalten, etwa wenn die Kinder nervös oder reizbar sind, sobald das Handy nicht da ist, sollten Eltern auf jeden Fall eingreifen. Der Experte rät, dafür einen Moment abzuwarten, in dem das Handy gerade nicht genutzt wird, um Konflikte zu vermeiden.
Inzwischen gibt es für Eltern in einigen Städten medienpädagogische Beratungsstellen, an die sie sich wenden können, sowie Onlinekurse. Das Bundesministerium für Familie gibt in einer Broschüre Tipps, wie Eltern auf das Social Media-Verhalten ihrer Kinder reagieren können und klärt über verschiedene damit verbundene Themen auf.
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