Nikotinbeutel: Verbotene Pouches bei Jugendlichen beliebt
Pouches bei Jugendlichen beliebt:Suchtgefahr durch verbotene Nikotinbeutel
von Sophie Burkhart
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Nikotinbeutel sind klein, wirken schnell - und sind hierzulande verboten. Bei Jugendlichen sind die Pouches so beliebt, dass Experten eine neue Generation von Süchtigen befürchten.
Nikotinbeutel werden als weniger schädliche Alternative zu Zigaretten oder Vapes wahrgenommen. Doch wie gefährlich sind die Pouches wirklich?
Quelle: dpa
Nikotinbeutel, auch Pouches genannt, sind nikotinhaltige Erzeugnisse, die zwischen Ober- oder Unterlippe oder in die Backentaschen geklemmt werden. Von dort aus gelangt das Nikotin über die Mundschleimhaut in den Blutkreislauf und weiter ins Gehirn, wo es seine Wirkung entfaltet - ohne Rauch, ohne Geruch.
Nikotinbeutel sind leicht in der Hosentasche zu verstecken. Das macht sie besonders bei Jugendlichen beliebt. Laut einer Studie im Auftrag der Krankenkasse DAK hat etwa jeder siebte Schüler im Alter von 16 und 17 Jahren bereits Nikotinbeutel ausprobiert, so Studienleiter Reiner Hanewinkel. Und das, obwohl sie in Deutschland auf legalem Weg nicht erhältlich sind.
Nikotinbeutel enthalten keinen Tabak, daher fallen sie nicht unter das deutsche Tabakerzeugnisgesetz und werden seit 2021 als neuartiges Lebensmittel eingestuft. Lebensmittel dürfen laut EU-Vorgaben jedoch nicht gesundheitsschädlich sein. Da das bei Nikotinbeuteln der Fall ist, sind sie in Deutschland verboten.
Warum man bei diesem Trend nicht mitmachen sollte.
Abhängigkeit durch Nikotinbeutel wahrscheinlich
Psychologe Reiner Hanewinkel warnt vor dem Konsum. Die Beutel könnten mindestens so schnell abhängig machen wie Zigaretten - wenn nicht sogar schneller.
Lakritz, Minze, Kaffee oder Fruchtaromen - die Vielzahl an Geschmacksrichtungen führe bei Jugendlichen zu Fehlinterpretationen, vermutet Hanewinkel.
Die denken: 'Na ja, die sind vielleicht nicht ganz so gesundheitsgefährlich. Was soll schon passieren?'
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Professor Reiner Hanewinkel, Psychologe
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Die Nikotinbeutel beeinflussten den pH-Wert in der Mundhöhle und störten dort das Säure-Basen-Gleichgewicht, erklärt Professor Friedrich Wiebel vom Ärztlichen Arbeitskreis Rauchen und Gesundheit. Das könne unter Umständen sogar zum Zahnverlust führen.
Die Nikotinbeutel seien zwar weniger gesundheitsschädlich als das Rauchen, hätten aber immer noch ein gesundheitliches Risiko. Wiebel will daher am Verbot festhalten und wirft die Frage auf, warum man einen Markt für ein suchterzeugendes Mittel, von dem außerdem noch die Gefahr der Gesundheitsschädlichkeit ausgehe, öffnen solle.
Streit um Verbot von Nikotinbeuteln
Kritik am Verbot gibt es vonseiten des Bundesverbands der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse. "Das Problem an so einem Verbot ist eben, dass die Produkte dann über illegale Kanäle erworben werden", sagt Bundesvorsitzender Jan Mücke.
Er könne schlecht die Verantwortung für Produkte übernehmen, die nicht in Deutschland verkauft worden seien. Nikotinprodukte hätten grundsätzlich nichts in den Händen von Jugendlichen zu suchen. Sie seien jedoch für bereits Konsumierende die gesündere Alternative, um von der Zigarette wegzukommen, so Mücke.
Psychologe Reiner Hanewinkel hält dagegen: "Das ist doch kein Produkt, das kreiert wurde, um den alten weißen Mann, der schon 30 Jahre raucht, vom Rauchen abzuhalten." Die Dosen gebe es in allen Farben, die Beutel in verschiedensten Geschmacksrichtungen. "Das wurde einzig und allein kreiert, um Jugendliche an den Konsum heranzuführen", ergänzt er und vermutet, dass die Tabakindustrie sich mit den Beuteln eine neue Zielgruppe erschließen wolle. Denn wer früh mit dem Konsum beginne, werde schneller abhängig und konsumiere jahrelang, so Hanewinkel.
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Sorge vor neuer Generation Nikotinsüchtiger
Obwohl in Deutschland Nikotinbeutel verboten sind, können die Beutel online bestellt oder beispielsweise aus Österreich mitgebracht werden. Dort sind sie legal und leicht erhältlich. In manchen Bundesländern wie Salzburg und der Steiermark gilt seit Kurzem ein Verbot für unter 18-Jährige. Der Jugendschutz ist jedoch nicht in allen österreichischen Bundesländern eindeutig geregelt. Suchtexperten warnen vor dem Rauschmittel:
Nikotinbeutel sind das neue Rauchen.
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Waltraud Posch, Fachstelle für Suchtprävention VIVID, Österreich
Die weißen Tütchen könnten zeit- und ortsunabhängig konsumiert werden, was sie für Jugendliche so attraktiv mache, ergänzt Waltraud Posch von der österreichischen Suchtpräventionsstelle VIVID. "Selbst wenn meine Lehrerin oder meine Oma nicht wissen soll, dass ich Nikotin konsumiere, kann ich das mit den Nikotinbeuteln machen", sagt Posch. Die Beutel kämen "so sanft daher, so ungefährlich, so cool" und avancierten damit zum "Lifestyle-Produkt".
Unsere Sorge ist groß, dass durch Nikotinbeutel eine neue Generation nikotinsüchtiger Menschen heranwächst.
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Waltraud Posch, Fachstelle für Suchtprävention VIVID
Waltraud Posch fordert deshalb in Österreich eine strengere Regulierung.
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Jugendliche vor Gefahr der Abhängigkeit warnen
Professor Reiner Hanewinkel befürwortet das Verbot in Deutschland. Die rechtlichen Bestimmungen seien dringend erforderlich, es brauche aber auch Aufklärung, um die Jugendlichen vor der Abhängigkeit zu warnen. Er appelliert an die Jugend: "Ihr wollt doch eigentlich frei sein, ihr wollt euer Leben selbstbestimmt leben. Ihr wollt doch euer Leben nicht von so einem dummen Beutel abhängig machen."
Sophie Burkhart ist Redakteurin im ZDF-Landesstudio Bayern
Quelle: dpa
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