Keine Hilfe für die Betroffenen von sexualisierter Gewalt?

Unsichere Zukunft des Missbrauchs-Fonds:Keine Hilfe für die Betroffenen von sexualisierter Gewalt?

Dorthe Ferber

von Dorthe Ferber

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35.000 Betroffene von sexualisierter Gewalt haben bisher Anträge auf finanzielle Hilfe bei einem staatliche Fonds gestellt. Aber dessen Zukunft ist offen.

Archiv: Schatten von einem Mann und einem schaukelnden Kind, aufgenommen am 27.08.2014

Im Frühjahr hat das Familienministerium einen Fonds für Betroffene sexualisierter Gewalt eingestellt.

Quelle: dpa

Rund 35.000 Menschen haben seit der Gründung des Fonds Sexueller Missbrauch 2013 einen Antrag auf Hilfe gestellt. 35.000 Menschen, die sexuellen Missbrauch erfahren haben, als Kind, als Jugendliche - und mit den Folgen oft lebenslang ringen: Psychische Erkrankungen, zerbrechende Beziehungen, Berufsunfähigkeit.

Mit dem Geld aus dem Fonds können Betroffene dringend notwendige Psychotherapie bezahlen, die von Kassen nicht finanziert werden. Doch im Frühjahr wurde der Fonds durch das Bundesfamilienministerium eingestellt.

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Bis zu 10.000 Euro für Opfer

Der Bundesrechnungshof hatte zuvor kritisiert, dass Hilfen oft ohne klare zeitliche Vorgaben ausgezahlt werden. Der Stopp des Fonds war für Betroffene ein Schock. Die Unabhängige Bundesbeauftragte gegen sexuellen Missbrauch, Kerstin Claus, sprach von einem "desaströsen Signal der Politik".

Zuletzt hatten rund 5.000 Menschen jährlich einen Antrag gestellt, die in der Regel bis zu 10.000 Euro bewilligt bekamen.

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Fonds ist nicht gesetzlich verankert

53 Millionen Euro sind im laufenden Haushaltsjahr für den Fonds bereitgestellt worden, doch das Geld ist längst aufgebraucht. Rückwirkend zum März wurde ein Stopp für Erstanträge verhängt, für das nächste Jahr gibt es bislang keine Mittel im Haushalt.

Dabei hatte die Bundesregierung im Koalitionsvertrag festgeschrieben: "Den Fonds Sexueller Missbrauch und das damit verbundene Ergänzende Hilfesystem führen wir unter Beteiligung des Betroffenenrats fort."

Auch die aktuelle Familienministerin Karin Prien (CDU) hat sich wiederholt dafür ausgesprochen. Nur ist der Fonds bislang weder gesetzlich verankert noch weiter finanziert.

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Claus warnt vor Entsolidarisierung

Die Missbrauchsbeauftragte hat nun ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. "Es stellt klar, dass dieses niedrigschwellige Unterstützungssystem rechtskonform aufgestellt werden kann", sagt Claus ZDFheute.

Der Fonds Sexueller Missbrauch ist für viele die einzige Option auf niedrigschwellige Hilfe. Zwar ist das Opferentschädigungsrecht vor einigen Jahren reformiert worden, aber die Hürden für Betroffene sexualisierter Gewalt sind weiter hoch. Der Nachweis der Tat bleibt schwer, denn es steht häufig Aussage gegen Aussage.

Und der Nachweis, dass Gesundheitsschäden ursächlich auf den Missbrauch zurückzuführen sind, fällt oft auch schwer. So unterscheidet sich die Situation nicht wesentlich von der im Jahr 2013, als der Fonds eingesetzt wurde. Claus resümiert:

Wenn wir heute sagen, wir führen den Fonds nicht fort, ist das eine Entsolidarisierung mit Betroffenen sexualisierter Gewalt, denen viele Hilfen aus anderen Systemen eben nicht offen stehen.

Kerstin Claus, Unabhängige Bundesbeauftragte gegen sexuellen Missbrauch

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