TFA: Wo das Grundwasser besonders belastet ist

Unsichtbar, toxisch, überall:Wie gefährlich TFA im Wasser ist

von Max Neidlinger und Kim Plettemeier
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Die Ewigkeitschemikalie TFA steht im Verdacht fortpflanzungsgefährdend zu sein. Eine ZDF-Recherche zeigt: sie ist flächendeckend nachweisbar und die Belastung nimmt bundesweit zu.

Eine Hand, welche nach einem Glas sprudelndem Wasser greift. Auf dem Glas ein Gefahrenzeichen. Im Hintergrund das Spur-Logo.

Täglich wird eine giftige Chemikalie legal in der Umwelt entsorgt, die auch unser Trinkwasser belastet: TFA. So klein, dass es sich nicht herausfiltern lässt. Warum ist das noch immer erlaubt?

24.09.2025 | 29:08 min

"Keiner sagt mir, was sich eigentlich dahinter verbirgt. Ich weiß nur, dass ich, jeden Tag, wenn ich Wasser trinke, mich mit irgendetwas schädigen kann." So beschreibt Hubertus Wittenberg aus Edingen-Neckarhausen seine Sorge: "Ich wüsste wirklich nicht, was zu tun wäre, müssen wir auf die Straße gehen", fragt ein anderer Anwohner.

Seit 2016 weiß die Gemeinde bei Heidelberg, dass das Trinkwasser mit Trifluoressigsäure (TFA) belastet ist. Was damals als lokaler Umweltskandal begann, ist heute ein bundesweites Problem. Denn TFA ist nicht nur am Neckar zu finden, sondern überall in Deutschland.

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Was ist TFA - und warum ist es gefährlich?

TFA gehört zu der Gruppe der PFAS: Sogenannte "Ewigkeitschemikalien", die schwer oder gar nicht abbaubar sind. Weil es zum Beispiel die Haltbarkeit von Medikamenten verbessert, ist TFA ein wichtiger Grundstoff für die Pharmaindustrie.

Doch gleichzeitig ist TFA als kleinstes Molekül der Ewigkeitschemikalien besonders mobil und langlebig. Das heißt: Gelangt es einmal in die Umwelt, reichert es sich unaufhaltsam an. Dabei deuten aktuelle Studien darauf hin, dass TFA die Fortpflanzung gefährden und Kinder im Mutterleib schädigen kann.

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Wie gelangt TFA ins Wasser?

Die Spur führt 2016 zur Chemiefirma Solvay in Bad Wimpfen. Jahrzehntelang leitete der Konzern TFA-haltiges Abwasser in den Neckar - bis zu 300 Liter am Tag. Ohne, dass zuständige Behörden etwas davon wussten. TFA tauchte damals in keiner Abwasserverordnung oder Einleitungsgenehmigung auf, obwohl das Unternehmen seit Jahren dort produzierte. Erst als ein Doktorand 2016 zufällig belastete Wasserproben entnahm, wurde die Umweltverschmutzung öffentlich.

Auch im südfranzösischen Salindres, wo Solvay ebenfalls TFA produziert, fanden Umweltschützer extrem hohe Werte. Ein ehemaliger Mitarbeiter berichtet gegenüber dem ZDF, täglich Proben ohne Schutzmaßnahmen genommen zu haben - in dem Glauben, die Chemikalie sei nicht toxisch. Heute sorge er sich, wie viele Kollegen, vor möglichen gesundheitlichen Folgen.

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24 Kilo TFA gelangt täglich in den Neckar

Mehrere Vereinbarungen sind mittlerweile zwischen Solvay und dem zuständigen Regierungspräsidium zur Reduzierung der TFA-Einleitung geschlossen. Danach darf Solvay täglich 24 Kilogramm TFA in den Neckar leiten. Das Unternehmen äußert sich allgemein zu den Vorwürfen und schreibt auf Anfrage, man passe "Prozesse und Maßnahmen an die höchsten bekannten Standards und Vorschriften an".

Für die Wasserversorger ist TFA schon heute ein großes Problem. "Technisch ist es praktisch nicht möglich, TFA aus dem Wasser herauszufiltern", sagt Prof. Dr. Matthias Maier von der Arbeitsgemeinschaft Wasserwerke Bodensee-Rhein. Deshalb müsse die Industrie in die Pflicht genommen werden, problematische Stoffe aus dem Verkehr zu ziehen. Aktuell gelangt TFA legal in die Umwelt: Jeden Tag, denn noch immer gibt es keinen rechtlich verbindlichen Grenzwert, sondern nur einen Leitwert - dessen Überschreiten folgenlos ist.

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Experten fordern strengere Regulierung

Umweltbundesamt und Bundesinstitut für Risikobewertung veröffentlichten kürzlich eine neue Gefahreneinstufung. TFA soll als fortpflanzungsgefährdend gelten. Auf europäischer Ebene läuft bereits ein entsprechendes Verfahren.

Die zuständige EU-Kommissarin Jessika Roswall kündigte an, prüfen zu wollen, wie TFA und andere PFAS in Verbraucherprodukten verboten werden können. Doch bis Entscheidungen fallen, dürften Jahre vergehen.

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Die Umweltschutzorganisation Greenpeace warnt vor hohen Konzentrationen der sogenannten Ewigkeitschemikalien PFAS in Meeresschaum. Sie finden sich an Nord- und Ostsee.
Dr. Julios Kontchou, Ökotoxikologe von Greenpeace, entnimmt auf der norddeutschen Insel Sylt Proben von Meeresschaum, um sie auf PFAS (Per- und Polyfluoralkyl-Stoffe) - die so genannten Ewigkeitschemikalien - untersuchen zu lassen.
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Wo die TFA-Belastung im Grundwasser besonders hoch ist

Für die ZDF-Dokumentation hat das Rechercheteam von "Die Spur" Grundwasserdaten aus ganz Deutschland ausgewertet. 14 von 16 Bundesländern erfassen TFA in ihren Messnetzen und stellten ihre Messungen bereit. Das Team ordnete die Rohdaten den jeweiligen Messstellen zu, prüfte sie und wertete sie aus.

Anhand dieser Datenanalyse zeigt sich: TFA ist nahezu flächendeckend nachweisbar und die Konzentration nimmt seit Jahren zu. Bundesweit weist der Norden Baden-Württembergs die höchste Belastung auf, dazu gibt es Hotspots in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt - sie häufen sich im unmittelbaren Umkreis chemischer Industrie.

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