Handyvideo auf Sylt: Personen singen rassistische Parolen

"Ausländer raus"-Rufe:Kanzler kritisiert Sylt-Video: "Rassistisch"

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Sie rufen "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus": In einem Video singen mehrere Personen rassistische Parolen vor einem Lokal auf Sylt. Der Staatsschutz ermittelt.

Ein Video, in dem junge Menschen vor einem Lokal auf der Nordsee-Insel Sylt rassistische Parolen grölen sollen, stößt auf große Empörung. In der nur wenige Sekunden langen Aufnahme, die sich seit Donnerstag in den sozialen Medien verbreitet, grölen junge Männer und Frauen zur Melodie des Party-Hits "L’amour Toujours" von Gigi D'Agostino "Ausländer raus" und "Deutschland den Deutschen".
Ein Mann scheint mit seinen Fingern auf der Oberlippe einen Hitlerbart anzudeuten. Eine der an dem Gegröle beteiligten jungen Frauen mit Sonnenbrille im Haar und weißer Bluse hatte die Szene gefilmt. Die Umstehenden singen und wippen, haben Gläser mit Getränken in den Händen. An dem Gegröle scheint sich niemand zu stören.

Scholz und Faeser nennen Video "rassistisch"

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kritisierte die dargestellten Szenen in dem Video:

Solche Parolen sind eklig, sie sind nicht akzeptabel.

Olaf Scholz, SPD

Scholz ließ zuvor durch eine Sprecherin ausrichten, das Video sei rassistisch. Ähnlich äußerte sich auch Innenministerin Nancy Faeser (SPD). Ein Sprecher Faesers sagte: "Was man da sehen und hören kann, ist zutiefst rassistisch und zutiefst menschenverachtend." Die Echtheit des Videos müsse nun überprüft werden, so der Sprecher.
Auch der schleswig-holsteinische Ministerpräsident, Daniel Günther (CDU), verurteilte die Szenen: "Was dort zu sehen ist, zeichnet ein Bild von einer schlimmen Wohlstandsverwahrlosung. Gegen solche Taten gehen wir konsequent und mit aller Härte vor, Rechtsextremismus bekämpfen wir mit aller Entschiedenheit.

Lokal-Inhaber: Haben Namen von Beteiligten an Polizei gegeben

Die Betreiber des Lokals erklärten auf Instagram zu dem Video, sie seien "tief schockiert".

Wir distanzieren uns von jeder Art von Rassismus und Diskriminierung.

Mitteilung des Lokals auf Sylt

"Hätten wir von dem Vorfall gewusst, hätten wir die betreffenden Gäste selbstverständlich des Hauses verwiesen. Es gibt keinen Platz für Rassismus!!!", schrieben die Betreiber des Lokals auf Instagram.
Nach Angaben von Inhaber Tim Becker wurde die gesamte Szene von Überwachungskameras mit Ton aufgezeichnet. Man habe die Namen aller fünf Beteiligten an die Polizei gegeben. Auch die Überwachungsaufnahme sei der Polizei übermittelt worden, sagte Becker der Nachrichtenagentur dpa.
Man werde die Gäste künftig stärker animieren, rassistische Vorfälle den Türstehern zu melden. Normalerweise könnten solche Vorfälle in dem relativ kleinen Lokal Pony nicht unbemerkt bleiben. Pfingsten sei mit der Großveranstaltung eine Ausnahme. Der Vorfall belaste die ganze Insel. "Alle sind traurig, dass das passiert ist", sagte Becker.

Staatsschutz hat Ermittlungen aufgenommen

Das Fachkommissariat für Staatsschutz hat wegen des Videos Ermittlungen wegen Volksverhetzung und des Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen aufgenommen. Das teilte die Polizei mit.
Am späten Donnerstagabend sei der Polizei auf Sylt ein Video zugespielt worden, auf dem offenbar eine Feier auf der Außenterrasse eines Sylter Nachtclubs aufgezeichnet wurde. "Auf dem Video ist zu sehen, wie mindestens Teile der abgebildeten Personen rechtsextreme Liedtexte ("Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!") singen", so die Polizei.

Zudem liegt der Verdacht vor, dass durch eine Person der sogenannte Hitlergruß gezeigt wird.

Mitteilung der Polizei

Der Vorfall ereignete sich nach ersten Erkenntnissen bereits am Pfingstwochenende. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Flensburg und der Polizei richten sich den Angaben zufolge zunächst gegen die Personen, "die auf dem Video offensichtlich die oben genannten Äußerungen mitsingen bzw. Kennzeichen tätigen". Es sei aber nicht auszuschließen, dass weitere Tatverdächtige hinzukommen, die auf diesem Video nicht zu sehen seien. Ersten Hinweisen auf beteiligte Personen werde nachgegangen.

Antirassismusbeauftragte übt scharfe Kritik

Die Antirassismusbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, äußerte sich schockiert über das Video. Dies sei ein Fall für die Polizei und die Strafgerichte, sagte sie.

Gäste eines Sylter Promi-Clubs zeigen hemmungslos offen und ohne Scham rechtsextreme und rassistische Parolen gegen Eingewanderte und ihre Nachkommen. Das ist widerlich und unerträglich.

Reem Alabali-Radovan, Antirassismusbeauftragte der Bundesregierung

Die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, sprach von "blankem Rassismus", der sich immer weiter in alle Milieus und Altersgruppen hineinfräse und offen ausgelebt werde. "Die Bilder stammen offenbar nicht aus einer Nazikneipe, sondern einer Nobelbar in Sylt. Rassismus darf aber in Deutschland nie wieder zum Normalfall werden." Sie begrüßte die Aufnahme polizeilicher Ermittlungen.

Das darf nicht folgenlos bleiben.

Ferda Ataman, unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung

Weitere Reaktionen auf die rassistischen Parolen:






Vorfall auf Sylt offenbar kein Einzelfall

Am Freitag wird bekannt: Ebenfalls an Pfingsten kam es in Niedersachsen zu einem ähnlichen Fall. Auch auf dem Schützenfest in Löningen wurden rassistische Parolen gegrölt, auch zu "L’amour Toujours", auch dort ermittelt der Staatsschutz.
Erst vor wenigen Tagen berichtete "Bild" zudem von einem ähnlichen Vorfall im sächsischen Hainichen, bei dem eine Gruppe zu dem Song ausländerfeindliche Worte skandiert haben soll. Auch auf Tiktok soll das Lied in der Vergangenheit vermehrt zu einer Hass-Hymne umgedichtet worden sein, berichtete die "hessenschau" des hr.
Quelle: dpa, ZDF

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