Bilanz vor der Landtagswahl:Was Sachsens Regierung erreichte, was nicht
Die Regierungsparteien in Sachsen ziehen eine positive Bilanz. Die meisten Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag von 2019 sind abgearbeitet - viele Wähler sind trotzdem unzufrieden.
Zweckbündnis in Sachsen (v.l.n.r.): Martin Dulig (SPD), Katja Meier (Grüne), Michael Kretschmer (CDU) und Wolfram Günther (Grüne)
Quelle: dpaDer sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig würde gern mit Erfolgen Wahlkampf für seine SPD machen; verweist auf die gedeihlichen vergangenen fünf Regierungsjahre. In denen sei vor allem die Zukunft vorbereitet worden: Investitionen stehen ins Haus von 30 Milliarden Euro; 10.000 Stellen allein in der Halbleiterbranche werden vorhergesagt.
Doch die schlechte Stimmung im Land, die seine Partei sogar aus dem Landtag kegeln könnte, die vermögen die guten Nachrichten nicht zu bessern. "Beim Nörgeln ist Sachsen in der Champions League", mault Dulig.
Vor den Landtagswahlen in Sachsen sucht Reporterin Eva Schulz vor Ort nach Antworten, warum das Bundesland so gespalten ist.
21.08.2024 | 1:57 minWähler in Sachsen von Koalitionserfolgen kaum beeindruckt
Den anderen Parteien geht es nicht besser. Alle versuchen, mit positiven Bilanzen zu punkten. Doch kommt das nicht wirklich an bei den Wählern; die scheinen zu großen Teilen weiterhin einen Wandel in der politischen Landschaft zu wollen.
Die Sonntagsfrage zur Landtagswahl in Sachsen im aktuellen Politbarometer.
Quelle: ZDFRegierungschef Michael Kretschmer, CDU, ruft zu einer strategischen Wahl auf, unterstellt, dass all das Erreichte der letzten 30 Jahre zerstört werden könnte, wenn die radikalen Ränder das Ruder zu fassen bekämen.
Dabei ist die Bilanz der Regierungsarbeit in Zahlen nicht schlecht. Für ein Zweckbündnis aus CDU, Grünen und SPD lief es in Sachsen geradezu geräuschlos.
Ausgerufen vor fünf Jahren wurde eine Koalition der Willigen; eine Koalition der Ermöglicher - und über weite Strecken hat das Zweckbündnis auch so regiert.
Die AfD will die Landtagswahl in Sachsen gewinnen. CDU-Ministerpräsident Kretschmer will das verhindern, doch SPD und Grüne bangen um den Einzug in den Landtag.
15.06.2024 | 4:12 minBilanz der Regierung Kretschmer: 1.000 Vorhaben und 100 Gesetze
Nun die Bilanz: 81 Prozent der Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag sind abgearbeitet. Der Vertrag enthielt 1.195 Einzelvorhaben. 972 davon gelten als umgesetzt oder gerade in der Umsetzung begriffen. Manche haben sich als unnötig erwiesen; manche als unmöglich.
Der Sächsische Landtag hat über 100 Gesetze erlassen zu Bildung und Naturschutz, zu Steuern und Bildung, zu Verfassungsschutz und Verfassungstreue in Ämtern, zu Bürokratieabbau und Waldbrandvorsorge und noch vieles mehr.
Eva Schulz spricht vor der Landtagswahl in Sachsen mit Anhängern und Gegnern der AfD. Wie kommen die Sachsen wieder zusammen?
05.08.2024 | 30:50 minAus Sicht von Janek Treiber, Politologe an der TU Dresden, ist die Koalition aus CDU, SPD und Grünen trotzdem keine Erfolgsgeschichte:
Die Bilanz der Regierungsarbeit würde ich als gemischt beschreiben. Sie ist eher Zeichen für eine Zweckkoalition als für eine Liebesheirat.
Janek Treiber, Politologe
Kernprojekte an Dissenz in Koalition gescheitert
Viele Prozesse sind erst angeschoben, Bürokratieabbau etwa; auf den verweist der Grüne Umweltminister Günther, er sagt: "Wir haben geliefert" - nur spürbar wird das erst in einiger Zeit. Profitieren kann seine Partei also nicht und muss nach der Landtagswahl in Sachsen um den Einzug ins Parlament bangen.
Wichtige Projekte wie im Verkehrssektor und im Bereich Landwirtschaft und Naturschutz sind nicht umgesetzt. Gescheitert etwa daran, dass die Vorstellungen der so unterschiedlichen Parteien von einem modernen Sachsen zu weit auseinander lagen.
Streitpunkte Vergabegesetz und Schuldenbremse
Oder das Prozedere passte nicht - wie beim Koalitionsvorhaben, die Hürden für Volksbegehren zu senken. Da waren sie sich einig - und sind es bis heute. Nur müssen die Koalitionäre dafür die Verfassung ändern.
Und die wollten sie nicht mehrfach in einer Legislatur ändern, sondern als Paket. Acht Verfassungsneuerungen sollten kommen - und daran scheiterte dann alles.
Warum CDU und AfD in Sachsen vorn liegen, , erklärt Cornelia Schiemenz, Leiterin des ZDF-Studios in Dresden.
20.08.2024 | 6:22 minDenn auch bei Themen wie dem Vergabegesetz konnten die Parteien nicht zusammenfinden. Das sollte faire, soziale und ökologische Bedingungen für den Wettbewerb schaffen: Ein wichtiges Thema für die SPD, das den anderen Koalitionären zu bürokratisch war.
Manche der Vorhaben hätten eine Lockerung der Schuldenbremse bedeutet, darauf lässt sich die CDU in Sachsen nicht ein.
Pluspunkte für Sicherheit, Hochschulen, Corona-Krise
Auch nicht gelungen: Einen einheitlichen ÖPNV zu kreieren, der Sachsen nicht in verschiedene Einzelregionen mit eigenen Fahrkarten mit eigenen Preisen mit eigenen Fahrzeugen splittet.
Mit ihm zu Grabe getragen der Traum von einem Sachsen-Ticket, das sich am aktuell 49-Euro-teuren Deutschland-Ticket orientiert. Trotz aller Kritik stellt Politologe Treiber fest:
Letztlich, bei allen Auseinandersetzungen, hat es dennoch jede Partei geschafft Akzente zu setzen.
Janek Treiber, Politologe
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"Die CDU", erklärt Treiber, "in der Stärkung der Inneren Sicherheit, die Grünen konnten mit dem Hochschulgesetz punkten; die SPD hat sich in der Corona-Krise profiliert. Für den Wähler ist dabei auf jeden Fall was rumgekommen."
Kompromissbereit nur bis Wahlkampfbeginn
Hier die Bilanz der liegengebliebenen Vorhaben:
- 19 sind nicht begonnen worden - und werden es nun auch nicht mehr.
- Bei 126 Vorhaben lässt sich nach Auskunft der Sächsischen Staatskanzlei der aktuelle Bearbeitungsstand und "der Status der Umsetzung ressortübergreifend nicht erkennen".
Letztlich aber bescheinigen die Zahlen der Koalition aus CDU, Grünen und SPD ein hohes Maß an Disziplin und Kompromissbereitschaft - jedenfalls bis der Wahlkampf begann.
Stefan Kelch ist Korrespondent im ZDF-Landesstudio Sachsen.
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Stefan Kelch, Dresden