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"Rechtsstaat wetterfest machen":Richterbund will Justiz vor Politik schützen
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Der Richterbund warnt vor politischem Missbrauch der Justiz. Die Regierung müsse den Rechtsstaat gegen autoritäre Eingriffe sichern und manche Jahrhunderte alte Regeln abschaffen.
Justitia, die römische Göttin des Rechtswesens - ein "politisches Durchgriffsrecht auf konkrete Strafverfahren" wäre "fatal", warnt der Richterbund (Archivbild).
Quelle: ddp
Der Deutsche Richterbund hat die künftige Bundesregierung dazu aufgerufen, die Justiz besser vor autoritären Kräften zu schützen. "Der verbesserte Schutz des Bundesverfassungsgerichts vor gezielten politischen Eingriffen kann nur ein erster Schritt gewesen sein", sagte der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, Sven Rebehn. den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Sonntag.
Es werde "immer klarer, dass es weitere Initiativen braucht, um den Rechtsstaat wetterfest zu machen und die Unabhängigkeit der Justiz gegen Durchgriffsversuche illiberaler Kräfte zu sichern". Konkret warnte Rebehn vor einem politischen Missbrauch der Strafverfolgung. Die "gesetzlichen Einfallstore" für einen politischen Missbrauch der Strafverfolgung müssten "dringend geschlossen" werden.
Das aus dem vorletzten Jahrhundert stammende Weisungsrecht der Justizminister für Ermittlungen der Staatsanwaltschaften ist Gift für das Vertrauen der Menschen in eine objektive Strafjustiz.
Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes
Was es mit dem Weisungsrecht der Justizministerien auf sich hat
Sven Rebehn spricht vom Weisungsrecht der Justizministerien des Bundes oder der Länder gegenüber Staatsanwälten. Dieses ist im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) geregelt. In § 146 heißt es: "Staatsanwälte haben den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen". Wer diese Vorgesetzten sind, regelt § 147: Die Aufsicht liegt bei den Justizministerien - auf Landesebene beim Landesjustizminister, auf Bundesebene beim Bundesjustizminister. Heißt: Die Staatsanwaltschaften sind ein Organ der Exekutive (also der Regierung und Verwaltung) und kein Teil der davon unabhängigen Judikative (rechtsprechende Gewalt, also Richter).
Das Gerichtsverfassungsgesetz trat 1879 in Kraft. Viele Paragraphen wurden seitdem geändert - die Grundstruktur der Paragraphen 146 und 147, die die hierarchische Unterstellung der Staatsanwaltschaften regelt, ist jedoch bis heute erhalten geblieben.
Kritiker wie der Deutsche Richterbund halten das Weisungsrecht für ein Einfallstor politischer Einflussnahme. Auch wenn es selten angewendet wird, reicht allein die Möglichkeit aus, um das Vertrauen in eine objektive Strafverfolgung zu untergraben. Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) kritisierte Deutschland deshalb bereits: Wegen des Weisungsrechts gelten deutsche Staatsanwaltschaften auf EU-Ebene nicht als unabhängig und dürfen nach einem Urteil des EuGH von 2019 deshalb auch keine europäische Haftbefehle ausstellen.
Bundesregierung solle Beispiel Österreichs folgen
Die neue Bundesregierung solle dem Beispiel Österreichs folgen und den Justizminister aus der Weisungskette bei der Strafverfolgung herausnehmen. "In den falschen Händen wäre ein politisches Durchgriffsrecht auf konkrete Strafverfahren fatal", warnte der Richterbund-Geschäftsführer.
Der Richterbund dringt zudem darauf, die Besetzung von Richterstellen neu zu regeln. Das Verfahren sei so auszugestalten, dass es nicht parteipolitisch instrumentalisiert werden könne. "Um das zu gewährleisten, braucht es vor allem starke Mitbestimmungsrechte der Justiz bei Einstellungen und Beförderungen", sagte Rebehn.
Der Bundestag hatte im Dezember 2024 eine Grundgesetzänderung für eine bessere Absicherung der Prinzipien des Bundesverfassungsgerichts beschlossen. Damit wurden wesentliche Merkmale für das Funktionieren und die Unabhängigkeit des höchsten deutschen Gerichts in der Verfassung verankert. Für eine Änderung wird künftig eine Zwei-Drittel-Mehrheit gebraucht.
Quelle: dpa
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Quelle: AFP, epd
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