Ramelow: Osten im Koalitionsvertrag "Randnotiz"

Ex-Landeschef von Thüringen:Ramelow: Osten im Koalitionsvertrag "Randnotiz"

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Die Deutsche Einheit ist fast 35 Jahre her - dennoch würden die Interessen Ostdeutschlands nicht ausreichend vertreten, kritisiert Thüringens früherer Regierungschef Bodo Ramelow.

Bodo Ramelow, Archivbild
Der Linken-Politiker Bodo Ramelow war Ministerpräsident von Thüringen und ist jetzt Vizepräsident des Bundestags.
Quelle: dpa

Thüringens früherer Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) hat eine Vernachlässigung ostdeutscher Interessen im Koalitionsvertrag von Union und SPD kritisiert. "Dieser ganze Koalitionsvertrag enthält kein Kapitel über Ostdeutschland, ja, nicht einmal eine Halbüberschrift", sagte der heutige Bundestagsvizepräsident den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.

Ostdeutschland sind Union und SPD nur Randnotizen wert.

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Ramelow: Gibt keinen Grund zum Feiern

Mit "Blick auf 35 Jahre deutsche Einheit heißt es lediglich, es gebe einen Grund zum Feiern und die Ostdeutschen hätten viel durchgemacht", fuhr der Linken-Politiker fort. "Wenn das alles ist, dann will man die Einheit offenkundig unter den Teppich kehren. Ich verstehe nicht, dass ostdeutsche Ministerpräsidenten immer noch voll des Lobes sind über diesen Vertrag."
Dass der Ostbeauftragte künftig im Bundesfinanzministerium statt im Kanzleramt sitzen solle, bedeute, dass bloß "ein neues Türschild" angebracht werde, sagte Ramelow.

Christiane Hübscher
"Immerhin, es wird den Ostbeauftragten der Bundesregierung weiterhin geben - auch wenn er nicht mehr im Kanzleramt sitzt, sondern im Finanzministerium", sagt ZDF-Hauptstadtkorrespondentin Christiane Hübscher. "Die Union hatte ja vor der Wahl vollmundig versprochen, den Posten ganz abzuschaffen, doch die SPD setzte durch, dass das Amt bleibt. Ob der Ostbeauftragte weiterhin Carsten Schneider heißt, ist noch ungewiss.

Entscheidender dürfte sein, wie stark der Osten am Kabinettstisch vertreten sein wird. Von den 17 Ministerposten, die zu vergeben sind, müssten eigentlich mindestens drei mit Ostdeutschen besetzt werden, ihrem Anteil von knapp 20 Prozent an der Gesamtbevölkerung entsprechend. In der Regierung Scholz gab es mit Steffi Lemke und Klara Geywitz nur zwei ostdeutsche Ministerinnen."

Was stimme, sagt Hübscher: "Von den mehr als 50 Forderungen der ostdeutschen Ministerpräsidenten an Union und SPD findet sich kaum etwas im Koalitionsvertrag. Die Ost-Ministerpräsidenten hatten Anfang April von den Verhandlern spezifische Antworten auf strukturelle Besonderheiten in den fünf ostdeutschen Ländern verlangt. Sie wollten Wirtschaftsförderungen für kleinere Betriebe, Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur im ländlichen Raum, niedrigere Energiekosten oder mehr Forschungseinrichtungen im Osten.

Eine solche Bevorzugung findet sich im Koalitionsvertrag tatsächlich nicht. Aber: Die fünf Ost-Bundesländer werden - genau wie die im Westen - von insgesamt 100 Milliarden Euro aus dem neu geschaffenen Sondervermögen für Infrastruktur profitieren. Keine Sonderbehandlung also, eher Gleichbehandlung."

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Mit den Stärken Ostdeutschlands ganz Deutschland stärken?

Die Übereinkunft des Bundes zur Entlastung der ostdeutschen Länder, indem er bei Ansprüchen aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der früheren DDR weitere zehn Prozentpunkte der Kosten übernimmt, ist nach Ansicht von Ramelow ebenso lapidar wie das Ziel, in Ostdeutschland Rechenzentren aufzubauen und Industriezentren an das Wasserstoff-Kernnetz anzuschließen. Auch seien die Ausführungen zur Bedeutung der Landwirtschaft in Ostdeutschland unbefriedigend, sagte Ramelow.

Wenn von den neuen Bundesländern die Rede ist, dann kommt immer noch nur Doping und Stasi.

Bodo Ramelow, Linke

"Stattdessen sollte es darum gehen, die Stärken Ostdeutschlands zu nehmen, um ganz Deutschland zu stärken."
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Quelle: AFP

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