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Analyse
Pistorius macht Weg frei:Olaf Scholz - der beschädigte Kandidat
von B. Spiekermann und D. Rzepka
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Boris Pistorius hat lange gewartet mit seinem Nein zur SPD-Kanzlerkandidatur. Zu lange. Olaf Scholz startet nun beschädigt in den Wahlkampf - und nicht nur er.
Olaf Scholz ist der falsche Kanzlerkandidat. Diese Stimmen mehrten sich zuletzt in den eigenen Reihen. Scholz werde in der Bevölkerung für das Scheitern der Ampel mitverantwortlich gemacht, sagte zum Beispiel Thüringens SPD-Chef Georg Maier.
Auch die mächtige Landesgruppe NRW hatte Zweifel an Scholz gesät. Noch am Donnerstagmorgen stimmte auch Juso-Chef Philipp Türmer im ZDFheute-Interview in den Chor der Zweifler ein:
Ich bekomme Signale, dass es bei vielen Jusos Probleme mit der Motivation gibt, wenn Olaf Scholz antritt.
Philipp Türmer, Juso-Chef
Auch die SPD-Chefs sind beschädigt
Diese Zitate gehen nicht mehr weg. Sie sind gesagt, gedruckt und bei TikTok verbreitet. Und sie haben Olaf Scholz beschädigt. Das ist für einen ohnehin angeschlagenen Amtsinhaber eine schwere Hypothek.
Und er ist nicht der einzig Beschädigte. Die SPD-Chefs Saskia Esken und Lars Klingbeil hatten die Diskussion lange laufen lassen. Oder sie nicht beenden können. Ihre Scholz-Treueschwüre hatten die Partei nicht beruhigt.
Auch Fraktionschef Rolf Mützenich konnte die Unruhe in seinen Reihen nicht beenden. Im ZDF sprach er vor einigen Tagen von einem Grummeln. Die Fraktion hatte lange und geschlossen die Kompromisse der Ampel mitgetragen - aber mit einem offenbar wachsenden Unmut. Dieses Grummeln hat sich in den vergangenen Tagen Bahn gebrochen - wohl auch aus Sorge um den eigenen Sitz im Bundestag bei einem schlechten Wahlergebnis.
Die zweifelhafte Rolle von Boris Pistorius
Boris Pistorius hat lange gebraucht für eine glasklare Absage an eine eigene Kanzlerkandidatur. Noch am Montag hatte er gesagt:
In der Politik sollte man nie irgendetwas ausschließen.
Boris Pistorius am Montag
Das heißt nichts anderes als: Ich mache alles, wenn man mich fragt. Ihm schien die Rolle des Umworbenen zu gefallen. Er hat Türen offengelassen, es gab Gerüchte, seine Kandidatur lag irgendwie in der Luft. Pistorius hätte das früher beenden können, vielleicht müssen.
Es ist noch nicht klar, ob die Debatte um Scholz damit jetzt gänzlich beendet ist. Scholz hat nach wie vor schlechte Umfragewerte. Über seinem Wahlkampf könnte die Frage schweben: Hätten wir nicht doch besser den Neuanfang mit Pistorius wagen sollen?
Britta Spiekermann und Dominik Rzepka sind Korrespondenten im ZDF-Hauptstadtstudio Berlin.
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