Bildung, Gesundheit, Mobilität: "Gravierende" Unterschiede

Unterschiede "gravierend":Junge Leute: Anderer Wohnort, andere Chancen

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Bildung, Gesundheit, Mobilität: Wo Kinder und Jugendliche aufwachsen, beeinflusst ihre Chancen massiv. Wie stark die Auswirkungen der Wohnorts sind, zeigt jetzt eine neue Studie.

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Stadt oder Land? Norden oder Süden? Die Chancen junger Leute zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sind einer Studie zufolge stark vom Wohnort abhängig. Eine gute Schulbildung, Freizeitangebote, Gesundheitsversorgung und eine gut ausgebaute Infrastruktur sind deutschlandweit sehr unterschiedlich, wie aus dem am Montag vorgestellten "Teilhabeatlas Kinder und Jugendliche" hervorgeht.
Gleichzeitig ähneln sich laut der Studie die Wahrnehmungen und Wünsche junger Menschen - unabhängig vom Wohnort: Kinder und Jugendliche wünschen sich demnach vor allem Möglichkeiten der Freizeitgestaltung, Selbstbestimmung und Beteiligung.

Für den "Teilhabeatlas" analysierten die Forscherinnen und Forscher statistische Daten aus den 400 Kreisen und kreisfreien Städten in Deutschland, zur Wirtschaft, Bildung, Demografie und Infrastruktur. Daraus wurden fünf ländliche und drei städtische Regionen gefiltert, die unterschiedliche Teilhabemöglichkeiten bieten. Vor Ort führten die Forscher Interviews mit jungen Menschen und Erwachsenen aus dem Bildungsbereich. In Berlin wurde die Publikation am Montag vom Berlin-Institut, von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und von der Wüstenrot Stiftung vorgestellt.

Quelle: dpa

Gravierende Unterschiede zwischen den Regionen

Hohe Kinderarmut und Jugendarbeitslosigkeit treffen laut Teilhabeatlas insbesondere in Großstädten im Ruhrgebiet, in Schleswig-Holstein und nördlichen Niedersachsen aufeinander. So lebte 2022 in Duisburg, Bremerhaven und Gelsenkirchen 2022 mehr als jedes vierte Kind in einer Familie die staatliche Transferleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezog. In Biberach, Neu-Ulm oder im Oberallgäu war es nur jedes 20. Kind.
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Die Unterschiede zwischen den Regionen seien "teils gravierend", heißt es in der Studie. Das betrifft auch die Bildung: Im Kreis Stendal im Norden von Sachsen-Anhalt verließen etwa rund 15 Prozent der Jugendlichen die Schule ohne Abschluss. In München liege die Quote bei nur drei Prozent, schreiben die Autoren.
Grundsätzlich profitierten Kinder und Jugendliche in städtischen Regionen von einem gut ausgebauten Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln. Auf dem Land sei Mobilität eher eine Herausforderung für junge Menschen. Auch die Verfügbarkeit von schnellem Internet sei dort teils ausbaufähig, so die Studienautoren.

Junge Menschen wünschen sich Freiräume

Junge Menschen wünschen sich der Befragung zufolge mehr Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten, wie die Referentin der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, Johanna Okroi, sagte. Zu ihrer Selbstbestimmung gehöre auch die finanzielle Unabhängigkeit junger Menschen, die sich laut Okroi nur durch kostenlose Angebote sicherstellen lässt.
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Ein gutes Angebot an öffentlichem Nahverkehr und ausgebauten Radwegen seien eine ebenso wichtige Voraussetzung für die Selbstbestimmung wie Sicherheit - insbesondere für Mädchen, Menschen mit Einwanderungsgeschichte und queere junge Menschen.

Studienautoren: Kinder und Jugendliche ernst nehmen

Bei der Beteiligung handele es sich um eine Frage der Haltung, die eigentlich überall gelebt werden könne, sagte Okroi. Viele junge Menschen haben der Befragung zufolge vor allem in der Schule den Eindruck, dass ihre Vorschläge nicht gehört werden. Schulen bieten demnach ein ungenutztes Potenzial: Sie könnten Orte echter Beteiligung werden.
Entscheidungsträgerinnen und -träger "sollten sich trauen, Kinder und Jugendliche zu fragen und ihre Interessen ernst zu nehmen", sagte auch Mitautor Jasper Mönning vom Berlin-Institut. Diese machten "einen immer kleineren Anteil der Bevölkerung aus - aber das bedeutet nicht, dass ihre Stimme leiser werden sollte, eher im Gegenteil".
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Für relevant halten die Forscher die Teilhabemöglichkeiten junger Menschen auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung in Deutschland. Je besser gerüstet junge Menschen seien, desto besser könnten sie mit den Herausforderungen einer alternden Gesellschaft umgehen.
Quelle: dpa, epd

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