Jugendschutz-Bericht: Sexualisierte Gewalt nimmt zu
Bericht von Jugendschutz.net:Sexualisierte Gewalt nimmt zu - auch durch KI
von Christian Thomann-Busse
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Mehr als 17.000 Verstöße gegen Jugendschutzbestimmungen hat Jugendschutz.net 2024 registriert. Vor allem sexualisierte Gewalt hat demnach massiv zugenommen - auch durch KI-Tools.
Die Vorstellung des Jahresberichts von Jugendschutz.net zur sexualisierten Gewalt und politischen Extremismus im Netz in voller Länge.20.05.2025 | 40:42 min
Die Zeit des Heranwachsens hat Kinder und Jugendliche schon immer vor Herausforderungen gestellt. Mit der Digitalisierung ist eine weitere hinzugekommen - und die hat es in vielerlei Hinsicht in sich.
Internetportale, Social Media oder Messenger versprechen Unterhaltung oder Austausch mit anderen - und öffnen nicht selten gleichzeitig das Tor zu Hass, Hetze, Cybermobbing sowie Gewalt und sexueller Gewalt. Stefan Glaser, Leiter von Jugendschutz.net, warnt:
Unser Bericht zeigt eindringlich auf, welchen Risiken Kinder und Jugendliche bei der Nutzung digitaler Dienste ausgesetzt sind.
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Stefan Glaser, Leiter von jugendschutz.net
Die Einrichtung mit Sitz in Mainz ist das gemeinsame Kompetenzzentrum von Bund, Ländern und Landesmedienanstalten für den Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet.
Mehr als 17.000 Verstoßfälle registriert
Insgesamt 17.630 Verstöße gegen die Vorgaben des Jugendschutzes hat Jugendschutz.net im Jahr 2024 registriert - und damit mehr als doppelt so viel im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2021 bis 2023 (rund 7.300). Sexualisierte Gewalt dominiert dabei mit 89 Prozent (15.677 Fälle).
Ein Grund dafür ist beispielsweise Künstliche Intelligenz: Online-Generatoren errechnen aus Fotos von Menschen in Kleidung Bilder mit nackten Menschen: Echtes Gesicht und täuschend echte Nackt-Fakes - einmal geteilt bleibt die Bilder für immer und ewig im Netz. In dem Bericht heißt es dazu:
Betroffene von digitaler sexualisierter Gewalt können unter langwierigen körperlichen, psychischen und sozialen Folgen leiden.
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Aus dem Bericht von Jugendschutz.net
Kinder und Jugendliche hören häufig eher auf Gleichaltrige als auf die Eltern. Ein Schulprojekt in Hamburg macht sich diesen Effekt für mehr Kinderschutz am Handy zu Nutze. 22.01.2025 | 1:29 min
Cybergrooming: Videoportal Likee im Visier
Weitere Aspekte sexualisierter Gewalt sind sexuelle Belästigungen oder das so genannte Cybergrooming, also das gezielte Anbahnen sexueller Kontakte zu Minderjährigen durch Erwachsene. Hier war beispielsweise das Videoportal Likee im Fokus; mit ähnlichen Funktionen wie TikTok - aber lascheren Vorsorgemaßnahmen.
Millionen Kinder spielen täglich Roblox. Doch Kritiker bemängeln: Die Plattform biete nicht genügend Schutz für junge Nutzer. 05.02.2025 | 28:17 min
Kinder nutzen das Portal, weil sie seltener eine Sperrung wegen ihres Alters befürchten. In Livestreams und Kommentaren stellte Jugendschutz.net erhebliche Risiken fest. "Pädokriminelle nutzten die Plattform auch für den Handel und Tausch von Missbrauchsdarstellungen", heißt es in dem Bericht. Derzeit ist Likee aus den deutschen App-Stores gestrichen.
Schutz vor Cybergrooming:
Nicht jedem im Netz vertrauen
Nicht zu viel von sich selbst im Internet verraten
Auf das eigene Bauchgefühl hören, wenn einem etwas komisch vorkommt
Hilfe holen und an eine Vertrauensperson wenden, wenn man betroffen ist
Funktionen wie "melden" und "blockieren" nutzen, um unerwünschte Kontakte zu blocken
Kinder bei den ersten Schritten im Netz begleiten und über Risiken wie Cybergrooming aufklären
Das Vertrauensverhältnis stärken und den Kindern vermitteln, dass sie sich ihren Eltern mit jedem Thema anvertrauen können
Eine gute Mischung aus Freiheit und positiver Kontrolle vermitteln, etwa feste Handyzeiten und klare Regeln, welche Apps genutzt werden dürfen - aber eben auch die Freiheit zur selbstbestimmten Nutzung
Eltern sollten Cybergrooming zur Anzeige bringen, denn Cybergrooming ist strafbar
Auf verändertes Verhalten wie sozialen Rückzug oder verstärkte Mediennutzung der Kinder reagieren
Weitere Verstöße: Politischer Extremismus und Pornografie
Bleiben noch die restlichen 11 Prozent an entdeckten Verstößen (insgesamt 1.953). Sieben Prozentpunkte davon machte politischer Extremismus aus: 1.245 Verstöße hat das Kompetenzzentrum 2024 registriert (knapp 400 mehr als im Vorjahr). Davon entfallen 732 auf Rechtsextremismus, 513 auf Islamismus.
Zwei Prozent fielen auf Pornografie (354 Fälle, weniger als die Hälfte zum Vorjahr), das Thema Gewalt macht ein Prozent aus. Selbstgefährdungen und Cybermobbing ergeben den restlichen Anteil von einem Prozent.
Jugenschutz.net: Viele Online-Dienste löschen erst nach Aufforderung
Jugendschutz.net erlangt sowohl durch eigene Recherche als auch durch ein Meldesystem durch User Kenntnis von Verstößen gegen Jugendschutzbestimmungen im Internet. Die Organisation kümmert sich darum, dass Anbieter gefährdende Inhalte oder Kontakte zeitnah löschen.
Im vergangenen Jahr hat sie im Bereich Extremismus zweistufige Meldetests gemacht - zunächst als normale User, im Anschluss als Organisation. "Die Ergebnisse der Meldetests zeigen, dass die Dienste den Großteil der Verstöße erst nach offizieller Kontaktaufnahme durch jugendschutz.net löschten", so ein Fazit des Berichts.
Rechtsextreme Inhalte auf TikTok - welche Gefahr birgt die Plattform für Kinder und Jugendliche? Politikwissenschaftlerin Eva Berendsen erläutert die Problematik.06.02.2024 | 5:02 min
Auffällig selten haben demnach YouTube (6 Prozent), Instagram (17 Prozent) und TikTok (27 Prozent) auf User-Eingaben reagiert.
Es zeigt sich, dass Dienste weiterhin ihre Pflicht zur raschen Abhilfe bei gemeldeten Verstößen nicht ernst nehmen.
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Asu dem Bericht von Jugenschutz.net
Zwar gebe es gute gesetzliche Grundlagen zur Regulierung von Tech-Unternehmen. Aber nun sei es auch an der Zeit, diese Instrumente effektiv einzusetzen, so Stefan Glaser.