Jesidische Familie muss im Irak bleiben: Gericht weist Klage ab
Gericht weist erneut Klage ab:Jesidische Familie muss im Irak bleiben
von Jan Meier
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Ein Gericht in Potsdam hat die Klage gegen die Abschiebung einer jesidischen Familie abgewiesen.
Sie musste das Land verlassen, obwohl ihre Ausreisepflicht zuvor aufgehoben wurde.
Die aus Brandenburg in den Irak abgeschobenen jesidische Familie ist vor dem Verwaltungsgericht Potsdam mit ihrem Eilantrag auf Wiedereinreise gescheitert.
Quelle: Imago
Eine jesidische Familie aus Brandenburg wurde in den Irak abgeschoben, obwohl ein Gericht ihre Ausreisepflicht vorerst aufgehoben hatte. Nun bestätigte aber dasselbe Gericht die Rechtmäßigkeit der Abschiebung. Eine Rückkehr scheint vorerst ausgeschlossen.
Seit März 2023 lebte die Familie im brandenburgischen Lychen. Ihren Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ab. Die Klage gegen die Ablehnung war noch nicht entschieden. Dennoch wurden die Eltern und ihre vier minderjährigen Kinder am 22. Juli mit dem Flugzeug in den Irak ausgeflogen, zusammen mit 37 weiteren ausreisepflichtigen Irakern. Der Eilantrag der Familie gegen die Abschiebung war zwar zunächst erfolgreich, doch da lief der Abschiebeflug bereits.
Gericht: Abschiebung von jesidischer Familie rechtens
Am Donnerstag nun entschied das Potsdamer Verwaltungsgericht, dass die Abschiebung doch rechtmäßig ist:
Zur Überzeugung des Gerichts bestand nach der Bewertung des Vortrags der Kläger keine erlittene individuelle Verfolgung und es besteht auch nicht die beachtliche Gefahr einer solchen Bedrohung etwa durch die Terrororganisation IS im Falle der Rückkehr in den Irak.
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Verwaltungsgericht Potsdam
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Vor einer Woche urteilte es außerdem, dass die Ablehnung des Asylantrags des BAMF 2023 rechtens ist.
Die Jesiden sind eine religiöse Minderheit. Der Bundestag hatte im Jahr 2023 Verbrechen der Terrormiliz IS im Jahr 2014 an den Jesiden als Völkermord anerkannt. Der IS kontrolliert seit 2019 keine Gebiete mehr im Irak.
Aber nur wenige jesidische Geflüchtete sind seitdem zurückgekehrt, im Land leben viele immer noch in Flüchtlingsunterkünften. Und Jesiden werden in der Region weiter von vielen Muslimen als "Ungläubige" verunglimpft. Die Familie floh 2023 aus ihrer Heimat nach Deutschland.
Gerichtsentscheidung noch anfechtbar
Die Familie kann jedoch noch Rechtsmittel gegen den Beschluss einlegen. Mitschüler aus Lychen übergaben am Donnerstag eine Petition, die online von mehr als 37.000 Menschen unterschrieben wurde, an den Landtag in Potsdam. "Unser Freund und Klassenkamerad wurde ohne ersichtlichen Grund aus unserer Klasse (6 Lychen) in den Irak abgeschoben, und wir fühlen uns seinetwegen sehr besorgt", heißt es darin.
Er hat immer für ein Lächeln gesorgt und unser Schulleben bereichert. Es ist eine Schande, keinen Kontakt mehr zu ihm zu haben. Er und seine Familie haben stets bemüht, sich zu integrieren und ein Teil unserer Gemeinschaft zu sein.
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Petition der Mitschüler
Aus Sicht von Bündnis90/Die Grünen ist die Abschiebung ein "schwerer Fehler". Landesvorsitzende Andrea Lübcke verweist darauf, dass die Familie über Jahre hinweg Teil der Brandenburger Gemeinschaft sei. "Brandenburg darf dieses Unrecht nicht stehen lassen." Sie fordert das Brandenburger Innenministerium auf, alle Möglichkeiten zur Rückholung der Familie auszuschöpfen.
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Rückkehr nach Abschiebung schwierig
Brandenburgs Innenminister René Wilke (parteilos) hatte zunächst angekündigt, sich für eine Rückkehr einzusetzen. Nach der Entscheidung des Gerichts nahm er davon Abstand. Denn eine Wiedereinreise nach einer Abschiebung ist schwierig, da eine Abschiebung in der Regel mit einem Einreiseverbot verbunden ist.
Karl Kopp, Geschäftsführer des Vereins Pro Asyl, hält dagegen eine Wiedereinreise für geboten. Elf Jahre nach dem Genozid will er klare Zeichen setzen:
Niemand darf zurück an den Ort gezwungen werden, an dem Familie und Angehörige ermordet wurden.
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Karl Kopp, Geschäftsführer von Pro Asyl
Hoffnung macht Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke gegenüber den Schülern aus Lychen. Der Landtag werde sich intensiv mit dem Thema befassen: "Es gibt immer die Möglichkeit zu Ausnahmeregelungen - das muss man klären", forderte die Politikerin der SPD.
Jan Meier ist Redakteur im ZDF-Landesstudio Brandenburg.