Grundsteuer: Finanzhof entscheidet über neues Bundesmodell

Gilt seit Anfang des Jahres:Neue Grundsteuer: Finanzhof entscheidet über Bundesmodell

Charlotte Greipl

von Charlotte Greipl

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Seit Anfang des Jahres gilt die neue Grundsteuer. Doch viele Eigentümer fühlen sich ungerecht behandelt – das sogenannte Bundesmodell steht nun auf dem Prüfstand.

17.10.2024, Schleswig-Holstein, Jersbek: Eine Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts für das Jahr 2025 wird vor eine Wohnsiedlung hochgehalten.

Ungerecht für Eigentümer? Der Bundesfinanzhof entscheidet über die neue Grundsteuer.

Quelle: dpa

Georg Mertens und seine Frau Sinah sind Eigentümer von zwei Wohnungen in Köln - und sie haben Streit mit dem Finanzamt. In dem Bescheid, den sie vor drei Jahren vom Finanzamt erhielten, wurde für ihre Wohnung ein Bodenrichtwert von mehr als 2.000 Euro festgesetzt. Doch für ein vergleichbares Objekt, das nur etwa einen Kilometer von ihrer Wohnung entfernt liegt, habe das Finanzamt weniger als 600 Euro angenommen.

Für Eigentümer ist nicht ersichtlich, woher die großen Unterschiede kommen.

Georg Mertens

So wie Mertens ergeht es vielen Eigentümern in Deutschland. Sie kritisieren das neue System und meinen, ihr Grundstück sei zu hoch bewertet worden. 2,8 Millionen Einsprüche gegen den sogenannten Grundsteuerwertbescheid seien schon bei den Finanzämtern eingegangen, sagt Gregor Kirchhof, der mehrere Kläger berät.

Schild Bundesfinanzhof

Der Bundesfinanzhof verhandelt, ob die seit Januar geltende Grundsteuerreform verfassungswidrig ist. Drei Eigentümer hatten geklagt, dass ihre Grundstücke zu hoch bewertet wurden.

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Entscheidung des Verfassungsgerichts machte neues System erforderlich

2018 hatte das Bundesverfassungsgericht das bis dato geltende System zur Erhebung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt. Die Berechnung basierte auf Jahrzehnte alten Grundstückswerten. In den westdeutschen Bundesländern stammten die Werte aus dem Jahr 1964, im Osten sogar aus 1935.

Gleichartige Grundstücke würden so unterschiedlich behandelt, erklärte das Bundesverfassungsgericht vor rund sieben Jahren. Das Gericht räumte dem Gesetzgeber eine Übergangsfrist bis Ende 2024 ein, weshalb die neuen Regeln erst seit Anfang des Jahres gelten.

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Nach einem Urteil des Verfassungsgerichts kann die Grundsteuer für Haus- und Wohnungseigentümer teuer werden. Auch Mieter können von Erhöhungen betroffen sein.

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Elf Bundesländer verwenden dabei das sogenannte Bundesmodell, also eine einheitliche Berechnungsmethode. Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen haben eigene Regelungen eingeführt.

Viele fühlen sich ungerecht behandelt

Ziel der Grundsteuerreform war es nicht, das Grundsteueraufkommen zu erhöhen, sondern nur, es gerechter zu verteilen. Das hat zur Folge, dass einzelne Eigentümer deutlich mehr bezahlen müssen, andere weniger. Doch viele fühlen sich ungerecht behandelt.

Neben der Klage von Georg Mertens verhandelte der Bundesfinanzhof am Mittwoch auch über Klagen aus Berlin und Sachsen. In allen drei Fällen hatten die Wohnungseigentümer gegen den Grundsteuerwertbescheid geklagt. Der Wert sei viel zu hoch, meinen sie.

Hessen, Frankfurt/Main: Blick vom Stadtteil "Sachsenhäuser Berg" in Richtung Innenstadt.

Die Grundsteuer für Haus- und Wohnungseigentümer ist seit der Reform angestiegen. Das kann auch für Mieter teuer werden, denn die Vermieter dürfen die Kosten weitergeben.

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Die Klagen sind Musterklagen und werden vom "Bund der Steuerzahler" und "Haus & Grund" unterstützt. Die Verbände kritisieren vor allem die Parameter, die der Bewertung der Grundstücke zugrunde liegen.

Ein entscheidender Faktor bei der Bemessung ist die Nettokaltmiete, also die potenziell erzielbare Miete. Doch diese Mietpauschalen seien teilweise deutlich höher oder niedriger als die Mieten, die tatsächlich erzielt werden, sagen die Verbände.

Die Grundsteuer wird anhand von drei Faktoren berechnet:

  • Grundstückswert (festgelegt über Grundsteuerwertbescheid)
  • Steuermesszahl
  • Hebesatz (bestimmt die Gemeinde)

Maßgeblich für den Grundstückswert sind die landeseinheitlich geltenden Nettokaltmieten. Diese hängen ab von der Gebäudeart (Einfamilienhaus, Zweifamilienhaus, Mietwohngrundstück), der Wohnfläche und dem Baujahr. Auf den so errechneten Betrag gibt es Zu- bzw. Abschläge anhand von sechs Mietniveaustufen. So soll zwischen ländlichen Gebieten und Städten differenziert werden.


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Individuelle Ausstattung bleibt außer Betracht

Vor Gericht wird Mertens unter anderem von Gregor Kirchhof vertreten. Auch er kritisiert Ungenauigkeiten bei der Festlegung der Grundstückswerte. Dabei spielten nur die Gebäudeart, das Baujahr und die Grundfläche des Hauses beziehungsweise der Wohnung eine Rolle. Die individuelle Ausstattung und der Zustand der Immobilie blieben hingegen außer Betracht.

Eine Jugendstilvilla wird niedriger berechnet als ein 20 Jahre alter Betonklotz.

Gregor Kirchhof, Rechtswissenschaftler

Die Eigentümer hätten nach dem neuen Modell zwar die Möglichkeit, den Gegenbeweis anzutreten, also darzulegen, dass ihr Grundstück weniger wert sei. Doch das sei mit enormen Kosten verbunden und den Bürgern nicht zumutbar, so Kirchhof.

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Nicht jeder Einzelfall kann berücksichtigt werden

Michael Walke vom Finanzamt Köln argumentiert dagegen. Er verweist darauf, dass sich die neuen Regeln zur Bewertung der Grundstücke weitgehend am früheren Verfahren orientierten. Es sei zudem nicht möglich, jeden Einzelfall per Gesetz zu erfassen, sagt er.

Man muss Ungenauigkeiten in gewissem Maße hinnehmen.

Michael Walke, Finanzamt Köln

Am 10. Dezember soll die Entscheidung verkündet werden. Sollte der Bundesfinanzhof die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes bezweifeln, müsste es die Fälle an das Bundesverfassungsgericht verweisen. Doch auch wenn die Kläger aus Köln, Sachsen und Berlin unterliegen, wollen sie Verfassungsbeschwerde einlegen.

Gut möglich also, dass das Bundesverfassungsgericht demnächst wieder über die Grundsteuer entscheiden muss.

Charlotte Greipl ist Redakteurin in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.

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