Ökonom Schularick: Bundeswehr braucht Drohnen statt Panzer

Interview

Ökonom zu Verteidigungsausgaben:Schularick: Drohnen statt Panzer für Bundeswehr

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Neue Technologien statt alter Kriegsgeräte: Die Ostflanke Europas könne man nicht "nur mit Panzern, sondern auch mit einem Drohnenwald" verteidigen, sagt Moritz Schularick.

Drohnen der Bundeswehr
Eine 5.000-Euro-Drohne könne einen 25-Millionen-Euro-Panzer kampfunfähig machen, betont Ökonom Schularick.
Quelle: dpa

ZDFheute: Die Bundeswehr wird voraussichtlich bald mehr Mittel zur Verfügung haben. Worin sollten diese investiert werden?
Moritz Schularick: Ganz wichtig ist, dass wir in die Technologien von morgen investieren. Dazu gehören Drohnentechnologien, autonome Systeme, dazu gehört sicherlich ein Raketenschutzschirm, den wir brauchen, um europäische Großstädte zu schützen. Dazu gehören aber auch Dinge wie Überschallraketen und andere Weltraumfähigkeiten, etwa die Satellitenkonstellationen, wo wir zurzeit als Europa nicht unabhängig agieren können.

Moritz Schularick, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW)
Quelle: picture alliance / Sebastian Rau/photothek.de

... ist seit Juni 2023 Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft. Der Ökonom gilt als einer der Vordenker, die ein Finanzpaket für Investitionen in Sicherheit und Verteidigung, wie es Union und SPD jetzt planen, vorgeschlagen hat.

Das heißt nicht, dass wir nicht auch schweres Gerät, Panzer und Dinge brauchen, die eher aus der Vergangenheit kommen. Aber es ist ganz wichtig, dass wir diesen modernen technologischen Aspekt ausreichend berücksichtigen.
ZDFheute: Heißt das, sie empfehlen vorrangig die Anschaffung von Drohnen statt von Panzern und schwerem Gerät?
Schularick: Ich denke, das müssen am Ende natürlich die Militärexperten ausmachen.

Wichtig ist allerdings, dass wir nicht nur auf das schwere Gerät und die Technologien von gestern setzen.

Moritz Schularick, Präsident des IfW Kiel

Auch aus ökonomischer Sicht hängt der Nutzen, der an diesen Investitionen in unsere Sicherheit hängt, davon ab, dass wir die Dinge zu Hause machen und dass wir in Forschung und Entwicklung von Hochtechnologie investieren. Daher kommen dann auch die Anwendungen im zivilen Bereich und der Nutzen für Wachstum und Wohlstand in Deutschland.
ZDFheute: Hat die Bundeswehr bereits ausreichend verstanden, wie wichtig Drohnen im Krieg der Gegenwart sind? Wir sehen das aktuell in der Ukraine.
Schularick: Ich hoffe, dass das Verständnis dafür da ist, dass wir etwa die Ostflanke Europas nicht unbedingt nur mit Panzern, sondern auch mit einem Drohnenwald verteidigen können. Da muss man wirklich auf der Höhe der Zeit sein und auch technologisch in die Zukunft denken.
Ich würde mir viel davon versprechen, auch im Hinblick auf die Kosten:

Wir sind jetzt in einer Situation, in der ein 25-Millionen-Euro-Panzer mit einer Drohne kampfunfähig gemacht werden kann, die gerade mal 5.000 Euro kostet.

Moritz Schularick, Präsident des IfW Kiel

Insofern ist es auch aus ökonomischer Sicht sehr sinnvoll, in diese modernen und unter Umständen viel billigeren Technologien zu investieren, die genauso schlagkräftig sind oder vielleicht noch schlagkräftiger.
ZDFheute: Die SPD unter Rolf Mützenich hat jahrelang die Anschaffung bewaffneter Drohnen blockiert. Ist dieses Denken überwunden?
Schularick: Ich denke, es gibt immer Widerstände gegen moderne, neue Technologien. Im Vordergrund muss stehen, wie wir uns als Europäer in der Zukunft verteidigen können und wie wir unsere Sicherheit gewährleisten können. Da ist es erforderlich, dass alle Seiten ihr Denken auf Vordermann bringen und bereit sind, neue Wege zu gehen.
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ZDFheute: Waren dann die Anschaffungen im Rahmen des ersten Sondervermögens falsch? Das war ja vorwiegend schweres Gerät.
Schularick: Bei dem alten Sondervermögen hat man einen klaren Fehler gemacht, man hat weiterhin auf Technologien gesetzt, in denen wir von den Amerikanern abhängig bleiben. Also ganz konkret die F-35-Flugzeuge machen Europa, machen Deutschland nicht unabhängig, wenn es darauf ankommt, auch vielleicht von den USA.
Ansonsten, denke ich, muss man sehen, dass bei dem ersten Sondervermögen natürlich auch die außenpolitische Lage im Hinblick auf die USA noch eine andere war.

Ich würde mir allerdings wünschen, dass wir die Fehler, jetzt konkret auch das Bestellen dieser F-35 für über 30 Milliarden, also ein großer Teil des Sondervermögens, dass wir die nicht wiederholen.

Moritz Schularick, Präsident des IfW Kiel

ZDFheute: Welche Lehren sollten die Beschaffer der Bundeswehr aus der Brachial-Politik Trumps ziehen, was raten sie der Bundesregierung?
Schularick: Ich denke, insgesamt ist der größte Fehler, den wir machen könnten, den Krieg von gestern jetzt noch mal zu führen und entsprechend zu bestellen. Wir müssen uns auf den Krieg von morgen vorbereiten. Und das ist ein Hochtechnologie-Krieg mit künstlicher Intelligenz, mit vernetzten, autonomen Drohnen-Systemen und so weiter.
Ich denke, wir haben in den letzten Wochen, was Trump angeht, gesehen, dass er nur eine Sprache der Stärke versteht. Also nachdem etwa Kanada und auch Mexiko durchaus couragiert geantwortet haben auf seine Zolldrohungen, ist das jetzt alles wieder zurückgenommen worden. Und er sucht nach Verhandlungslösungen.

Ich denke, wir dürfen da keine Illusionen haben. Trump reagiert auf Schwäche, und er wird von Stärke eher abgeschreckt.

Moritz Schularick, Präsident des IfW Kiel

ZDFheute: Wie optimistisch sind sie, dass Deutschland seine Mentalität bei der Beschaffung kurzfristig ändern kann?
Schularick: Wir haben keine Alternative. Wir müssen in kurzer Zeit, innerhalb der nächsten zwei, drei Jahre in großem Umfang industrielle Kapazitäten in Europa aufbauen, um das zu leisten. Wir sind gegenüber den USA durchaus im Vorteil, dass wir eine so große industrielle Basis noch haben und auch diese Kapazitäten entsprechend ausweiten können.
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Da muss jetzt aber endlich der Schalter umgehen, wir haben drei Jahre letztlich verschlafen und hätten schon in die Massenproduktion von Raketen, Luftabwehrraketen etc. vor drei Jahren gehen sollen. Das müssen wir jetzt schnell nachholen. Was die Beschaffung angeht, sind wir in der Tat in einer Situation, in der die Beschaffungsstrukturen, die wir haben, nicht auf das ausgelegt sind, was wir jetzt brauchen. Sondern da geht es darum, dass jeder Euro dreimal umgedreht wird, dass es lange dauert, um gut zu werden und nicht mit der notwendigen Schnelligkeit gehandelt werden kann.
Mein Vorschlag wäre, dass wir jenseits der etablierten nationalen Beschaffungsstrukturen entweder direkt im Kanzleramt oder direkt beim Verteidigungsminister angesiedelt einen Beschaffungsstab haben, der insbesondere diese Hochtechnologien von morgen schnell beschafft.
ZDFheute: Sie halten eine Obergrenze bei Rüstungsausgaben für falsch?
Schularick: Wir müssen sehen, dass die Bundesrepublik und Europa auch in künftigen Krisensituationen handlungsfähig sein müssen, und wir uns in existenziellen Fragen von Sicherheit und Verteidigung nicht von unsicheren Mehrheiten bei der Finanzierung von Investitionen in Sicherheit und Verteidigung abhängig machen können.
Deswegen ist es richtig, dass im jetzigen Vorschlag der Koalitionäre die Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse ausgenommen werden. Das entlastet aber natürlich nicht den Bundestag und die neue Regierung von der großen Verantwortung, mit diesem Geld verantwortlich umzugehen.
Das Interview führte Ines Trams, Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio

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Quelle: dpa

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