Gasstreit in Bayern: Probebohrung spaltet Dorf am Ammersee

Probegasbohrung am Ammersee:Wie ein Bohrturm ein Dorf spaltet

von Caroline Drees
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In Bayern wird nach Gas gesucht: Das kleine Reichling am Ammersee wird zum Schauplatz einer Grundsatzdebatte. Ein Ortsbesuch.

Bayern, Reichling: Blick auf die zukünftige Gasbohranlage (Aufnahme mit Drohne).
Ein Bohrturm nahe des Ammersees sorgt für Unruhe: Gegner fürchten Umweltgefahren, Befürworter pochen auf Energiesicherheit. Noch ist unklar, ob hier wirklich langfristig Gas gefördert wird.08.08.2025 | 1:59 min
Segelboote wiegen sich im Wind, Radfahrer gönnen sich Erdbeereis, faltige Haut wird in die Sonne gehalten. Bilderbuch-Bayern, Touristenmagnet. Der Ammersee in Bayern. Doch seit gut einer Woche stört ein 35 Meter hoher Bohrturm das Bild: In Reichling, unweit des Sees, wird nach Erdgas gesucht. Das spaltet die Gegend.
Barbara Ertl und ihre Familie stehen dafür sinnbildlich: Ertl findet es positiv, dass hier vielleicht bald heimisches Gas gefördert wird. Ihre Schwägerin dagegen ist "voll die Gegnerin". Renate Schreigg meint: "Man weiß ja ungefähr, wer welche Meinung hat. Dann sprech' ich die halt nicht drauf an."
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Streit um Probebohrung

Jetzt noch Gas fördern zu wollen, das sei rückwärtsgewandt, sagen die einen. Bayern wolle doch klimaneutral werden, auch wenn es die Deadline jüngst nach hinten verschoben hat, auf 2045. Und sei das überhaupt notwendig, deutsches Gas zu fördern, fragt sich der Anwohner Karl Tafelmayer: "Man kauft es halt ein, fertig."
Als Brückentechnologie, bis die Erneuerbaren verlässlich für Strom sorgen, seien wir auf Gas angewiesen, meinen dagegen die anderen: "Mei, wenn man Energie verbraucht, muss die auch irgendwo herkommen", sagt Richard Motinger.
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Millionen Kubikmeter Gas vermutet

Ob am Ammersee bald wirklich Gas aus 3.000 Metern Tiefe gefördert wird, ist noch unklar. 100 bis 500 Millionen Kubikmeter Gas vermutet das Energieprojekt Lech, das hinter den Förderplänen steht, unter Reichling. Die Probebohrung soll zeigen, was wirklich unter der Erde liegt. Das sorgt für Ärger.
Auf einem Areal von mehr als 100 Quadratkilometern haben sich Unternehmen, darunter das Energieprojekt Lech, Konzessionen zur Förderung von Erdgas gesichert. Es könnte dort zehn Bohrstellen geben. Das Bohrloch in Reichling ist womöglich nur der Anfang.

Das "Energieprojekt Lech Kinsau 1 GmbH" ist zu 80 Prozent im Besitz der MRH Mineralöl-Rohstoff-Handel GmbH mit Sitz in Düsseldorf. 20 Prozent werden von der Genexco GmbH gehalten.

16.08.2022, Niedersachsen, Rehden: Die Anlage des Erdgasspeichers (Astora GmbH).
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Aiwanger hatte Probebohrung genehmigt

Claudia Danner geht als Teil der Bürgerinitiative Koa Gas, unterstützt von Anwohnern und Klimaaktivisten, seit mehr als einem Jahr immer wieder auf die Straße. Danner macht sich Sorgen um das nahegelegene Naturschutzgebiet und um die einzige Trinkwasserquelle im Ort.
Der Energiekonzern hat ein Notfallkonzept erstellt, aber das überzeugt die Aktivistin nicht. Sie fordert Bayerns Wirtschaftsminister auf, das Projekt zu stoppen. Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hatte 2022, als Gas in Deutschland knapp und teuer war, die Probebohrung genehmigt.
Er erhoffte sich Energiesicherheit und Unabhängigkeit von Importen aus dem Ausland. Heute weist er die Verantwortung von sich: Es gebe eine klare bundesgesetzliche Regelung, die Gasbohrungen erlaubt. "Ich kann nicht willkürlich sagen, ich verbiete die."
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Bürgerinitiative will Gasförderung verhindern

Im Ort haben diejenigen, die gegen das "Monstrum", den Bohrturm sind, ein gelbes X an ihre Gartenzäune gehämmert. So auch Hannes Cattien. Er ist in seinem Vorgarten anzutreffen. Während er seinen Hund Johnny am Halsband festhält, der durch das Gartentor ausbüchsen will, wundert er sich, dass Bayern von dem Unternehmen keine Förderabgabe, keinen finanziellen Ausgleich für die mögliche Ausbeutung erhebt:

Wir verschenken quasi die Bodenschätze. Wir haben gar nichts davon.

Hannes Cattien, Anwohner

Dienstagabends geht er manchmal ins Café Löwenzahn am Ortsrand. Da trifft sich die Bürgerinitiative zum Stammtisch. Es gibt selbstgebackene Muffins, bunte Flyer und Aktenordner voll mit Recherchen. Die Aktivisten wollen die Gemeinde über das Gasvorhaben aufklären, zu intransparent sei die Politik.

Neuer Bericht zu Investitionen
:"Zeitalter der sauberen Energie bricht an"

Erneuerbare Energien waren 2024 weltweit meist die günstigste Option zur Stromerzeugung. Ein neuer Bericht zeigt: Besonders Solar- und Windkraft verdrängen fossile Energieträger.
von Elisa Miebach
Ein Windkraftanlage und im Vordergrund ein Solarpark bei Sonnenuntergang

Aktivisten kämpfen weiter

Für das ZDF standen weder das Energieprojekt Lech noch die Behörden vor Ort für ein Interview zu Verfügung. Die Probebohrung konnten die Aktivisten rund um Claudia Danner nicht verhindern. "Jetzt erst recht", meint sie. Denn ob es wirklich zur Gasförderung kommt, ist noch völlig unklar.
So wird Reichling zum Schauplatz für eine Grundsatzdebatte: Heimisches Gas für mehr Unabhängigkeit? Oder Verzicht auf fossile Brennstoffe in Zeiten des Klimawandels? Am Ammersee jedenfalls soll gebohrt werden.
Caroline Drees ist Reporterin im ZDF-Landessstudio Bayern.

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