Wehrhahn-Anschlag: Wer legte vor 25 Jahren die Bombe in Düsseldorf?

25 Jahre nach Tat in Düsseldorf:Wehrhahn-Anschlag: Wer hat die Bombe gelegt?

|

Am 27. Juli 2000 explodiert an der Düsseldorfer S-Bahn-Station Wehrhahn eine Rohrbombe. 25 Jahre später bleibt die Tat ungeklärt. Der mutmaßliche Täter wurde 2018 freigesprochen.

Beamte einer Ermittlungsgruppe des Bundeskriminalamtes suchen am Freitagmorgen (28.07.2000) am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn nach der Explosion einer Splitterbombe am Vortag nach Spuren
Archivbild: Ermittler suchen nach dem Anschlag am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn nach Spuren.
Quelle: dpa

Der Sprengsatz war in einer Plastiktüte versteckt: Am 27. Juli 2000 gegen 15.04 Uhr explodiert am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn eine Rohrbombe und richtet ein Blutbad an. Metallsplitter fliegen bis zu 100 Meter weit, einer durchbohrt ein ungeborenes Baby im Bauch seiner Mutter und tötet es. Unter den zehn Verletzten sind mehrere jüdische Einwanderer aus Osteuropa.
Auch 25 Jahre nach dem weltweit beachteten Anschlag ist unklar, wer die Bombe gelegt hat.

Mutmaßlicher Täter freigesprochen

Der Rechtsradikale, der wegen des Anschlags erst viele Jahre später vor Gericht kam, hat inzwischen einen rechtskräftigen Freispruch in der Tasche. 2021 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) den Freispruch des Landgerichts von 2018 bestätigt.

Eine Frau legt am Gedenkort am Bahnhof Wehrhahn Blumen nieder. (Archiv)
Quelle: dpa

Zum 25. Jahrestag des Wehrhahn-Anschlags am 27. Juli ist ab 15 Uhr eine Gedenkveranstaltung an dem S-Bahnhof in der Düsseldorfer Ackerstraße geplant - unter anderem mit der Antisemitismusbeauftragten des Landes NRW, Sylvia Löhrmann. Ganztätig finden weitere Veranstaltungen in Düsseldorf statt. Weitere Infos auf der Website der "Initiative Wehrheim erinnern". (Quelle: dpa, ZDF)

Der Freispruch sei rechtsfehlerfrei begründet, sagte der Vorsitzende BGH-Richter Jürgen Schäfer damals bei der Urteilsverkündung. Die Beweiswürdigung sei grundsätzlich Sache des Tatrichters und vom BGH hinzunehmen - selbst in Fällen, in denen ein anderer Schluss nähergelegen hätte.
s-bahnhof duesseldorf wehrhahn
Aus dem Archiv: 2018 begann der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter.25.01.2018 | 1:25 min

Wenig Chancen auf Wiederaufnahme des Verfahrens

Im Gegensatz zum Landgericht hatte der damalige Oberstaatsanwalt Ralf Herrenbrück keine Zweifel an der Täterschaft des Rechtsradikalen, für den er wegen "erdrückender Beweislage" lebenslange Haft beantragt hatte. Heute hat er wenig Hoffnung, dass der Fall noch einmal aufgerollt werden könnte.
Fingerabdrücke oder DNA-Spuren waren durch die Hitze der Explosion buchstäblich verdampft. Anders als in vielen Cold Cases gebe es daher keine eindeutigen Spuren. Herrenbrück sagte der Deutschen Presse-Agentur:

Es bräuchte daher schon ein Geständnis oder eine Zeugenaussage mit Täterwissen, womit nach dem Ablauf von 25 Jahren prognostisch eher nicht mehr zu rechnen ist.

Ralf Herrenbrück, früherer Oberstaatsanwalt

Hunderte Kerzen, Blumen und Plüschtiere finden sich vor der Johanniskirche für die Opfer des Anschlags.
Seit dem Anschlag in Magdeburg häufen sich rassistische Übergriffe. Täglich gibt es neue Vorfälle, bei denen Menschen mit Migrationshintergrund angegriffen und bedroht werden.09.01.2025 | 1:45 min

Mithäftling sagte gegen Beschuldigten aus

1.500 Menschen wurden wegen des Wehrhahn-Anschlags befragt, mehr als 300 Spuren verfolgt, 450 Beweisstücke eingesammelt. Ein Militaria-Händler, der in der Nähe wohnte, geriet schon bald ins Visier der Ermittler, wurde aber auch schnell wieder freigelassen. Später wurden Ermittlungsfehler bekannt: Ausgerechnet die erste Durchsuchung bei ihm sei eher ein "Stuben-Durchgang" gewesen, kritisierte ein Ermittler.
Die Ermittlungen verliefen im Sand. Doch dann gab ein Gefangener in einem NRW-Gefängnis zu Protokoll, ein Mithäftling habe ihm gegenüber damit geprahlt, er habe "an einem Bahnhof Kanaken weggesprengt".
Der Mithäftling ist jener rechtsradikale Militaria-Händler. Die Sprachschule, in die die Opfer gingen, lag gegenüber seinem Laden, und es hatte zuvor Ärger gegeben zwischen Sprachschülern und der Skinhead-Kundschaft seines Ladens.

Sprengstoff am Rheinufer sichergestellt

Das brachte die Ermittlungen um den Bombenanschlag nach Jahren wieder in Gang. Sie mündeten in einen Indizien-Prozess. Doch das Gericht schenkte dem Mithäftling später genauso wenig Glauben wie den Ex-Freundinnen des Angeklagten, die ausgesagt hatten, er habe dunkle Ankündigungen gemacht. Eine von ihnen sagte sogar, sie habe die Bombe in der Wohnung des Verdächtigen gesehen.
Zwei Jahre nach dem Anschlag war in einem Wohnmobil am Düsseldorfer Rheinufer Sprengstoff vom Typ TNT sichergestellt worden - und eine Schachtel für sechs elektronische Zünder - ein Zünder fehlte. Es handelte sich um das Wohnmobil eines Bekannten des verdächtigen Militaria-Händlers.
Personen im Gerichtssaal, die Angeklagten sind unkenntlich gemacht
Der deutsche Ableger der Neonazi-Organisation "Combat 18" wurde 2020 verboten. Vier Mitglieder sollen die Gruppe aber weitergeführt haben. Gegen sie begann nun der Prozess.26.06.2025 | 1:30 min

Beweislage reichte nicht für Verurteilung

Die Bedienungsanleitung für den Zünder fand sich nach dem Anschlag in seiner Wohnung. Eine Zeugin hatte bei der Detonation einen Mann am Tatort auf einem Stromkasten sitzen sehen, der nach der Explosion verschwand und dem damaligen Angeklagten ähnelte.
"Die Ähnlichkeit belastet den Angeklagten am stärksten", stellte der Richter fest. Für eine Verurteilung reiche das alles aber nicht, auch wenn der Fremdenhass des Angeklagten gut belegt sei und er ständig gelogen habe.
Quelle: dpa

Mehr zum Rechtsextremismus