Belgien kippt Atomausstieg: Parlament stimmt für neue Reaktoren

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Nachbarland kippt Atomausstieg:Welche alten AKWs in Belgien nun weiterlaufen

Oliver Klein
von Oliver Klein
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Belgien kippt seinen Atomausstieg, will Reaktoren länger laufen lassen - und sogar neue bauen. Die Entscheidung sorgt auch in Deutschland für Kritik.

Atomkraftwerk in Tihange bei Nacht
Das belgische AKW Tihange - wie sicher ist die Atomkraft im Nachbarland?
Quelle: epa

Belgien hat beschlossen, seinen bereits gesetzlich festgelegten Atomausstieg rückgängig zu machen. Statt die letzten Reaktoren des Landes wie geplant in diesem Jahr abzuschalten, stimmte das Parlament mit großer Mehrheit dafür, die umstrittenen Meiler weiterlaufen zu lassen.
Das sorgt in deutschen Nachbarregionen für Unbehagen. Was genau plant die belgische Regierung und warum gibt es Kritik daran? ZDFheute mit Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was genau plant die belgische Regierung?

Die rechte Regierung unter Premierminister Bart De Wever plant nicht nur die Laufzeitverlängerung, sondern auch den Bau neuer Reaktoren. Konkrete Pläne dafür gibt es aber noch nicht. Aktuell betreibt Belgien zwei Atomkraftwerke: Doel bei Antwerpen und Tihange bei Lüttich, etwa 60 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Drei Reaktoren der Kraftwerke wurden bereits vom Netz genommen, vier davon sind aber noch in Betrieb: Doel-2 und Doel-4, außerdem Tihange-1 und Tihange-3.
Das Kernkraftwerk Emsland. Vor 62 Jahren nahm das erste Atomkraftwerk in Deutschland seinen kommerziellen Betrieb auf. Am 15. April soll aber endgültig Schluss sein mit der nuklearen Stromerzeugung, auch beim Kernkraftwerk Emsland.
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Nach den alten Ausstiegsplänen hätten bis Ende dieses Jahres alle Reaktoren abgeschaltet werden müssen. Doch angesichts geopolitischer Entwicklungen - insbesondere des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine - und Sorgen um die Energiesicherheit, verschob die belgische Regierung 2022 den Atomausstieg.
Nun haben die beiden jüngsten Anlagen Doel 4 und Tihange 3 aus dem Jahr 1985 eine Laufzeitverlängerung bis 2035 erhalten. Und auch die älteren Reaktoren wie Tihange-1 von 1975 könnten nun länger am Netz bleiben, da das neue Gesetz die starren Abschalttermine aufhebt.
Atomkraftwerke in Belgien
Die Atomkraftwerke in Doel und Tihange in Belgien
Quelle: ZDF

Warum wird die Entscheidung kritisiert?

Die belgischen Reaktoren stammen größtenteils aus den 1970er und 80er Jahren und gerieten durch Störfälle, Mängel und Schäden immer wieder in die Schlagzeilen. So wurden 2012 bei Überprüfungen tausende Risse im Stahl der Reaktordruckbehälter von Doel-3 und Tihange-2 entdeckt. Diese beiden Reaktorblocks sind inzwischen aber nicht mehr in Betrieb.
Der Kühlturm des Atomkraftwerk Isar 2.
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2018 traten weitere Bauschäden in Tihange-3 zutage: In einem wichtigen Gebäude für die Notkühlsysteme war durch Konstruktionsfehler der Stahlbeton beeinträchtigt - er begann zu bröckeln. Die Mängel und Störfälle führten zu wiederholten Stilllegungsforderungen, unter anderem durch die Bundesregierung und die Stadt Aachen.

Welche Reaktionen gibt es auf die Entscheidung Belgiens?

Das Bundesumweltministerium reagierte skeptisch auf den heutigen Beschluss. Selbstverständlich respektiere man souveräne nationale Entscheidungen zum Energiemix, sagte ein Sprecher in Berlin. Das Ministerium bedauere aber die aktuelle Änderung, nicht zuletzt, weil Risiken der Atomkraftnutzung nicht an Landesgrenzen Halt machten. AfD-Chefin Alice Weidel begrüßte den Schritt Belgiens bei X.

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Der Kühlturm des Atomkraftwerk Isar 2. Dahinter ein Balkendiagramm des aus Atomkraft erzeugten Stroms.
Grafiken
Quelle: mit Material von dpa

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