Wissenschaft: Französische Universität nimmt US-Forschende auf
Wissenschaft unter Druck:Französische Uni nimmt US-Forschende auf
von Veit Blümhuber und Carolin Auen
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Seit Amtsantritt üben Trump und seine Regierung Druck auf die Wissenschaft aus. Viele Betroffene suchen jetzt einen Ausweg - einige finden ihn in Frankreich.
Die Universität Aix-Marseille heißt Forschende aus den USA willkommen, die ihre Arbeit in Frankreich fortsetzen möchten. Anlass ist die aktuelle US-Politik gegen die Wissenschaft.26.06.2025 | 2:12 min
"Was sich heute abspielt, erinnert an eine andere dunkle Zeit unserer Geschichte." Eric Berton, Direktor der Universität Aix-Marseille, spricht in der Empfangshalle des Astrophysiklabors zu Forschern aus den USA, die es in die letzte Bewerbungsrunde für eine Stelle an der Uni geschafft haben.
Die Stimmung ist gedrückt an diesem heißen Tag Ende Juni: "Viele europäische Wissenschaftler mussten aus ihrem Land fliehen, um weiterhin frei arbeiten zu können, um ihre Forschung, ihre Ideen und manchmal auch ihr Leben zu retten. Viele fanden Zuflucht in den Vereinigten Staaten," so Berton.
Heute, in einer traurigen Umkehrung der Geschichte, sind es einige von Ihnen, amerikanische Wissenschaftler, die in Frankreich einen Raum der Freiheit des Denkens suchen.
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Eric Berton, Direktor der Universität Aix-Marseille
Für die Wissenschaft auf die Straße
Sparprogramme, Stellenstreichungen und Verbote - seit seinem Amtsantritt übt US-Präsident Donald Trump politischen Druck auf US-amerikanische Bildungseinrichtungen aus. Als eines der ersten europäischen Länder reagierte Frankreich auf den politischen Druck vonseiten Trumps auf die Bildungseinrichtungen und möchte Wissenschaftlern aus Übersee ermöglichen, ihre Karriere und Forschung fortzuführen.
Die Harvard-Uni solle degradiert werden, damit sie nicht mehr leisten könne, was sie für die amerikanische Gesellschaft tue, so die Politologin Cathryn Clüver Ashbrook.23.05.2025 | 15:42 min
Zunächst mit unterstützenden Worten und gut besuchten Demonstrationen unter dem Titel "Stand Up for Science". "Normalerweise sagen wir unseren Studierenden, dass sie versuchen sollen, in den USA einen Post-Doc zu machen. Um ihre Perspektive zu stärken und zu weiten und sich anzuschauen, wie Forschung dort gelebt wird. Aber nicht in diesem Jahr", beschreibt Claire Mathieu vom französischen Forschungszentrum CNRS auf der Demo Anfang April die angespannte Lage.
Für Physiker Bruno Andreotti geht es um weit mehr als Forschung in den USA: "Das, was wir dort sehen, ist, dass die Wissenschaft nicht nur ein Wirtschaftsmotor ist. Sie ist auch die Grundlage der Demokratie". Diese sehen er und seine Mitdemonstrant*innen als gefährdet.
Französische Uni startet Aufnahmeprogramm
Als erste Universität bot die Universität Aix-Marseille den Forschenden auch konkret Stellen an: Über drei Jahre hinweg wollen sie circa 20 Forschende aufnehmen. Das Budget: 15 Millionen Euro. Bereits wenige Wochen nach Ausschreibung hätte die Universität fast 600 Bewerbungen erhalten - und täglich gingen weitere ein, so Direktor Berton.
Der Direktor der Universität Aix-Marseille, Eric Berton.
Quelle: AFP | CLEMENT MAHOUDEAU
500 Millionen Euro für Forschung
Anfang Mai zog auch die Politik nach: Im Rahmen einer Konferenz in der Universität Paris Sorbonne wurde die europäische Platform "Choose Europe for Science" vorgestellt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kritisierte vor den Anwesenden aus Politik und Forschung den Kurs der USA:
Niemand konnte sich vorstellen, dass diese große Demokratie der Welt, deren Wirtschaftsmodell auf einer freien Wissenschaft, auf Innovation (…) aufbaut, einen solchen Fehler machen würde.
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Emmanuel Macron, französischer Präsident
Mit einem Zusatzpaket von 100 Millionen Euro wolle Frankreich ausländische Forschende, auch aus den USA, anlocken. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versprach für den Zeitraum ein europäisches Budget von 500 Millionen Euro, man setze sich das Ziel, bis 2030 drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes in die Recherche und Entwicklung zu investieren.
"Da Trump führende Wissenschaftler im Land verprellt, hat EU-Präsidentin von der Leyen zusammen mit Macron ein Programm vorgestellt, mit dem sie Forscher anwerben wollen", sagte Frank Bethmann.05.05.2025 | 1:34 min
Wissenschaftliches Asyl
Während an den Universitäten Platz für die Wissenschaftler*innen geschaffen wird, besprechen die französischen Abgeordneten den Gesetzesvorschlag von Francois Hollande, den Flüchtlingsstatus für Forschende einzuführen.
Dieser würde es Wissenschaftler*innen, denen in ihrem Land "ein schwerwiegender und individueller Angriff auf ihre akademische Freiheit aufgrund von Bedrohung, Verfolgung oder willkürlicher Freiheitsberaubung" droht, ermöglichen, in Frankreich als Flüchtlinge anerkannt zu werden. "Je schneller, desto besser", müsse ein solches Gesetz eingeführt werden, erklärte Hollande Mitte Mai bei einer Zeremonie für ausländische Forscher in Marseille.
Denn wir sehen, dass sich die Forschungsbedingungen für viele Wissenschaftler in den USA verschlechtern. Und wir sehen auch, was globale Krisen an Verwirrung mit sich bringen können.
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Francois Hollande, Mitglied der französischen Nationalversammlung
James, Klimatologe, hat sich in Marseille beworben. Er ist extra aus den USA für sein Bewerbungsgespräch angereist und stellt sich auch den Fragen zahlreicher Journalist*innen. Seinen Nachnamen möchte er lieber nicht nennen: "Das Forschungsniveau hier ist exzellent. Und das wäre eine Möglichkeit, dieser schwierigen Situation, in der sich die US-Wissenschaft befindet, zu entkommen." Ob er eine Stelle an der Universität Aix Marseille bekommt, erfährt James Mitte Juli.
Veit Blümhuber und Carolin Auen arbeiten im ZDF-Studio Paris.