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EU-Zentralasien-Gipfel:Warum die EU in Zentralasien aktiv wird
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Die EU streckt ihre Fühler nach Zentralasien aus. Man tritt dort in Konkurrenz mit den mächtigen Playern Russland und China. Vertreter treffen sich bei einem Gipfel in Usbekistan.
Die Maschinen dröhnen, die Luft ist heiß und trocken und eine gewaltige Presse drückt die entkernte Baumwolle nach unten. Tonnenweise verarbeitet der Betrieb "Global Textile" hier eines der wichtigsten Exportprodukte Usbekistans.
Muzaffar Razakov hat den Betrieb mit seinen vier Brüdern aufgebaut. Er hat in Bochum studiert, spricht fließend Deutsch und blickt zufrieden auf seine Fabrik. Baumwolle aus Usbekistan ist weltweit gefragt, das zentralasiatische Land gehört zu den größten Playern auf dem globalen Markt und will in Zukunft mehr in die EU exportieren. Bisher gingen große Mengen nach China und Russland.
Die EU will sich der Region Zentralasien weiter annähern. Auch deswegen startet am Donnerstag in Samarkand der erste EU-Zentralasien-Gipfel.
EU-Standards made in Usbekistan
Razakow erklärt, dass vom Samen über die Ernte bis zur Verarbeitung und dem fertigen Produkt alles in der Hand seines Unternehmens liegt. "Wir haben eigene Spinnereien, Strickereien und Färbereien", sagt er sichtlich stolz. Heißt: Die Lieferkette ist vom Samen bis zur fertigen Textilie einwandfrei überprüfbar. EU-Standards made in Usbekistan. Das ist nicht selbstverständlich. Die usbekische Baumwollindustrie war jahrelang sanktioniert wegen Umweltproblemen, Zwangs- und Kinderarbeit.
Die Internationale Arbeitsorganisation hat 2022 festgestellt, dass Kinder- und Zwangsarbeit in Usbekistan zwar der Vergangenheit angehören. Doch viele usbekische Baumwollfirmen bauen ihr Produkt immer noch so an wie zu Sowjetzeiten. Heißt, sie verbrauchen viel zu viel Wasser, was für das sowieso schon trockene Land zum Problem wird.
Dem mächtigen Strom Amudajar wird so viel Wasser entnommen, dass er im Westen Usbekistans versickert, ohne sein ursprüngliches Ziel, den Aralsee, zu erreichen. Das ehemals gewaltige Binnengewässer trocknet deswegen seit Jahrzehnten aus und ist bereits um fast das zehnfache geschrumpft.
Razakow würde sich wünschen, dass die gesamte Baumwollindustrie Usbekistans auf eine wassersparende Produktion umstellt, so wie er es bereits macht. Seine Pläne für die Zukunft sind groß, er will mehr von seinem Produkt in den Westen verkaufen.
EU-Zentralasien-Gipfel in Usbekistan mit zwei Zielen
Beim EU-Zentralasien-Gipfel geht es um eine Ausweitung der Handelsbeziehungen. Brüssel hat vor allem zwei Ziele: Rohstoffe und Handelsrouten.
Bei den Rohstoffen geht es im Falle von Kasachstan um Öl und Gas. Also eine Diversifizierung der europäischen Energieversorgung und im Falle von Usbekistan vor allem um das, was gerade alle wollen: den Abbau seltener Erden. Doch Brüssel ist spät dran. China und Russland sind hier seit Jahrzehnten aktiv. "Die Frage ist, wie ernst meint die EU es wirklich, die Beziehung in einem größeren Maße zu entwickeln", sagt Stefan Meister, Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Das Momentum sei schon ein Gutes.
Die zentralasiatischen Länder versuchen gerade wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sich stärker zu diversifizieren.
Stefan Meister, DGAP-Experte
So sind die Interessen der zentralasiatischen Länder und der EU teilweise deckungsgleich.
Der zweite wichtige Punkt, der beim Gipfel verhandelt werden soll, ist der Transport der Rohstoffe. Da die nördliche Route über Russland und die südliche Route über Iran derzeit verschlossen ist, will man versuchen den mittleren Korridor zu nutzen. Also den über Kasachstan, das Kaspische Meer, den Kaukasus und die Türkei.
Defizite beim Thema Menschenrechte
Die EU treibt seit 2021 unter dem Oberthema Global Gateway eine weltweite Stärkung der Infrastruktur in Schwellenländern voran. Der Gipfel in Samarkand ist dafür ein wichtiger Meilenstein. Defizite gibt es allerdings beim Thema Menschenrechte. Presse- und Meinungsfreiheit sind in den oft sehr autoritären Staaten kaum vorhanden. Regimekritiker landen oft hinter Gittern.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident António Costa werden einen Spagat vollführen müssen. Einerseits bei diesem Thema nicht zu schweigen und andererseits die angestrebte neue strategischen Partnerschaft zwischen der EU und den zentralasiatischen Ländern unter Dach und Fach zu bringen.
Sebastian Ehm ist Korrespondent für Russland, den Kaukasus und Zentralasien
Quelle: dpa
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