US-Experte Julian Müller-Kaler:Allianz der "Patrioten": Wie nah stehen sich AfD und MAGA?
Nicht zum ersten Mal ist eine AfD-Delegation in den USA. Entsteht eine transatlantische Koalition zwischen MAGA und der AfD? US-Experte Julian Müller-Kaler im ZDFheute-Interview.
Die US-Sicherheitsstrategie bricht mit der transatlantischen Tradition der vergangenen 80 Jahre. Wie reagiert Deutschland auf US-Präsident Donald Trump?
14.12.2025 | 4:12 minAuf einer Gala in New York beschwor der außenpolitische Sprecher der AfD eine "Allianz" zwischen "Patrioten" in den USA und Deutschland. Junge Republikaner jubelten ihm zu. Gerade hatten sie Markus Frohnmaier einen Preis verliehen - für seine "mutige Arbeit" in einer "besonders repressiven und feindseligen politischen Umgebung in Deutschland".
Markus Frohnmaier (AfD) spricht auf der Gala der Jungen Republikaner in New York.
Quelle: AFPIm ZDFheute-Interview erklärt Politikwissenschaftler und US-Experte Julian Müller-Kaler, was Republikaner und die AfD verbindet.
ZDFheute: Nicht zum ersten Mal sind AfD-Politiker in den USA. Sie treffen sich mit Kongressabgeordneten und feiern in New York mit jungen Republikanern. Wie eng sind die Verbindungen zwischen Republikanern, der MAGA-Bewegung und der AfD?
Julian Müller-Kaler: Eine umfassende Einschätzung ist schwierig, da die MAGA-Bewegung in den USA eine heterogene Basis besitzt.
Sicherlich gibt es Strömungen in der MAGA-Bewegung, die den Aufstieg der AfD und den wachsenden Nationalismus in Europa positiv bewerten.
Julian Müller-Kaler, Stimson Center
Andere Teile können damit jedoch relativ wenig anfangen. Darüber hinaus beobachten wir in den vergangenen Wochen und Monaten zunehmende interne Spannungen innerhalb der MAGA-Bewegung, insbesondere hinsichtlich ihrer künftigen Ausrichtung - nach der Trump Präsidentschaft.
Die Vernetzung zwischen Teilen der MAGA-Bewegung und Teilen der AfD als ein transnationales politisches Projekt oder gar als neue strategische Koalition zu interpretieren, halte ich daher für deutlich überzogen.
... ist Politikwissenschaftler und Experte für amerikanische Politik und das transatlantische Verhältnis.
Er leitet das Programm für strategische Vorausschau bei der Denkfabrik Stimson Center in Washington, D.C. und ist Associate Fellow bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin.
Mit Blick auf die Landtagswahlen 2026, wolle die AfD mit einer Bindung in die USA vor allem bei den westlichen Wählern in Deutschland punkten, sagt ZDF-Korrespondentin Nicole Diekmann.
08.12.2025 | 7:00 minZDFheute: Was eint Teile der MAGA-Bewegung und die AfD?
Müller-Kaller: In fast allen westlichen Demokratien beobachten wir den Aufstieg populistischer Bewegungen - sowohl auf der linken als auch auf der rechten Seite des politischen Spektrums. Deren Erfolg ist Ausdruck einer zunehmenden Annahme, dass das politische System nicht mehr funktionsfähig ist.
Immer mehr Menschen wenden sich daher jenen Kräften zu, die sich explizit als "Systemsprenger" inszenieren und damit Wahlkampf betreiben. Das verbindende Element zwischen AfD, Teilen der Republikanischen Partei und der MAGA-Bewegung ist daher weniger eine gemeinsame Ideologie als vielmehr der Protest gegen den Status quo und die Ablehnung bestehender politischer Strukturen.
Natürlich existieren Überschneidungen bei bestimmten Themen, etwa bei nationalistisch geprägten migrationspolitischen Konzepten. Doch derartige Strömungen repräsentieren keineswegs die gesamte Trump-Regierung. Gerade viele mit Trump befreundete Tech-Milliardäre befürworten umfassende Einwanderungsprogramme.
Trumps Sicherheitsstrategie rückt "America First" ins Zentrum und Europas Rolle an den Rand. Wie verändert die neue Doktrin Macht, Militär und transatlantische Beziehungen?
11.12.2025 | 57:42 minZDFheute: Wieso knüpft die US-Regierung unter Donald Trump enge Bande mit rechtspopulistischen Parteien in Europa?
Müller-Kaler: Donald Trump war nur deshalb in der Lage, die republikanische Partei nachhaltig zu prägen, weil er sie für neue, ursprünglich der Demokratischen Partei zugewandte, Wählergruppen geöffnet hat.
Trumps Wählerbasis ist geprägt von der Überzeugung, dass Globalisierung und das internationale Engagement der USA sich für Amerika nicht gelohnt haben.
Julian Müller-Kaler, Stimson Center
Während zum Beispiel Militärausgaben in schier undenkbare Höhen gestiegen sind, Kriege in fremden Ländern gefochten wurden und die Globalisierung gnadenlos voranschritt, haben sich die relativen Lebensverhältnisse vieler Menschen verschlechtert, sinkende Lebenserwartung inklusive.
Wenn Teile der Bevölkerung überzeugt sind, dass sich eine liberale Weltordnung und das internationale Engagement der USA für sie nicht auszahlen, folgt daraus konsequenterweise eine zunehmend transaktionale Außenpolitik.
Vor diesem Hintergrund wird das transatlantische Verhältnis aktuell neu bewertet. Aus Sicht des Weißen Hauses ist es ein zentraler Bestandteil eben jener liberalen Weltordnung, die - so das Argument - den amerikanischen Durchschnittswähler nicht ausreichend berücksichtigt hat.
Die Europäische Union, Deutschland und andere Akteure gelten bei vielen als Hauptprofiteure dieser Ordnung und werden entsprechend kritisiert. Die Unterstützung rechtspopulistischer Oppositionsparteien in Europa ist somit Ausdruck des politischen Willens, die Grundlagen des transatlantischen Verhältnisses grundlegend neu zu gestalten und die amerikanische Außenpolitik an die innenpolitischen Präferenzen jener Wähler anzupassen, die Trump ins Amt verholfen haben.
Trump wolle die USA geopolitisch fundamental anders aufstellen. Ziel sei vermutlich eine Weltregierung mit Russland und China, sagt Politikwissenschaftler Herfried Münkler bei ZDFheute live.
08.12.2025 | 17:22 minZDFheute: Was sagt die neue US-Sicherheitsstrategie über die künftige amerikanische Außenpolitik aus?
Müller-Kaler: Aus europäischer Perspektive lohnt sich ein Blick in die jüngere Vergangenheit, auf eine Zeit vor Donald Trump. Bereits Barack Obama führte populistische Wahlkämpfe und betonte die Notwendigkeit eines amerikanischen Rückzugs von den militärischen Engagements und Verpflichtungen in der Welt - damals nannte man das "burden sharing".
Donald Trump hat dieses Narrativ aufgegriffen und intensiviert. Aus "burden sharing" wurde "burden shifting". Seine Administration verkörpert die Überzeugung, dass sich das weltweite Engagement der USA für große Teile der amerikanischen Bevölkerung nicht gelohnt habe.
Amerikanische Innen- und Außenpolitik sind heute so verwoben wie selten zuvor. Wenn Washington nun fordert, dass Verbündete höhere Verteidigungsausgaben leisten, Handelsbeziehungen neu austariert werden oder Zölle verhängt werden, dann hat dies natürlich erhebliche Auswirkungen - insbesondere auf jene Staaten, die lange von der amerikanischen Vormachtstellung und Sicherheitsgarantien profitiert haben.
Zu Gast u.a Vitali Klitschko, Bürgermeister von Kiew, Außenpolitiker Norbert Röttgen (CDU), der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger, Ben Hodges und Claudia Major.
11.12.2025 | 61:01 minZDFheute: Was bedeutet das konkret für Europa?
Müller-Kaler: Die US-Regierung unter Donald Trump ist in dieser Hinsicht eigentlich relativ unmissverständlich, auch wenn es den Entscheidungsträgern in Europa nicht gefällt. Frei nach dem Motto, wenn ihr euch bedroht seht, dann müsst ihr eben entsprechend höhere Verteidigungsanstrengungen unternehmen.
Wenn Europa international ernst genommen werden möchte, gibt es in einer multipolaren Welt keine Alternative als die eigenen sicherheitspolitischen Kapazitäten auszubauen.
Julian Müller-Kaler, Stimson Center
Gegenwärtig ist die alte Welt sicherheitspolitisch in hohem Maße von den Vereinigten Staaten abhängig. Wäre dies nicht der Fall, könnte Europa zum Beispiel deutlich autonomer auf Handelskonflikte oder Zollmaßnahmen reagieren. Aber den Entscheidungsträgern sind die Hände gebunden.
In einer Welt, in der sich die USA zunehmend zurückziehen und sich das globale Machtgefüge gen Osten verschiebt, muss Europa endlich strategische Eigenständigkeitentwickeln, um seine Interessen selbstbewusst vertreten und in einer multipolaren Ordnung bestehen zu können.
Das Interview führte Beatrice Steineke, ZDF-Korrespondentin in Washington D.C..
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