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Klimakrise bedroht Inselstaat:Steht Tuvalu kurz vor dem Untergang?
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Der steigende Meeresspiegel bedroht Tuvalu. So lautet seit Jahren die Warnung. Doch steht der Inselstaat wirklich vor dem Untergang? Eine Reise in den Pazifik wirft Fragen auf.
Im größten Ozean der Welt gibt es Orte, die abgelegener kaum sein könnten. Die man, wenn überhaupt, nur aus Abenteuerromanen, durch schrille Warnungen der Vereinten Nationen oder von Klimaaktivisten kennt. Mittendrinnen Tuvalu, einer der kleinsten Staaten der Welt. 11.000 Einwohner verteilt auf neun Atolle, die zusammen nur knapp 26 Quadratkilometer groß sind - allein Hamburg ist von der Fläche 30 mal größer. Und doch haben viele schon einmal von Tuvalu gehört - als Staat, der bedingt durch den Klimawandel zuerst im Meer versinken wird.
Quelle: ZDF
Tuvalu: Eine Nation im Metaversum
Hüfttief im Wasser hatte 2021 der damalige Außenminister von Tuvalu, Simon Kofe, medienwirksam eine Botschaft an die Delegierten der Klimakonferenz, COP 26, in Glasgow geschickt.
Wir sinken, so wie andere niedrig liegende Inselstaaten.
Simon Kofe, damaliger Außenminister von Tuvalu
Und er kündigte an, dass Tuvalu die erste digitale Nation werde - eine Nation, die im Metaversum erhalten bleibe, wenn der reale Inselstaat längst im Meer verschwunden sei. Zeitungen aus der ganzen Welt hatten über den sinkenden Inselstaat berichtet, der in der digitalen Welt überleben will. Eine tolle Story, die den Klimawandel dem Publikum emotional näher bringt.
Überraschende Begegnungen im Pazifik
Für uns ein Grund mehr, auf unserer Reise durch den Pazifik mal vorbeizuschauen. Soviel vorweg: Es war ein Besuch mit Überraschungen. Kaum gelandet treffen wir durch Zufall einen jungen Deutschen. Sami Alaoui ist 21 Jahre alt, Polizeischüler aus Düsseldorf, der sich hier einen Traum erfüllt - Urlaub auf Tuvalu, mitten im pazifischen Ozean. Touristen gibt es hier so gut wie keine, die touristische Infrastruktur praktisch nicht existent. Sami schläft mal bei der einen, mal bei anderen Familien - Couch-Surfing mitten im Pazifik. Die Leute seien freundlich und offen. Natürlich habe er mit den Menschen über den Klimawandel gesprochen und gefragt, ob die Inseln sinken würden, aber:
Für die Leute hier ist das kein Riesenthema.
Sami Alaoui, Polizeischüler aus Düsseldorf
Keine Spur von Untergangsstimmung
Wir machen uns auf Fongafale, der Hauptinsel, selbst ein Bild und tatsächlich sieht es auf den ersten Blick nicht danach aus, als würde die Insel kurz vor dem Untergang stehen. Wir fragen uns kreuz und quer über die Insel, aber niemand, den wir treffen, sorgt sich vor dem Untergang.
Auch von dem Projekt "First Digital Nation" hat niemand, mit dem wir sprechen, etwas gehört. Selbst als wir uns durch das Regierungsgebäude fragen: nur Kopfschütteln. Einmal heißt es, es sei wohl ein Projekt der Vorgängerregierung gewesen.
Als wir uns schließlich mit Maina Talia treffen, dem Innenminister Tuvalus, der auch für Umwelt und Klimapolitikzuständig, klingt alles plötzlich wieder sehr viel dramatischer. Tuvalu würde nicht erst in den nächsten 10-50 Jahren untergehen, sondern sei schon jetzt dabei, zu versinken und er sagt uns:
Es ist eine große Herausforderung, so isoliert vom Rest der Welt, das Thema richtig zu vermarkten und Unterstützer zu finden.
Maina Talia, Innenminister Tuvalu
Viele Millionen für die Rettung von Tuvalu
Eine Milliarde US Dollar möchte Tuvalu von internationalen Geldgebern zur Landgewinnung und Schutz der Inseln haben. Schon jetzt spült das Narrativ der sinkenden Insel riesige Millionenbeträge nach Tuvalu: in Projekte, die Arbeitsplätze schaffen und die die wirtschaftliche Zukunft sichern sollen.
Dass die Inseln Tuvalus aber schon am Absaufen sind, daran gibt es zumindest Zweifel. Eine Studie der Universität Auckland kommt 2018 zu dem Schluss, dass die Inseln der Atolle in den letzten vier Jahrzehnten trotz steigendem Meeresspiegel insgesamt um circa 3 Prozent gewachsen sind, nur wenige Inseln seien dabei geschrumpft. Wenn es keinen völlig unvorhergesehenen Anstieg des Meeresspiegel gebe, dann seien die Inseln auch noch in hundert Jahren bewohnbar, so die Autoren der Studie.
Dass der Klimawandel real ist, haben wir überall im Pazifik beobachtet. Größtes Problem ist der sich immer stärker aufheizende Ozean und die damit verbunden immer stärker werdenden Stürme. Das apokalyptische Narrativ von den untergehenden pazifischen Inselstaaten scheint uns aber zu weit zu gehen. Vielmehr folgt es wohl den politischen Interessen ganz unterschiedlicher Akteure.
Johannes Hano ist Asienkorrespondent und Leiter des ZDF-Studios Singapur.
Quelle: dpa
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