Albinisimus in Afrika: Aberglaube führt zu Gewalt an Betroffenen

Albinismus in Sambia:Wo Kinder wegen ihrer Haut gejagt werden

Porträt der ZDF-Studioleiterin Johannesburg Verena Garrett
von Verena Garrett
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Menschen mit Albinismus müssen in Afrika um ihr Leben fürchten. Tiefsitzender Aberglaube besagt, dass sie verflucht seien. Ein Besuch an einem Ort, wo sie sicher leben können.

Ein kleiner Junge mit Albininismus steht zwischen seinen schwarzen Klassenkameraden.
Menschen mit Albinismus sind in Afrika großer Stigmatisierung ausgesetzt. Ein Aberglaube besagt, dass sie verflucht sind - deswegen müssen sie sogar um ihr Leben fürchten.
Quelle: imago images

Es ist etwas Besonderes, dass Geshom Simpungwe heute Teil einer Klassengemeinschaft ist und dass er wieder lacht. Vor drei Jahren wurde er in seinem Dorf attackiert, von seiner eigenen Familie. Ihm wurde der Arm abgeschnitten, weil seine Haut und seine Haare heller sind. Denn Geshom hat Albinismus. Sein Onkel wollte die Hand zu Geld machen.
Heute ist er 15 Jahre alt und lebt im St. Odilia Internat in Mporokoso, einem kleinen Ort im Norden Sambias. Hier leben knapp 500 Schüler und Schülerinnen, viele davon mit Albinismus. Hier fühlt sich Geshom sicher, weil sie ihn so akzeptieren wie er ist.

Was passiert ist, ist passiert und ich kann es nicht ändern. Wenn die Gedanken an diese Nacht kommen, schiebe ich sie weg.

Geshom Simpungwe, Opfer von Gewalt gegen Menschen mit Albinismus

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Verfolgt für Körperteile

Das St. Odilia Internat ist eine der wenigen Schulen des Landes für Kinder mit Sehbehinderungen und ein Ort, wo junge Menschen mit Albinismus ohne Angst leben können. Immer wieder werden sie Opfer von Gewalt, besonders auf dem Land. Sie werden gejagt, manchmal werden sie auch getötet. Ihre Körperteile werden für magische Rituale genutzt, mit denen Hexendoktoren, Menschen zu Reichtum, zu politischer Macht, oder zur Heilung von unheilbaren Krankheiten verhelfen sollen.
Selbst betroffen ist auch der Aktivist John Chiti. Er sagt, hinter Geshoms Geschichte verberge sich tiefer Aberglaube. Die Körper von Menschen mit Albinismus besäßen Zauberkräfte von denen andere profitieren können, so die Annahme.
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Die Hände sind besonders begehrt, viele Menschen werden angegriffen und ihnen werden die Hände abgehackt.

John Chiti, Aktivist mit Albinismus

Laut der Albinismusstiftung Sambias hat einer von eintausend Menschen in Sambia Albinismus, Eltern verstecken ihre Kinder aus Scham oder geben sie weg. Wenn eine schwarze Frau ein weißes Kind gebärt, verbreiten sich Gerüchte. In der von geringer Bildung, Naturverbundenheit und magischem Denken geprägten Gesellschaft wuchert der Aberglaube.

Die häufigste Folge ist ein Mangel des körpereigenen Pigments Melanin in Haut, Haaren und Augen. Das macht Betroffenen anfällig für Sonneneinstrahlung und kann zu Hautkrebs und schweren Sehstörungen führen.

Betroffene in Sambia sterben meist an Hautkrebs, bevor sie 40 Jahre alt sind. Sonnencreme ist in Ländern wie Sambia kaum verfügbar oder extrem teuer. Sie wird zudem selten, wie gesetzlich vorgeschrieben, kostenlos an Menschen mit Albinismus verteilt. Eine Mitverantwortung dafür trägt die Weltgesundheitsorganisation WHO: Sie hat 2005 Sonnencreme von der Liste essenzieller, also unverzichtbarer Medikamente gestrichen.

Quelle: Vereinte Nationen

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Kampf und Aufklärung gegen uraltes Stigma

Aktivist John Chiti hat eine kleine Selbsthilfeorganisation gegründet, die Albinismus- Stiftung Sambias. Er geht in die Dörfer und klärt über die Ursachen von Albinismus, über die damit verbundenen Vorurteile und Mythen auf.
In der Schule verteilt Chiti kostenlose Sonnencreme, denn hier kann sie sich niemand leisten. Weil den Betroffenen Pigmente fehlen, sind Haut, Haare und Augen besonders empfindlich. Viele haben Hautkrebs. Auch die Netzhaut ist betroffen, die Kinder dadurch alle sehbehindert.
In ihren Heimatdörfern werden sie oft verstoßen, hier in der Schule gehören sie einfach dazu - auf Zeit.

Irgendwann müssen diese Kinder hier raus, und rein in dies Gesellschaft, um zu arbeiten oder zu heiraten.

John Chiti, Aktivist mit Albinismus

In diesem Umfeld zu leben, sei gut für ihre Sicherheit, sagt Chiti. "Aber das macht es auch schwierig, weil sie kein Vertrauen in die Welt da draußen haben".

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Sichtbarkeit und Schutz für Menschen mit Albinismus

Die Schule als geschützter Mikrokosmos in einem Land, in dem Menschen mit Albinismus oft versteckt in dunklen Hütten leben, wo sie niemand sieht. John Chiti wollte immer sichtbar sein. Er ist erfolgreicher Sänger, hat es trotz Widrigkeiten zu großem Ruhm verschafft. Er zählt zu den prominentesten Persönlichkeiten Sambias. Seine Stimme habe ihm Türen geöffnet, die aufgrund seiner Hautfarbe lange verschlossen waren, sagt er. Immer wieder betont er, dass es vor allem um eines geht: Mensch sein.
"Die Leute akzeptieren mich wegen meines Talents", sagt Chiti. Aber es gäbe da draußen auch welche, die Albinismus haben und nicht singen können. Er betont:

Sie müssen nicht beweisen, dass sie Menschen sind. Sie wurden geboren und leben und haben die gleichen Rechte, genau wie du und ich.

John Chiti, Aktivist mit Albinismus

Geshom sitzt in der ersten Reihe, damit er die Tafel gut sehen kann. Lesen und Schreiben hat er erst hier in der Schule gelernt. Im letzten Erdkundetest, den er aus der Tasche zieht, hat er die volle Punktzahl. Ein Alltag ohne Angst, eine Schule, wo anders aussehen keine Bedeutung hat. Die Kinder mit Albinismus erleben im St. Odilia Internat eine Gemeinschaft, die sie anderswo nicht hatten. Und dass sie vor allem eines sein können: ganz normale Kinder.
Verena Garrett ist Studioleiterin im ZDF- Studio Johannesburg.
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