Portugal: Minderheitsregierung will keine Zeit verschwenden

Neue Minderheitsregierung:Portugals Regierung: Keine Zeit verschwenden

Tilo Wagner
von Tilo Wagner, Lissabon
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Luís Montenegro, der konservative Premierminister, bekommt eine neue Chance. Die will er nutzen und schnell für politische Stabilität sorgen - in einer Minderheitsregierung.

Der portugiesische Premierminister Luís Montenegro kommt im Belem Palast an.
Politische Stabilität vorerst garantiert: Luís Montenegro, der designierte portugiesische Regierungschef, hat zweieinhalb Wochen nach den Wahlen eine Kabinettsliste vorgelegt.
Quelle: AFP

Luís Montenegro hat es eilig. Nur zweieinhalb Wochen nach den Parlamentswahlen hat der designierte portugiesische Regierungschef dem Staatspräsidenten seine Kabinettsliste vorgelegt. Die konservative Minderheitsregierung soll noch am heutigen Donnerstag vereidigt werden. Montenegro setzt überwiegend auf dasselbe Personal und beließ selbst die umstrittene Gesundheitsministerin im Amt. "Wir werden keine Zeit mit Nebensächlichkeiten, mit sterilen Debatten, mit politischem Gehabe verschwenden. Wir werden anpacken und anfangen, Probleme zu lösen" sagte Montenegro bei einem Treffen seiner PSD-Partei.
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Lange Liste mit Aufgaben

Die Liste der anstehenden Aufgaben ist seit dem Scheitern von Montenegros erster Regierung im März nicht kürzer geworden: Die Neuorganisation des staatlichen Gesundheitssystem kommt nicht voran, weil es an Ärzten und Krankenpflegern mangelt. 70.000 Migranten warten immer noch auf eine Antwort der Einwanderungsbehörde AIMA, die mit der Bearbeitung von Aufenthaltsgenehmigungen nicht hinterherkommt. Zudem muss die Regierung ihren internationalen Verpflichtungen gerecht werden und den Verteidigungsetat von derzeit 1,55 Prozent auf mindestens 2 Prozent anheben.

Regieren per Dekret

Wenn Luís Montenegro die Handlungsfähigkeit seiner Regierung unter Beweis stellen will, wird er vor allem per Dekret regieren müssen. Im Parlament, das am Dienstag zur konstituierenden Sitzung zusammengetreten ist, verfügt seine konservative Parteienkoalition Aliança Democrática (AD) nur über 91 von 230 Sitze. Eine Mehrheit braucht die Regierung jedoch spätestens, um im Herbst den Haushalt für das Jahr 2026 durchzubringen. Festlegen wollte sich Montenegro jedoch bislang nicht:

Wir werden mit allen politischen Kräften sprechen – auf der Suche nach den besten Lösungen für das Parlament und die Regierung.

Luís Montenegro, designierte Regierungschef

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Absage an Chega

Einem Bündnis mit der rechtspopulistischen Chega-Partei, die nun mit 60 Parlamentssitzen zur stärksten Oppositionspartei avanciert ist, hat Montenegro eine klare Absage erteilt. Dagegen scheint eine punktuelle Zusammenarbeit mit den Sozialisten wahrscheinlich. Nach der schweren Wahlniederlage der Sozialistischen Partei (PS) will der ehemalige Innenminister Luís Carneiro neuer Vorsitzender werden. Die Mitgliederwahl soll in wenigen Wochen über die Bühne gehen. Die Sozialisten haben sich im Parlament bereits neu orientiert und suchen den Dialog mit den Konservativen.

Wir hoffen, dass die Regierung erkennt, dass der Schutz der Institutionen durch die Parteien garantiert werden muss, die Teil des demokratischen Spektrums sind, die für die Verteidigung der Verfassung einstehen und sie bewahren wollen.

Pedro Delgado Alves, PS-Fraktionsvorsitzender

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Portugiesen wünschen sich Stabilität

Nach drei vorgezogenen Neuwahlen in den vergangenen drei Jahren wünschen sich viele Portugiesen mehr politische Stabilität. Das sagt die Politologin Paula do Espírito Santo von der Universität Lissabon: "Die Wählerinnen und Wähler sind es offensichtlich leid, in so kurzen Abständen und aus Gründen, die in der Öffentlichkeit nicht immer nachvollziehbar sind, ein neues Parlament wählen zu müssen."

Deshalb gibt es für die Sozialisten und die Konservative im Moment nur eine Lösung: sie müssen die Stabilität so weit wie möglich erhalten.

Paula do Espírito Santo, Politologin

Ein Vertrauensvorschub für die neue Minderheitsregierung gab es nun bereits im Parlament: Der Kandidat der konservativen Parteienkoalition AD, José Pedro Aguiar-Branco, wurde mit überwältigender Mehrheit (202 Stimmen) zum Parlamentspräsidenten gewählt. Die erste Feuerprobe folgt in rund zwei Wochen, wenn die Regierung ihr Programm im Parlament vorstellen muss. Die Kommunistische Partei hat für den ersten Auftritt von Luís Montenegro in der Lissabonner Volksvertretung ein Misstrauensvotum angekündigt. Politische Beobachter gehen jedoch davon aus, dass es scheitern wird.

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