"Es geht etwas verloren":Was bleibt, wenn Reporter gehen? Das Pentagon unter Hegseth
von Katharina Schuster, Washington D.C.
US-Verteidigungsminister Hegseth verschärft die Regeln für Reporter. Die lassen sich das nicht gefallen und gehen. Wie das Pentagon den Zugang für Journalisten neu regelt.
Verteidigungsminister Hegseth war früher selbst Moderator bei Fox News.
Quelle: AFP"Es geht etwas verloren", schreibt die Reporterin Nancy A. Youssef im Newsletter der US-Zeitschrift "The Atlantic". Es ist ihr letzter Tag im Pentagon, dem Hauptsitz des Verteidigungsministeriums der Vereinigten Staaten. Seit 2007 hatte sie einen Schreibtisch im Pentagon, den sie nun wie Dutzende andere Kolleginnen und Kollegen verlassen muss.
Nicht etwa wegen einer Kündigung, sondern weil neue Vorschriften der US-Regierung unter Präsident Donald Trump und seinem Verteidigungsminister Pete Hegseth den journalistischen Zugang zum Verteidigungsministerium - das die US-Regierung neuerdings "Kriegsministerium" nennt - drastisch beschneiden.
X-Post von Pete Hegseth
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Wie ändert sich die Pressearbeit unter Hegseth?
Das Pentagon legte Medien ein 21-seitiges Regelwerk zur Unterzeichnung vor. Vor allem stößt die Richtlinie auf breite Kritik, wonach Reportern die Akkreditierung entzogen werden kann, wenn sie ohne Genehmigung des Pentagons Informationen veröffentlichen, selbst wenn diese nicht geheim sind.
Viele Redaktionen, darunter "The Atlantic", Reuters, AP, NPR und "Washington Post", lehnten dies ab. Lediglich Journalisten des regierungsfreundlichen Senders One America News seien bereit gewesen, die neuen Regeln zu akzeptieren, und haben weiterhin Zugang zu Arbeitsplätzen im Ministerium, berichten US-Medien. Auch der den Republikanern nahestehende Sender Fox News, für den Pentagonchef Hegseth früher tätig war, weigerte sich, die neuen Regeln zu unterzeichnen.
Die "New York Times" schreibt etwa zur Begründung: "Journalisten der New York Times werden die überarbeitete Presseausweisrichtlinie des Pentagon nicht unterzeichnen, die ihnen Strafen für die normale Nachrichtenbeschaffung androht, die durch den Ersten Verfassungszusatz geschützt ist."
X-Post der New York Times
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Die Folge: Die Reporterinnen und Reporter der entsprechenden Medien mussten ihre Schreibtische räumen, ihre Presseausweise abgeben und das Pentagon verlassen.
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Doch ihr Arbeitsplatz geht nicht nur physisch verloren. Wo früher der freie Austausch mit Offizieren, Flurgespräche und spontane Hintergrundtreffen zum Alltag gehörten, herrschte seit Hegseth Misstrauen und Kontrolle, berichtet Tom Bowman, langjähriger Pentagon-Reporter für den US-Radiosender NPR. Auch er verließ am Mittwoch aus Protest das Pentagon.
Mitglieder des Pentagon-Pressekorps tragen ihre Habseligkeiten aus dem Pentagon.
Quelle: APDer Journalist erzählt ZDFheute:
Früher konnten wir uns im ganzen Gebäude frei bewegen. Es war fast wie ein riesiges Rathaus.
Tom Bowman, langjähriger Pentagon-Reporter für NPR
"Es gab regelmäßige Briefings, offiziell und im Hintergrund. Man konnte Leute auf dem Flur ansprechen und herausfinden, was bei Zivilisten und ranghohen Offizieren passiert." Das sei wichtig, um politische Nuancen zu verstehen oder Fragen zu stellen, "auch informell, vor oder nach Pressekonferenzen", so Bowman.
Gerade bei aktuellen militärischen Vorfällen, wie etwa den umstrittenen Angriffen auf angebliche venezolanische Drogenboote, habe es früher Hintergrundgespräche gegeben. Heute dagegen habe Hegseth in zehn Monaten nur zwei Mal den Presseraum betreten.
Zum Vergleich: Unter dem republikanischen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld 1975 bis 1977 in der Regierung Gerald Ford und 2001 bis 2006 in der Regierung George W. Bush hätten Pressekonferenzen teilweise zwei Mal pro Woche stattgefunden, berichtet der NPR-Reporter.
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Die neue Kommunikationsstrategie des Pentagon setzt auf Social Media, nicht auf Dialog. Journalisten wird der Zugang erschwert, direkte Nachfragen sind unerwünscht. Für Bowman ist das eine klare Aushöhlung demokratischer Kontrollmechanismen:
Wir dürfen immer noch berichten. Niemand sagt, dass wir es nicht dürfen. Aber sie errichten Hürden.
Tom Bowman, langjähriger Pentagon-Reporter für NPR
Bowman weiter: "Unsere Gründerväter hielten die Presse für so wichtig, dass sie ihr einen Platz im ersten Verfassungszusatz einräumten: Der Staat darf die Presse nicht einschränken."
Es gebe einen Führerkult und kaum Widerstand gegen antidemokratische Kräfte, so US-Philosoph Jason Stanley. Das Land sei schon "seit langem keine gesunde Demokratie" mehr gewesen.
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Der Ausschluss aus dem Pentagon werde ihre Berichterstattung erschweren, aber er werde sie nicht aufhalten. "Wir alle haben gute Quellen, sowohl aktive als auch pensionierte", sagt Bowman im Gespräch mit ZDFheute.
Der Versuch, die Presse daran zu hindern, ihre Arbeit zu tun - herauszufinden, was in unserem Namen und mit unserem Geld getan wird, und vor allem, warum unsere Söhne und Töchter in Gefahr gebracht werden -, ist wie der Versuch, die Gezeiten des Ozeans aufzuhalten.
Tom Bowman, langjähriger Pentagon-Reporter für NPR
Zum Abschied hinterließen Reporter Schilder an ihren geräumten Arbeitsplätzen im Pentagon. Aufschrift: "Journalismus ist kein Verbrechen." Wie die Journalisten berichten, ließ das Pentagon sie entfernen.
Katharina Schuster ist Reporterin im ZDF-Studio in Washington D.C.
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