Land zwischen den Fronten:Kriegsangst und Wiederaufbau-Träume im Libanon
Der Libanon hat unter US-israelischem Druck die Entwaffnung der Hisbollah verkündet - die Regierung begrüßt einen Plan der Armee. Irans Regime will nicht auf die Miliz verzichten.
Drohnen, Angst, zerstörte Häuser: Im Südlibanon leben Familien zwischen Krieg, Stillstand und Machtkämpfen. Ein Alltag voller Unsicherheit und der Kampf um ein Stück Heimat.
03.09.2025 | 6:43 minJe näher die Grenze zu Israel, umso gewaltiger die Trümmer. Neun Monate nach dem Waffenstillstand ist nichts normal im Süden des Libanon. Zwischen Pinien und Zypressen liegen Betonschutt und verbrannte Häuserskelette. Eine Geisterlandschaft. Kaum jemand ist zurückgekehrt. Wer kommt, hört Tag und Nacht israelische Drohnen. Wasser und Strom gibt es schon lange nicht mehr. Wagt einer den Wiederaufbau seines Hauses, riskiert er einen israelischen Angriff. "Uns ist klar geworden: Die Israelis wollen hier eine Pufferzone errichten, um ihre Grenzen zu schützen. Und wir sind die Opfer dieser Politik", sagt Jihad Diab, Ortsvorsteher des Dorfes Kfar Shouba.
Aber so wie die Israelis in ihren Dörfern drüben leben wollen, wollen wir hier doch auch auf unserem historischen Land leben.
Jihad Diab, Ortsvorsteher Kfar Shouba
Was macht der Krieg im Libanon mit den Menschen? Wie kontrolliert die Hisbollah das Narrativ ihres Krieges - und wie sichert sie ihre eigene Zukunft im Land?
21.11.2024 | 29:33 minWaffen der Hisbollah-Miliz werden eingesammelt
In den christlichen Dörfern im Süden ist das Leben nur scheinbar normal. Weil die Nachbarorte leer sind, gebe es kaum noch Arbeit, erzählen die Einwohner von Rmeich nach dem Sonntagsgottesdienst. Anbauen und ernten sei kaum möglich: Sprengsätze liegen in den Feldern - oder Israels Streitkräfte haben die Olivenbäume mit Bulldozern planiert.
Alle blicken voller Anspannung auf das Experiment, das dem Land bis Jahresende bevorsteht: So wie die Armee im Süden nach und nach einzieht und die Waffen der Hisbollah-Miliz einsammelt und unter staatliche Aufsicht bringt, soll es im ganzen Land passieren, hat Libanons christlicher Präsident Joseph Aoun verkündet. Eine historische Entscheidung. Gelingt das - ohne Zusammenstöße zwischen Armee und Hisbollah?
Heute hat die libanesische Regierung positiv auf den Plan der Armee regiert. Das Kabinett habe "die Präsentation des Armeechefs über den Plan zur Kenntnis genommen und begrüßt", sagte Informationsminister Paul Morcos nach der Sitzung in der Hauptstadt Beirut. Armeechef Rodolph Haikal habe die Details des Plans umfassend erläutert, sagte Morcos weiter. Der Inhalt sowie die Beratungen dazu würden zunächst vertraulich behandelt, hieß es.
Nach fast 50 Jahren beendet der UN-Sicherheitsrat das Mandat der Friedensmission im Libanon. Die Soldaten sollen bis Ende 2026 abziehen.
29.08.2025 | 1:51 minUSA versprechen Milliardenhilfen und Wiederaufbau
Das kleine Land wird zwischen zwei Fronten zerrieben. Israels Streitkräfte besetzen immer noch mindestens fünf Punkte im Süden. Nach der Waffenruhe hat Israels Militär hunderte Male angegriffen, nahezu täglich. Nahezu monatlich treffen in Beirut die Trump-Sondergesandten ein und fordern die Entwaffnung der Miliz. Im Gegenzug versprechen die USA Milliardenhilfen und Wiederaufbau.
"Ausländische Mächte sollten dem Libanon keine Befehle erteilen", kontert Irans Regime. Und erteilt selbst Befehle. Als Irans nationaler Sicherheitschef Ali Larijani, der nun de facto die führungslose Hisbollah anführt, in Beirut eintrifft, "empfiehlt" er der Regierung, auf die Hisbollah zu hören - die eine Entwaffnung ablehnt. Libanons Außenminister weigert sich, Larijani zu treffen. Die Führung in Beirut verbittet sich jegliche "iranische Einmischung".
Hilfsorganisationen bewerten die organisierte Luftbrücke nach Gaza kritisch. Sie sehen darin vor allem eine Imagekampagne. ZDF-Korrespondentin Golineh Atai berichtet.
29.07.2025 | 1:20 minForderung nach souveränem Libanon
Ronnie Chatah ist eine der bekanntesten Stimmen im Land, die sich gegen Irans Einmischung erheben und einen souveränen Libanon fordern: "Wenn die Hisbollah nicht entwaffnet werden kann - und als Staat im Staate hier weiter vom Iran gegen Israel eingesetzt werden kann - dann wird Israel sicher mehr und mehr hier bombardieren."
Das kann den Libanon zerstören. Und einen vollends gescheiterten Staat zur Folge haben.
Ronnie Chatah, Autor und Journalist
Chatah ist der Sohn eines pro-westlichen Ministers, der in einem der Hisbollah zugeschriebenen Anschlag ums Leben kam. "Die Hisbollah ist eine Gewaltmaschine, die das Land auf den Kopf gestellt hat. Seit Jahrzehnten reden wir über ihre Entwaffnung. Es wird in Phasen passieren. Langsam und vorsichtig", sagt Chatah.
"Trump-Wirtschaftszone" im Südlibanon
Klappt die Entwaffnung, soll im Südlibanon eine "Trump-Wirtschaftszone" entstehen, versprechen die USA. Garantien gebe es keine, so der Vorwurf der Einwohner.
Am Weltflüchtlingstag wird an die 122 Millionen Menschen erinnert, die ihre Heimat verloren haben. Besonders dramatisch ist die Lage im Sudan, wo seit zwei Jahren Krieg herrscht.
20.06.2025 | 1:43 minDie Vereinten Nationen zählen fast hundert Zivilisten, die seit dem Waffenstillstand durch israelische Angriffe getötet wurden. Menschen wie die Frau, die Tochter und den Schwiegersohn von Hassan Daher, der im südlibanesischen Dibbin eine Grillstube betreibt. Auf der Terrasse hängten die Frauen gerade die Wäsche auf, erzählt er, der Schwiegersohn brachte gerade Kaffee - als die Drohne auf sie zielte. Dutzende kleine Splitter haben sich in die Wände gefressen.
Laut Israels Militär soll sich hier ein Hisbollah-Waffenlager befunden haben. Daher sagt er, er sei nicht mal ein Parteigänger der Hisbollah. Israel habe doch gewusst, dass sie Zivilisten sind - glaubt er felsenfest. Seit Frau und Tochter tot sind, ist er ein gebrochener Mann: "Meine Söhne und ich - wir fühlen uns so verloren. Ich versuche so sehr, meinen Söhnen zu ermöglichen, wegzugehen."
In Europa - da hätten sie Sicherheit, Rechte und Menschenwürde.
Hassan Daher, Bewohner
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