Georgiens "Agenten"-Gesetz: Parlamentspräsident im Interview

Interview

"Agenten"-Gesetz in Georgien:"Glaube nicht, dass wir Weg in EU riskieren"

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Trotz Kritik der EU und Massenprotesten will Georgiens Regierung das "Agenten"-Gesetz durchsetzen. "Am Ende geht es um Transparenz", sagt Parlamentspräsident Papuaschwili.

Zwei Demonstranten mit georgischer National- und EU-Flagge gehen während eines Protestes der Opposition gegen das «russische Gesetz» im Zentrum von Tiflis
In Tiflis wird gegen das sogenannte "russische Gesetz" demonstriert. Mit dem neuen "Agenten"-Gesetz wird eine zukünftige Drangsalierung regierungskritischer Oppositionen und Medien befürchtet.
Quelle: dpa

Georgiens Parlamentspräsident Schalwa Papuaschwili hat das umstrittene Gesetzesvorhaben zu "ausländischer Einflussnahme" verteidigt. Er denke nicht, dass das Gesetz einem EU-Beitritt entgegenstehe, so der Politiker der Regierungspartei "Georgischen Traums" im ZDF-Interview.
Die Regierungsmehrheit will mit dem Vorhaben angeblich mehr Transparenz bei der Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen durch das Ausland herstellen. Kritiker befürchten, dass es, ähnlich wie in Russland, zur Drangsalierung von regierungskritischen Organisationen und Medien genutzt werden soll.
Seit Wochen gibt es deshalb massive Proteste der Bevölkerung. Die Demonstranten sehen den Weg ihres Landes zu einer EU-Mitgliedschaft in Gefahr. Georgien ist seit Dezember 2023 EU-Beitrittskandidat.
ZDFheute: Herr Papuaschwili, warum riskieren Sie für dieses eine Gesetz den Weg Ihres Landes in die EU? Die EU hat das Gesetz ja ein Hindernis für einen Beitritt Georgiens genannt.
Schalwa Papuaschwili: Ich glaube nicht, dass wir damit den Weg in die EU riskieren. Wir hören, dass es bestimmte Einschätzungen gibt. Was die endgültige Position sein wird, wird man noch sehen. Am Ende geht es um Transparenz.

Und ich kann mir nicht vorstellen, dass Transparenz gegen EU-Werte verstößt.

Parlamentspräsident Schalwa Papuaschwili

Ich glaube, dass es genau umgekehrt ist: Dass die Transparenz insbesondere von ausländischen Einflüssen in jedem Land gewährleistet sein soll. Und das ist auch eine Initiative, die gerade in der EU selbst diskutiert wird.
ZDFheute: Und das ist Ihnen wichtiger als der EU-Beitritt?
Papuaschwili: Der EU-Beitritt ist ein Prozess, ein Weg. Lang oder kurz, das wird man noch sehen. Und wir hoffen, dass es ein kurzer Weg sein wird.
Es gibt viele andere Bereiche, in denen man dafür arbeitet, dass man die georgischen Gesetze und das georgische System für die EU tauglich macht. Was die Transparenz betrifft: Es ist in erster Linie im Interesse des georgischen Volkes zu wissen, was für Geld in Georgien reinfließt, wofür es ausgegeben wird. Deshalb ist es natürlich wichtig, dass die Interessen unserer Bevölkerung gewährleistet werden.
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ZDFheute: Sehen Sie die Parallele zur Ukraine? Da hat das vor zehn Jahren ganz ähnlich angefangen: Da war eine Regierung, die den europäischen Prozess aufgegeben hat. Die Jugend ging auf die Straße. Das sind ähnliche Bilder, die man jetzt hier sieht.
Papuaschwili: Es gibt gar keine Parallele. In der Ukraine ging es damals um ein Assoziierungsabkommen, es ging um Janukowitsch (den ukrainischen Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch, Anm. d. Redaktion) und seinen Weg.
Diese Regierung hier ist die Regierung in Georgien, die alle Fortschritte in Richtung EU gebracht hat. Alle, angefangen mit dem Assoziierungsabkommen.
Es war unsere Regierung, die diese Verhandlungen erfolgreich durchgeführt hat und das Assoziierungsabkommen unterschrieben hat. Das war unsere Regierung, die die Visa-Liberalisierung gebracht hat. Das war unsere Regierung, die das Freihandelsabkommen unterschrieben hat. Das war unsere Regierung, die den Kandidatenstatus für Georgien gesichert hat.
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ZDFheute: Und jetzt riskieren Sie das alles für ein Gesetz?
Papuaschwili: Manche mögen sich vorstellen, dass das ein Risiko sein soll. Aber das ist genau der Punkt, zu dem wir auch bereit sind, mit unseren EU-Kollegen zu sprechen. Entweder sind wir uns einig, dass Transparenz ein gemeinsamer Wert ist, den wir teilen, oder man soll sagen, dass Transparenz nur für EU-Bürger gilt und nicht für die Bürger, die nicht EU-Bürger sind.
Das Interview führte Armin Coerper.
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