mit Video
Machtwechsel in Sicht:Bolivien steuert auf Stichwahl zu
|
Erste Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen in Bolivien deuten auf eine Stichwahl hin. Nach fast zwei Jahrzehnten linker Regierungen ist ein Machtwechsel nun wahrscheinlich.
In Bolivien wird laut vorläufigen Ergebnissen eine Stichwahl über die künftige Staatsführung entscheiden. Keiner der Bewerber erreichte im ersten Durchgang die erforderliche Mehrheit, wie die Wahlbehörde nach Auszählung von etwa 90 Prozent der Stimmen mitteilte.
Klar ist aber schon jetzt, dass nach fast zwei Jahrzehnten linker Regierungen ein politischer Richtungswechsel in dem südamerikanischen Land bevorsteht.
Paz und Quiroga werden gegeneinander antreten
Am 19. Oktober treten die beiden Kandidaten gegeneinander an, die im ersten Durchgang die meisten Stimmen erhielten. Dies sind Senator Rodrigo Paz Pereira von der christlich-demokratischen Partei "Partido Demócrata Cristiano", die der politischen Mitte zugerechnet wird, und Ex-Präsident Jorge Quiroga von der rechtsgerichteten Partei "Libertad y Democracia" (Freiheit und Demokratie).
Paz erhielt laut ersten Ergebnissen zwar mehr Stimmen als Quiroga, aber nicht genug, um eine Stichwahl zu vermeiden. Neben der Präsidentenwahl wurde auch ein neues Parlament bestimmt.
Politischer Machtkampf
Die Politik war lange vom Machtkampf zwischen Ex-Präsident Evo Morales und dem scheidenden Staatschef Luis Arce der linken Partei "Movimiento al Socialismo" (MAS) geprägt. Die Wahl markiert einen Einschnitt im politischen Machtgefüge. Arce trat wegen sinkender Beliebtheit nicht mehr an, Morales durfte wegen der verfassungsrechtlichen Amtszeitbegrenzung nicht mehr antreten. Zudem sieht sich Morales einem Haftbefehl wegen sexuellen Missbrauchs einer Minderjährigen ausgesetzt.
Trotz juristischer Probleme hat der erste indigene Präsident des Landes noch immer viele Anhänger. Vor der Wahl hatte Morales die Bevölkerung dazu aufgerufen, ungültige Stimmen abzugeben.
Linker Kandidat wurde bei Stimmabgabe attackiert
Am Rande der Abstimmung kam es zu Zwischenfällen. Der linke Kandidat Andrónico Rodríguez wurde nach seiner Stimmabgabe von mutmaßlichen Anhängern des Ex-Präsidenten Morales mit Steinen attackiert. Anstatt den linken Kandidaten zu unterstützen, der einst als sein politischer Erbe galt, hat Morales Rodríguez als Verräter gebrandmarkt.
Wenige Stunden zuvor war am selben Ort die Detonation eines Sprengsatzes gemeldet worden. Über Verletzte lagen zunächst keine Informationen vor.
Schwere Wirtschaftskrise
Bolivien zählt zu den ärmsten Ländern Südamerikas und steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise. Überschattet wurde die Wahl von der höchsten Inflation seit vier Jahrzehnten, die für die Wähler das bestimmende Thema war. Die Teuerung hat sich seit Jahresbeginn auf 23 Prozent verdoppelt, zudem sind Treibstoff und Dollar knapp geworden.
Für die internationale Politik spielt Bolivien auch wegen seiner großen Lithiumvorkommen eine wichtige Rolle. Deutsche Unternehmen hoffen auf bessere Investitionsbedingungen unter einer neuen Regierung.
Quelle: dpa, AP, AFP, Reuters
Mehr zum Thema Bolivien
Unterstützer von Präsident Arce:Bolivien: Demonstrationen nach Putschversuch
- mit Video
Zerstörter Boden in Bolivien:Nach dem Quinoa-Boom bleiben die Probleme
von Ronja Bachofer Rohstoff aus Bolivien:Kampf um größten Lithium-Schatz der Welt
von Tobias Käufer