Albanien: Kleine Schritte Richtung EU - Hürde Korruption

EU-Beitrittsverhandlungen:"Korruption ist Krebskrankheit" Albaniens

von Alara Yilmaz
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Das Westbalkanland Albanien ist entschlossen, bis 2030 EU-Mitglied zu werden. Die Kommission sieht aber Herausforderungen - vor allem im Kampf gegen Korruption.

Tirana
Albanien hat große Schritte im Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität gemacht. Trotzdem bleiben Probleme. Dazu kommen zunehmender Arbeitskräftemangel und Abwanderung.18.12.2024 | 2:24 min
In der Küche seines Restaurants in Tirana fühlt sich Ismet Shuhu wohl. Zwischen Brot, Burek und Baklava erzählt er von seinem Stolz auf die Entwicklung Albaniens.

Wir sind kein Armenhaus mehr.

Ismet Shuhu, Restaurantbesitzer

Der 35-jährige Koch hat leuchtende Augen, als er das sagt. Nach langen Auslandsaufenthalten hat er sich wieder ein Leben in seiner Heimat aufgebaut. Er machte aus einer alten Kaserne ein florierendes Restaurant. Albanien sei bereit sich zu verändern, sagt Ismet. Deswegen sei man "auf einem sehr guten Weg Richtung EU".
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Korruption bleibt ein ernstes Problem

Den Weg geht Albanien schon seit zehn Jahren. Doch der Beginn der Beitrittsverhandlungen verzögerte sich aufgrund von Vetos einzelner Mitgliedsstaaten. Im Juli 2022 wurden die Verhandlungen offiziell eröffnet - dauern werden sie laut Experten aber noch Jahre. Vor dem EU-Gipfel mit sechs Westbalkanstaaten an diesem Mittwoch verzeichnete Albanien immerhin kleine Fortschritte - die EU und Albanien eröffneten zwei von insgesamt 35 Verhandlungskapiteln zu den Außenbeziehungen und zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
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Vor zwei Jahren begannen die Gespräche über einen EU-Beitritt Albaniens. In einer neuen Phase geht es nun unter anderem um die demokratischen Institutionen.15.10.2024 | 2:35 min
Doch das Westbalkanland muss noch über hohe Hürden: Vor allem im Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität. Seit vier Jahren arbeitet eine Sonderkommission daran, Vergehen auf höchster Regierungsebene zu untersuchen. Trotz Anklagen gegen Minister und Beamte bestätigt der EU-Kommissionsbericht von 2023: Korruption bleibt weiterhin ein ernstes Problem. Auch der Südosteuropa-Experte Vedran Džihić von der Universität Wien fasst es so zusammen:

Korruption ist die Krebskrankheit der albanischen Gesellschaft.

Vedran Džihić, Südosteuropa-Experte

Regierungschef Edi Rama: Licht und Schatten

Viele machen Edi Rama verantwortlich - der albanische Regierungschef ist sehr umstritten. Er steht für beides: wirtschaftlichen Aufschwung und Korruption. In seiner Amtszeit begann der Tourismus im neu entdeckten Urlaubsland zu wachsen. Für ein Land, das unter einer hohen Arbeitslosenrate und Abwanderung der jungen Bevölkerung leidet, ein Lichtblick.
Gleichzeitig werfen ihm Opposition und Aktivisten vor, das Land seit elf Jahren in eine Autokratie zu verwandeln. Ihre Wut entlädt sich regelmäßig bei Regierungssitzungen oder bei Protesten, bei denen auch schon mal Molotow-Cocktails fliegen. In Albanien bestehen tiefe Gräben zwischen der Regierung und der Opposition, sagt Džihić. Die Dialogfähigkeit der beiden Parteien spiele aber eine entscheidende Rolle auf dem Weg des Landes in die EU.
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In Albanien kam es bei Protesten gegen die Regierung zu Ausschreitungen. Neben Korruption wird dem sozialistischen Ministerpräsidenten Rama vorgeworfen, Gerichte zu beeinflussen. 27.11.2024 | 0:16 min

Beitritt Albaniens wäre für EU wichtiger Schritt

Auch wenn zu Edi Rama in Albanien die Meinungen auseinander gingen - in Brüssel sei das anders, sagt Südosteuropa-Experte Džihić. Der Regierungschef stehe in den Augen der EU momentan gut da, denn "man braucht Erfolgsbeispiele im Bereich der EU-Erweiterung". Und Albanien gelte derzeit als einer der Staaten, der dies am schnellsten schaffen könnte.
Der Beitritt Albaniens wäre für die EU ein wichtiger Schritt. Auf dem Westbalkan konkurriert Europa mit weiteren geopolitischen Akteuren. Sowohl Russland als auch China versuchen ihren Einfluss auszubauen. Während China seine wirtschaftliche Macht verstärke, beispielsweise durch Investitionen in Serbien, spiele Russland eher die Rolle des "Störfaktors", so Džihić. Durch Desinformation versuche der Kreml, die Region zu destabilisieren. Für die Europäische Union sei das Erstarken dieser beiden Staaten ein Grund, den eigenen Einfluss in der Region zu verstärken. Der proeuropäische Ministerpräsident Rama bleibt damit ein gewünschter Verhandlungspartner.
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Viele junge Albaner gehen zum Arbeiten ins Ausland

Außerdem kämpft das Land weiterhin mit einem zunehmenden Arbeitskräftemangel, da viele junge Albaner ihre Heimat verlassen, in den letzten zehn bis 15 Jahren mehr als 800.000. Unternehmen müssen Arbeitskräfte aus Asien oder Afrika anwerben, besonders für den aufstrebenden Tourismussektor. Albanien, mit einem durchschnittlichen Stundenlohn von 2,50 Euro pro Stunde, bleibt weit hinter den EU-Standards zurück.
Auch deswegen hoffen viele Albaner auf bessere Zeiten als Mitglied der EU. Mehr als 70 Prozent der Bevölkerung sei derzeit für den EU-Beitritt, so Džihić. Zu ihnen zählt Restaurantbetreiber Ismet. Er habe einen gut bezahlten Job in England aufgegeben, sagt er, während der sein Messer durch ein krosses Kartoffelbrot gleiten lässt, weil er eine Zukunft für seine Heimat sieht. Er sei stolz, dass nun so viele Gäste in sein Land kommen.
Auswandern will er heute nicht mehr. Und er glaubt, dass immer mehr Menschen bleiben wollen. Aus einem einfachen Grund:

Albanien wird von Tag zu Tag schöner.

Ismet Shuhu, Koch








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