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FAQ
Viele Tote nach Massaker:Warum die Gewalt in Nigeria wieder eskaliert
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Wieder sorgt ein Massaker in Nigeria für Entsetzen. Schätzungen zufolge wurden mehr als einhundert Menschen ermordet. Wieso kommt es immer wieder zu solchen Gewaltausbrüchen?
Nigerianische Soldaten patrouillieren in Kuriga, Kaduna Nigeria.
Quelle: dpa
Im Ort Yelwata, der im Bundesstaat Benue im Zentrum Nigerias liegt und mitunter Yelewata geschrieben wird, sind jüngsten Schätzungen zufolge bei einem Überfall möglicherweise mehr als 200 Menschen ermordet worden.
Nach Behördenangaben sind mehr als 6.000 Menschen auf der Flucht. Mehr als tausend Haushalte und damit insgesamt 6.527 Menschen seien betroffen, teilte die nationale Katastrophenschutzbehörde Nema am Montag mit. Viele der Vertriebenen bräuchten dringend Lebensmittel, Trinkwasser, medizinische Versorgung und andere Hilfsgüter.
Schon lange erlebt die Region, die als Kornkammer Nigerias gilt, Überfälle und Angriffe.
Was hat sich in der Nacht von Freitag auf Samstag im Bundesstaat Benue ereignet?
Bewaffnete haben den Ort Yelwata überfallen. Einigen Medienberichten zufolge soll es sich bei den Angreifern um Viehhirten gehandelt haben. Zunächst wurden offiziell 45 Todesopfer bestätigt. Der Vatikan spricht jedoch von mehr als 200 Ermordeten. Dort heißt es auch, dass die Mehrheit der Opfer Binnenvertriebene waren, die zuvor in einer katholischen Mission Zuflucht gefunden hatten.
Andere Medien sowie die nationale Nothilfe-Agentur Nema bestätigen das jedoch nicht. Amnesty International spricht von mehr als 100 Toten. Laut Amnesty wurden viele Familien in ihren Häusern eingesperrt und verbrannten in ihren Schlafzimmern. Dutzende Verletzte seien ohne ausreichende medizinische Versorgung zurückgelassen worden.
Wie reagiert die Regierung von Bola Tinubu, der seit 2023 Präsident ist, auf den Anschlag?
Am späten Sonntagabend bezeichnete Tinubu auf der Plattform X die Gewalt als unmenschlich und fortschrittsfeindlich. Sicherheitsbehörden müssten entschieden handeln und die mutmaßlichen Täter strafrechtlich verfolgen.
Wie reagiert die Bevölkerung auf das Massaker?
In Benues Hauptstadt Makurdi hat es lokalen Medien zufolge am Sonntag Proteste gegeben. Vor allem Jugendliche forderten ein Ende der Gewalt und kritisierten Gouverneur Hyacinth Iormem Alia. Remigius Ihyula, Direktor des Caritas-Komitees für Gerechtigkeit, Entwicklung und Frieden der Diözese Makurdi, sagt im Gespräch mit der KNA jedoch: "Wir sind nicht komplett geschockt. Hier werden täglich Menschen ermordet."
Die Gewalt ist also nicht neu?
Nein - laut einer Ende Mai veröffentlichten Untersuchung von Amnesty International wurden in den beiden ersten Amtsjahren Tinubus mindestens 6.896 Personen in Benue getötet.
Welche Ursachen hat die Gewalt?
Es gibt unterschiedliche Interpretationen: Lange wurde in Nigerias Middle Belt - ein geografischer Gürtel, der sich von Ost nach West zieht, - vom Farmer-Viehhirten-Konflikt gesprochen. Mit der wachsenden Bevölkerung begann ein Kampf um fruchtbares Weide- und Ackerland. Konflikte entstanden, weil Vieh bestellte Felder zerstörte, Bauern aber auch einstige Weidekorridore und Wasserstellen blockierten.
Mitunter erhielt die Auseinandersetzung einen religiösen Anstrich: Die sesshaften Bauern bekennen sich überwiegend zum Christentum, während die Hirten der ethnischen Gruppe der Fulani angehören und Muslime sind. Deshalb wurde - verschiedenen Experten zufolge fälschlicherweise - von Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen gesprochen.
Welche Rolle spielt der Klimawandel?
Dieser wird in Nigeria zunehmend als Konflikttreiber wahrgenommen. Wegen knapper werdender Weideflächen müssen Hirten weiter in Richtung Süden ziehen, was zu Konflikten führt. Lassen sich Flächen wegen des Klimawandels nicht mehr bebauen, fehlen Jobs; gleichzeitig verschlechtert sich die Versorgungslage.
Gibt es Verbindungen zu terroristischen Gruppen?
Eine zeitlang wurden Fulani-Hirten in Nigeria per se als Terroristen abgestempelt. In der Lesart mancher nutzen islamistische Terrorgruppen - im Nordosten des Landes sind weiterhin die Gruppen Boko Haram und der "Islamische Staat in der Westafrikanischen Provinz" aktiv - Viehhirten, um sich weiter in Richtung Süden auszubreiten. Teilweise wird vom Versuch der Islamisierung gesprochen. Ebenso möglich ist auch, dass bewaffnete Banden ohne ideologische Agenda für die Überfälle verantwortlich sind.
Quelle: KNA, dpa, AFP
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