Weihnachtsmärkte im November:Weihnachten XXL: Wenn die Vorfreude kippt
von Michael Kniess
Wenn Glühweinduft schon vor dem ersten Advent lockt: Frühe Weihnachtsmärkte bringen Seelenwärme und Umsatz. Über den schmalen Grat zwischen Vorfreude und Erwartungsdruck.
Die Saison der Weihnachtsmärkte ist offiziell eröffnet. Wer schon Anfang November in besinnliche Stimmung kommen möchte, kann über den Weihnachtsmarkt in Essen flanieren.
04.11.2025 | 1:47 minLängst liegt Glühweinduft in der Luft und "Last Christmas" schallt einem beim herbstlichen Bummel durch die Innenstädte entgegen. Lange bevor das erste Türchen des Adventskalenders geöffnet werden will, haben Weihnachtsmärkte vielerorts bereits ihre Pforten geöffnet.
Hinter der frühen festlichen Kulisse steckt die Sehnsucht nach der heimischen, gemütlichen und besinnlichen Zeit, aber auch Kalkül.
Mit Glühwein sitzt das Geld lockerer
"Je länger man das umsatzstarke Weihnachtsgeschäft ausdehnt, umso besser für den Handel", sagt Professor Martin Köllner. Aus Sicht des Motivationspsychologen am Campus Fürth der SRH University ist ein früher Weihnachtsmarkt für Städte doppelt attraktiv: Er belebt die Innenstadt und stärkt das Gemeinschaftsgefühl.
Man bietet einen verbindenden Ort und gleichzeitig zieht man Besucher an, was den örtlichen Handel freut.
Martin Köllner, Motivationspsychologe
Die Verkaufszahlen im Einzelhandel sind in den letzten Monaten deutlich zurückgegangen. Vor dem Weihnachtsgeschäft hofft die Branche nun auf einen Aufschwung.
04.11.2025 | 1:52 minHändler, Anbieter und Städte spielten gezielt mit der Konvention, dass man sich zu Weihnachten etwas schenkt, so Köllner. Sie übertragen positive Emotionen wie Geborgenheit, Freude und Nostalgie, die mit Weihnachten verbunden sind, auf ihre Angebote. Die Wirkung: ein Glühwein in der Hand, die Lichter im Blick - und schon sitzt das Portemonnaie lockerer.
Weihnachtsmarkt als emotionaler Anker
"Christmas Creep" - so nennt Kommunikationsdesignerin Gina Schöler das allmähliche Vorrücken des Weihnachtsgeschäfts in immer frühere Wochen. "Weihnachtsmärkte, Sonderangebote und Deko sollen Konsumenten aktivieren und Kaufbedürfnisse steigern."
Weihnachten ohne Geschenke - vielen würde eine Last von der Seele fallen. Es gäbe weniger Müll und weniger Überproduktion. Was würden wir dadurch verlieren, was gewinnen?
13.12.2024 | 3:00 minPsychologisch gesehen ist Weihnachten jedoch mehr als Kommerz. In potenziell unsicheren Zeiten fungiert das Fest als emotionaler Anker, so Schöler, die sich auch mit positiver Psychologie und Glücksforschung beschäftigt.
Mit den Weihnachtsmärkten entsteht oft der Gedanke, dass jetzt etwas Schönes beginnt, das emotionalen Rückhalt bietet.
Gina Schöler, Glücksforscherin und Autorin
Wenn aus Vorfreude Überforderung wird
Für Schöler ist der Frühstart in die Weihnachtsmarktsaison oft eine Win-Win-Situation: "Der Handel profitiert, die Menschen nehmen positive Erlebnisse mit nach Hause - so lange es im gesunden Rahmen bleibt." Doch genau dieser Rahmen kann schnell ins Wanken geraten. Wird das Fest über Wochen gestreckt, wird aus Vorfreude leicht Überforderung.
Weihnachten birgt oft Stress, da es mit hohen Erwartungen verbunden ist. Experten empfehlen daher, die Erwartungen zu reduzieren, um die Feiertage entspannter zu gestalten.
22.12.2023 | 1:34 min"Weihnachtsmärkte bedienen unsere tief verankerten Wünsche nach Ruhe, Frieden und Geselligkeit", sagt Motivationspsychologe Köllner.
Aber wer keinen Freundes- oder Familienkreis hat, kann durch all die Bilder und Reize schmerzlich an die eigene Einsamkeit erinnert werden.
Martin Köllner, Motivationspsychologe
Und auch wer sozial eingebunden ist, spürt den Druck. Köllner warnt: "Wenn über viele Wochen ständig Idealbilder des perfekten Fests präsentiert werden, steigt der Erwartungsdruck."
Vorweihnachtstipp: Nicht jede Einladung annehmen
Die ständige Beschallung mit Glöckchenklang und Lichtermeer könne zudem schnell zu Abstumpfung führen. Der Zauber verliere an Strahlkraft. Reize, die anfangs als festlich empfunden werden, nerven irgendwann nur noch.
Die Verlängerung des festlichen Modus erhöht die Zeitspanne, in der positive Gefühle gehalten werden sollen. Gleichzeitig steigen Erwartungen - an das Erlebnis, an Geschenke, an Zusammenkünfte. Das kann zu Ermüdung, Enttäuschung und Stress führen.
Gina Schöler, Kommunikationsdesignerin
Tannenduft, Kinderlachen und ein weißbärtiger Weihnachtsmann - all das ist Weihnachten. Was die historischen Ursprünge des christlichen Fests sind.
11.12.2023 | 44:05 minStudien etwa der Harvard Medical School zeigen, dass die Weihnachtszeit zwar Freude, aber auch erhöhte finanzielle und soziale Belastungen mit sich bringt. Je länger Weihnachtsmärkte dauern, desto häufiger wird man gefragt, noch schnell etwas zu unternehmen. "Auch das führt wieder zu Erwartungsdruck, der ungesund werden kann", betont Köllner.
Der Rat von ihm und Schöler: Nicht jede Einladung annehmen und sich bewusst für und auch gegen den ein oder anderen Weihnachtsmarktbesuch entscheiden.
Das richtige Maß gegen die Weihnachtsmüdigkeit
Vielleicht liegt darin die eigentliche Besinnlichkeit: innezuhalten statt weiterzueilen. Weihnachten braucht keinen frühen Start - nur einen echten Moment. "Wir sind gefragt, selbst darauf zu achten, das richtige Maß zu finden", so Martin Köllner.
Ja, wir werden mit Weihnachten konfrontiert, aber letztlich zwingt uns niemand, auf jeden Weihnachtsmarkt zu gehen.
Martin Köllner, Motivationspsychologe
Nicht, dass die Weihnachtsmüdigkeit bereits vor dem ersten Adventswochenende einsetzt.
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