Schwangerschaftsabbrüche: Medizinstudierende üben an Papayas

Zu wenig Praxis im Studium:Warum Medizinstudierende Abtreibung an Papayas üben

von Lucie Wohlfarth
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Die Medical Students for Choice setzen sich für umfangreiche und verpflichtende Lehre von Schwangerschaftsabbrüchen in ihrem Studium ein. Bisher sind nur Grundkenntnisse Pflicht.

Eine Gynäkologin untersucht eine Patientin mit einem Ultraschallgerät.

Schwangerschaftsabbrüche werden im Medizinstudium nicht ausreichend behandelt, kritisiert die Gruppe Medical Students for Choice.

Quelle: Imago

Wiebke Wolke ist Medizinstudentin an der Uni Lübeck und Mitglied bei den Medical Students for Choice, eine Gruppe, die 1993 in den USA gegründet wurde und mittlerweile viele Ableger an deutschen Fakultäten hat. Sie hatte im letzten Semester Gynäkologie und war überrascht, dass das Thema Schwangerschaftsabbrüche kaum auf dem Lehrplan stand.

Abgesehen von ein paar theoretischen Informationen über Schwangerschaftsabbrüche wurde uns nichts für den praktischen Alltag beigebracht.

Wiebke Wolke, Students for Choice Lübeck

"Wenn man sich nicht selbstständig weiterbildet, fehlt einem schlicht und ergreifend das Wissen zu diesem Thema", sagt Wolke.

Klage gegen Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen

Ein Arzt klagte im August vor dem Arbeitsgericht Lippstadt, weil eine Klinik in katholischer Trägerschaft einige medizinisch begründete Schwangerschaftsabbrüche nicht mehr zulässt.

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Abtreibungen im Medizinstudium: Nur Grundkenntnisse Pflicht

Die Approbationsordnung für Ärzte, die die Rechtsgrundlage für die Lehrinhalte des Medizinstudiums bildet, sieht "Grundkenntnisse zum Schwangerschaftsabbruch als Gegenstand der zweiten Staatsexamensprüfung" vor, erläutert Martina Häring vom Medizinischen Fakultätentag gegenüber ZDFheute auf Nachfrage.

Wie ausführlich das Thema behandelt wird, hänge dabei von den Unis ab. Die Vermittlung der praktischen Durchführung sei allerdings Aufgabe der gynäkologischen Fachärzt*innenausbildung, so Häring.

Doch auch hier kommen Schwangerschaftsabbrüche oft zu kurz, findet die angehende Gynäkologin und Aktivistin bei Doctors for Choice, Annika Kreitlow. Das treffe insbesondere auf medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche zu. Da es kein Pflichtbestandteil der Ausbildung sei, komme es auf die Weiterbildungsstätte an, ob umfassende Kompetenzen erlernt und Praxiserfahrung gesammelt werden können.

Ein Schwangerschaftstest zeigt mit zwei Streifen eine Schwangerschaft an.

In Schweden ist der Umgang mit ungewollter Schwangerschaft sehr liberal. Zudem führen hier auch Hebammen Abtreibungen durch.

17.09.2025 | 6:43 min

Abtreibungs-Workshops: Papaya als Übungsmodell

Die Medical Students for Choice haben deshalb die Erweiterung ihrer Ausbildung selbst in die Hand genommen und organisieren regelmäßig sogenannte Papaya-Workshops. Unter Anleitung von erfahrenen Ärzt*innen üben Studierende dort Abtreibungen an der Frucht. Papayas haben nämlich eine ähnliche Form und Beschaffenheit wie ein Uterus und eignen sich daher gut als Modell.

"Es geht nicht darum, dass, wenn man es zweimal an der Papaya geübt hat, es dann an der Patientin kann", sagt Kreitlow.

Es geht darum, für das Thema zu sensibilisieren und den Raum für Unterhaltungen und für gemeinsames Lernen zum Thema Schwangerschaftsabbrüche zu öffnen.

Annika Kreitlow, Doctors for Choice

Moderator Jo Schück und seine sechs Gäste stehen auf dem Spielfeld.

Muss Abtreibung entkriminalisiert und der Paragraf 218 gestrichen werden?

12.06.2024 | 34:42 min

Unterschiedliche Einschätzungen der Versorgungslage

Das Bundesgesundheitsministerium veröffentlichte im August die Ergebnisse der ELSA-Studie. Diese liefert umfassende Daten zur medizinischen und psychosozialen Versorgung von ungewollt Schwangeren. Daraufhin gaben die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe sowie der Berufsverband der Frauenärzte bekannt, dass aus ihrer Sicht keine Mängel bei der Versorgung mit Schwangerschaftsabbrüchen daraus hervorgehen.

Der Studienabschlussbericht benennt jedoch starke regionale Unterschiede und betont, dass viele Betroffene mit Barrieren und mit Zeitdruck zu kämpfen haben. Eva Szalontai von der Beratungseinrichtung ProFamilia Saarbrücken gibt zu bedenken:

Die Zahl der Ärztinnen und Ärzte, die Abbrüche durchführen, nimmt stetig ab. Das führt bereits mittelfristig zu einer Versorgungslücke.

Eva Szalontai, Beratungsstelle ProFamilia Saarbrücken

Die ELSA-Studie stellte zudem einen Zusammenhang zwischen Ausbildung und Versorgung fest. Ärzt*innen, die während ihrer Ausbildung Methoden vermittelt bekamen, boten später deutlich häufiger Schwangerschaftsabbrüche an.

Klinik bietet Möglichkeit für Schwangerschaftsabbrüche

Die Zahl der Arztpraxen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, hat sich in den letzten zwanzig Jahren etwa halbiert.

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Ungewollt Schwangere erleben Stigmatisierung

Die am meisten diskutierte Erkenntnis der ELSA-Studie war, dass die Mehrheit derer, die einen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung ziehen, sich stigmatisiert fühlt. Dies habe Einfluss auf das psychische Wohlbefinden sowie den Zugang zu Informationen und medizinischer Versorgung.

Um Stigmatisierung entgegenzuwirken und "das gesellschaftliche Klima so zu verändern, dass der Schwangerschaftsabbruch als Teil der Lebensrealität respektiert und wahrgenommen wird", empfehlen die Autor*innen die Neuregelung von Schwangerschaftsabbrüchen im Sinne einer Entkriminalisierung.

Derzeit gelten Schwangerschaftsabbrüche nach Paragraf 218 StGB als Straftat, bleiben unter bestimmten Bedingungen bis zur 12. Woche aber straffrei. Auch ProFamilia, der Berufsverband der Frauenärzte und die Bundesärztekammer befürworten die Streichung von Paragraf 218. Medizinstudentin Wolke sieht darin auch die Voraussetzung, dass Abtreibungen "als normaler und wichtiger Bestandteil der reproduktiven Gesundheitsversorgung vermittelt werden".

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