Müttersterblichkeit: Studie sieht deutlich höhere Todeszahlen

Lage in Deutschland:Studie: Müttersterblichkeit wohl deutlich höher

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Eine Studie der Berliner Charité zeigt: Mütter sterben nach Geburten, ohne statistisch erfasst zu werden. Todesfälle hätten demnach wohl verhindert werden können.

Kaiserschnittgeburt im Kreissaal der Frauenklinik des Uniklinikums in Essen
Viele mütterliche Todesfälle tauchen laut einer neuen Studie gar nicht in der Statistik auf. (Symbolfoto)
Quelle: IMAGO

Viele mütterliche Sterbefälle werden in Deutschland offenbar nicht statistisch erfasst. Das zeigt die Studie eines Teams um Oberärztin Josefine Königbauer von der Berliner Charité. Königbauer sagt dem "Spiegel" und dem Bayerischen Rundfunk:

Wir haben die Vermutung, dass bundesweit mütterliche Sterbefälle im Verborgenen bleiben.

Oberärztin Josefine Königbauer

Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen hat die Medizinerin die Zahlen für Berlin überprüft. Dabei hat sie herausgefunden, dass in den Jahren 2019 bis 2022 mehr als doppelt so viele Mütter im Zusammenhang mit der Schwangerschaft oder Geburt gestorben sind, wie im bundesweiten Schnitt zu erwarten wäre.
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So kamen die Wissenschaftler in Berlin auf 9,1 gestorbene Frauen pro 100.000 Geburten. Königbauer und ihr Team haben dafür 2.316 Berliner Todesbescheinigungen von Frauen im Alter von 15 bis 50 Jahren untersucht.

Studie: Viele Müttersterbefälle könnten verhindert werden

Bei Kollegen und Kolleginnen fehle oft ein Bewusstsein dafür, wie wichtig es sei, die Müttersterblichkeit sauber zu dokumentieren, sagt Königbauer. Allein in Berlin waren nach ihren Angaben mehr als zwei Drittel der untersuchten Todesbescheinigungen unvollständig ausgefüllt. "Jeder Einzelfall ist ein schweres Schicksal, das wir dokumentieren müssen, um daraus zu lernen", sagt die Oberärztin.

Denn viele mütterliche Sterbefälle wären vermutlich vermeidbar.

Josefine Königbauer, Oberärztin

In einer anderen Studie, 2021 erschienen, hat Königbauer gemeinsam mit Kollegen mütterliche Sterbefälle aus Berlin näher untersucht, mit Ärzten gesprochen und Dokumente gesichtet. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass acht der 19 untersuchten Fälle wohl hätten verhindert werden können.

Experten kritisieren fehlende Dokumentation

Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, die Fachärzte in Deutschland vertritt, schreibt auf Anfrage des "Spiegel", das Thema Müttersterblichkeit werde "in Deutschland allenfalls stiefmütterlich behandelt". Es gebe keine offizielle Möglichkeit und Pflicht einer vollständigen Registrierung mütterlicher Todesfälle.
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Das Fehlen eines geeigneten Registers führe zu einem "Under-reporting" solcher Fälle. Die Ärzteschaft sehe "dringlichen politischen Handlungsbedarf", um eine bundesweite verpflichtende Lösung zu finden.

WHO: Weltweit 260.000 Müttersterbefälle im Jahr 2023

Die Weltgesundheitsorganisation definiert Müttersterblichkeit als den Tod einer Frau im Zusammenhang mit der Schwangerschaft oder der Geburt bis zu 42 Tage nach dem Ende der Schwangerschaft.
Weltweit waren der Weltgesundheitsorganisation zufolge 2023 rund 260.000 Frauen betroffen. In Deutschland werden laut dem Statistischen Bundesamt gerade einmal etwa 25 bis 30 Fälle pro Jahr erfasst.

Weltgesundheitsorganisation
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