Arzt klagt gegen Arbeitgeber:Lippstadt: Klinik darf Abtreibungen verbieten
von Dominik Müller-Russell
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Der Chefarzt des Klinikums Lippstadt ist mit seiner Klage gegen den katholischen Träger gescheitert. Er hatte gegen das Verbot von medizinisch indizierten Abtreibungen geklagt.
Der Chefarzt eines katholischen Krankenhauses klagte gegen das Abtreibungsverbot des Trägers. Heute entschied ein Gericht: Das Verbot sei rechtens. Der Arzt kündigt Berufung an.08.08.2025 | 2:46 min
Das Amtsgericht Lippstadt ist untergebracht in einem schmucklosen grauen Kasten an einer Ausfallstraße, im sogenannten Behördenhaus. Selten hat dieser Ort so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen wie heute. Mehr als 1.000 Menschen haben vor dem Gerichtsgebäude gegen ein Abtreibungsverbot protestiert.
Zu der Demonstration "Stoppt das katholische Abtreibungsverbot" in der westfälischen Stadt hatten Chefarzt Joachim Volz und Sarah Gonschorek von den örtlichen Grünen aufgerufen. Volz klagt gegen seinen Arbeitgeber, das Klinikum Lippstadt.
Als erstes Land der Welt nimmt Frankreich das Recht auf Abtreibung in der Verfassung auf. 05.03.2024 | 2:12 min
Der Grund: Das Klinikum hat dem angestellten Arzt Joachim Volz untersagt, medizinisch indizierte Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen - sowohl in der Klinik in Lippstadt als auch in seiner Bielefelder Privatpraxis.
Weil in einer Klinik mit katholischem Träger keine medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbrüche mehr erlaubt sind, ist ein Arzt vor das Arbeitsgericht gezogen. 08.08.2025 | 2:48 min
Amtsgericht weist Klage ab
Diese Dienstanweisung besteht seit letztem Jahr, seit das vormals Evangelische Krankenhaus Lippstadt mit dem katholischen Dreifaltigkeits-Hospital zum "Klinikum Lippstadt - Christliches Krankenhaus" fusioniert ist. Auch bei schweren Fehlbildungen des Fötus verbietet der katholische Träger Abtreibungen. Einzige Ausnahme, die die Kirche zulässt: Fälle mit "drohender Lebensgefahr für die Schwangere".
Heute Mittag hat das Arbeitsgericht Hamm die Dienstanweisung des Klinikträgers bestätigt, Schwangerschaftsabbrüche außer bei Gefahr für Leib und Leben der Mutter zu untersagen. Die Weisung erstreckt sich zudem auf die Nebentätigkeit des Arztes in seiner Bielefelder Privatpraxis. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Die grundsätzliche Rechtswidrigkeit von Abtreibungen in der Frühphase der Schwangerschaft nach dem Strafgesetzbuch ist aus Sicht eines Expertengremiums "nicht haltbar".15.04.2024 | 2:49 min
Volz: "Meine Hilfe ist keine Sünde"
Diese neue Weisung empfindet Joachim Volz als unzulässigen Eingriff in seinen medizinischen Versorgungsauftrag. "Ich bin Arzt und meine Hilfe ist keine Sünde", schreibt er in einer Online-Petition, die er am 1. Juli gestartet hat. Mittlerweile haben 230.000 Menschen unterschrieben. "Kirche und Medizin vertragen sich nicht", schreibt Volz weiter, und:
Schluss mit religiösen Vorschriften in öffentlichen Krankenhäusern. Kirchliche Dogmen haben dort nichts zu suchen.
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Joachim Volz, Arzt
In Deutschland ist der Schwangerschaftsabbruch eine Straftat. Eine Neuregelung will das ändern.24.11.2024 | 3:49 min
Mediziner: Schutz der Mutter tritt in den Hintergrund
Wenige Tage vor dem Gerichtstermin berät Joachim Volz ein Paar, das gerne ein Kind bekommen möchte, in seiner Bielefelder Kinderwunsch-Praxis. Einmal war Juliane schon schwanger, doch dann kam die Diagnose: Das Kind in ihrem Bauch hatte Fehlentwicklungen, es hätte nicht überlebt.
"Dann haben wir uns entschieden, diese Schwangerschaft abzubrechen", sagt Juliane. "Meine Optionen waren: entweder eine Fehlgeburt im Laufe der Schwangerschaft zu erleiden oder ein totes Kind zu gebären. Und das wollte ich nicht. Der Weg, die Entscheidung war schwierig."
Immer wieder demonstrieren radikale Abtreibungsgegner vor Beratungsstellen zum Schwangerschaftsabbruch. Der Bundestag berät heute einen Gesetzesentwurf, der Schwangere vor dieser "Gehsteigbelästigung" schützen soll.10.04.2024 | 1:59 min
Solche Schwangerschaftsabbrüche hat Volz in der Vergangenheit vorgenommen, und er möchte es weiterhin tun: "Es wird Zeit, dass wir neu nachdenken", sagt er, "wo die Stellung der Frau ist, die bei dieser Diskussion nie zum Tragen kam. Die Mutter war immer nur die Gebärmutter, das Objekt, das das schützenswerte Leben trägt. Der Schutz der Mutter ist immer in den Hintergrund getreten."
Erzbischof äußert sich in der Debatte
Der Paderborner Erzbischof Udo Markus Bentz, in dessen Bistum Lippstadt liegt, verteidigt den unbedingten Schutz menschlichen Lebens von seiner Entstehung bis zum Ende. Zum arbeitsrechtlichen Verfahren will er sich nicht äußern, da das Bistum nicht Prozesspartei ist.
Eine Liberalisierung der Abtreibungsregelung helfe, die "Gesundheitsleistung zu normalisieren", so die stellvertretende Vorsitzende von pro familia Stephanie Schlitt.15.04.2024 | 3:42 min
Aber grundsätzlich: "Lebensschutz ist keine konservative Position, sondern Ausdruck einer humanen, solidarischen Gemeinschaft. Wer das Leben schützt, besonders dort, wo es schwach, ungeboren oder bedroht ist, stärkt das Vertrauen in eine Gemeinschaft, die sich ihrer Verantwortung nicht entzieht." Kirchlich getragene Einrichtungen trügen zur "ethischen Wertevielfalt des Gesundheitswesens in einer pluralen Gesellschaft bei."
Joachim Volz will nun den Weg durch die Instanzen gehen. Sein Rechtsanwalt Till Müller-Heidelberg meint: "Die Forderung, katholische Moral- und Ethikvorstellungen arbeitsrechtlich durchzusetzen, widerspricht - bis auf wenige Ausnahmen - nicht nur der europäischen Rechtsprechung, sondern auch der deutschen."