Expertenkommission zum Schutz von Prostituierten eingesetzt

Expertenkommission eingesetzt:Wie können Prostituierte besser geschützt werden?

von Charlotte Greipl

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Eine Expertenkommission soll Vorschläge erarbeiten, um Prostituierte besser zu schützen. Doch was würde Betroffenen wirklich helfen? Die Meinungen gehen weit auseinander.

Frankfurt/Main: Die rot beleuchtete Hausfassade weisst auf körpernahe Dienstleistungen hin. Das Bahnhofsviertel gilt auch als "Problemviertel“".

Was ist freiwillige Sexarbeit und wo beginnt Zwangsprostitution? Darüber soll eine Regierungskommission beraten und Vorschläge erarbeiten, um Prostituierte besser zu schützen.

24.11.2025 | 1:36 min

Deutschland sei der "Puff Europas", sagte Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) und löste damit eine breite Debatte über Prostitution aus - mal wieder. Auch Familienministerin Karin Prien (CDU) sieht Handlungsbedarf. Am Montag rief sie die im Koalitionsvertrag vorgesehene "Expertenkommission zur Verbesserung des Schutzes von Prostituierten" ins Leben. Im Rahmen der Auftaktsitzung der Expertenkommission sagte Prien:

Die Debatten der vergangenen Wochen machen einmal mehr deutlich, dass wir die Situation von Menschen, die in der Prostitution tätig sind, dringend verbessern müssen.

Karin Prien, Bundesfamilienministerin

Prostitution

Zwangsprostitution und Gewalt gegen Prostituierte sind weit verbreitet. Deshalb hat die Bundesregierung heute Experten beauftragt, Vorschläge für einen besseren Schutz von Prostituierten zu erarbeiten.

24.11.2025 | 1:52 min

Ziel der Kommission ist es, konkrete Handlungsoptionen zu entwickeln und Gesetzesänderungen zu prüfen. Dem Gremium gehören zwölf Personen an, die sich wissenschaftlich mit Strafrecht, Prostitution und Menschenhandel befassen oder selbst bei der Staatsanwaltschaft oder Polizei arbeiten.

Prostituiertenschutzgesetz soll überprüft werden

Seit 2017 ist in Deutschland das Prostituiertenschutzgesetz in Kraft. Ziel des Gesetzes ist es, Prostitution als "normalen" Beruf anzuerkennen und die Situation von Betroffenen zu verbessern, etwa durch Gesundheitsschutz und stärkere behördliche Kontrollen. Aktuell sind 32.300 Prostituierte bei den Behörden registriert.

Zwangsprostitution, also Prostitution gegen den Willen der Betroffenen, ist in Deutschland hingegen strafbar. Das Problem dabei: Nicht immer ist offensichtlich, ob eine Prostituierte ihrem Beruf aus freien Stücken nachgeht. Finanzieller und emotionaler Druck und körperliche Gewalt gehören Experten zufolge für viele zum Alltag.

"Nordisches Modell" als Alternative?

Eine Alternative zum Status Quo in Deutschland wäre das sogenannte "Nordische Modell", das ein strafbewehrtes Sexkaufverbot für Freier vorsieht. Prostituierte bleiben dabei straffrei und erhalten umfassende Ausstiegshilfen. Das Modell galt zuerst in Schweden und wurde später auch in Norwegen, Kanada, Frankreich und weiteren Staaten eingeführt.

Archiv:  Eine Frau steht im Eingangsbereich einer Animierbar und eines Bordells.

Strafen für Freier statt für Prostituierte: Gesundheitsministerin Nina Warken fordert ein Sexkaufverbot. Auch Bundestagspräsidentin Julia Klöckner macht sich dafür stark.

06.11.2025 | 11:30 min

Loverboy-Methode stark verbreitet

Viele der Prostituierten werden über die sogenannte Loverboy-Methode rekrutiert. Dabei spielen Männer jungen Frauen die große Liebe vor und binden sie emotional an sich. Nach und nach isolieren sie die Frauen von ihrem sozialen Umfeld, machen sie abhängig. Sie zeichnen das Bild von einer gemeinsamen Zukunft, auf die man gemeinsam hinarbeiten müsse. Die Betroffenen werden gedrängt, daran mitzuwirken - indem sie sich prostituieren. Häufig ist das ein längerer Prozess, bei dem nach und nach die Grenzen verschoben werden.

Genau das ist auch Sandra Reitz passiert. Als Schülerin lernte sie einen 20 Jahre älteren Mann kennen. Sie hatte damals ein schwieriges Verhältnis zu ihren Eltern und wenige Freunde. Schnell verliebte sie sich - doch der Mann fing an, sie zu manipulieren, was Sandra zunächst nicht wahrhaben wollte.

Man geht ja als junger Mensch auch nicht davon aus, dass man irgendjemanden kennenlernt und denkt: Da ist eine Person, die einen irgendwie liebt und die Interesse an einem hat und dass das einzige Interesse darin besteht, einem Liebe vorzugaukeln, um einen dann immer weiter in die Ausbeutung zu treiben.

Sandra Reitz

Das Bundeskriminalamt erfasste 2024 insgesamt 465 Opfer von "Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung", 83 davon nach der Loverboy-Methode. Doch diese Zahlen zeigen nur die abgeschlossenen Verfahren, die Dunkelziffer ist Experten zufolge deutlich höher.

Herausforderungen für die Polizei

Da sich vieles im privaten Bereich abspielt, ist es für die Polizei schwierig, mit Betroffenen in Kontakt zu kommen und ihnen zu helfen. Doch ohne eine Aussage der Betroffenen ist es nahezu unmöglich, die Loverboys zu überführen. Dazu kommt: Prostitution findet nicht nur in Bordellen statt, sondern auch in unauffälligen Mietwohnungen oder online gebuchten Apartments, die schwieriger zu kontrollieren sind.

Ein Vermieter erzählt von seinem Erlebnis. Sein Gesicht ist nicht zu sehen.

Pop-Up-Bordelle sind kurzfristig angemietete Wohnungen, häufig Airbnbs, die für Prostitution genutzt werden. Meist illegal und ohne jegliche Kontrollmöglichkeit für Behörden.

29.03.2025 | 1:10 min

Sandra Reitz schaffte den Ausstieg und machte ihre Geschichte später unter dem Pseudonym "Sandra Norak" öffentlich. Sie studierte Jura und arbeitet heute als Juristin im Opferschutzbereich. Reitz setzt sich dafür ein, dass auch Deutschland das "Nordische Modell" einführt. Doch ihrer Ansicht nach muss sich vor allem eines ändern: der Blick der Gesellschaft auf das Thema.

Solange das so normalisiert ist in unserer Gesellschaft, gibt es einfach kein Unrechtsbewusstsein dafür, was da für Schicksale in den Bordellen drinsitzen.

Sandra Reitz

"Und deswegen ist ein Punkt, den ich wahnsinnig wichtig finde: Dass wir die Nachfrage angehen müssen, nicht nur durch Verbote, sondern auch durch breite Aufklärung in der Gesellschaft", fährt sie fort.

Für die Kommission gibt es also viel zu tun. Erste Vorschläge für Gesetzesänderungen sollen innerhalb von zwölf Monaten vorgelegt werden.

Charlotte Greipl arbeitet in der Redaktion "Recht und Justiz"

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