Bericht zum Prostituiertenschutzgesetz: Schutz noch unzureichend

Acht Jahre nach Inkrafttreten:Gesetz schützt Prostituierte noch unzureichend

von Kathrin Haas
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Eine Evaluation bescheinigt dem Prostituiertenschutzgesetz Wirkung, aber auch Schwächen. Kritik kommt von einer Frauenrechtlerin und einer Sexarbeiterin, aus verschiedenen Gründen.

Prostituierte
Der Schutz für Prostituierte ist gesetzlich geregelt - aber noch längst nicht ausreichend.01.07.2025 | 1:54 min
Acht Jahre nach Inkrafttreten des Prostituiertenschutzgesetzes hat das Bundesfrauenministerium einen Evaluationsbericht veröffentlicht. Die Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen sollte untersuchen, ob das Gesetz seine Ziele erreicht hat, die sexuelle Selbstbestimmung von Sexarbeiter*innen zu stärken und sie vor Zwang zu schützen.

Forschende loben Anmeldeverfahren

Seit 1. Juli 2017 müssen sich Sexarbeiter*innen bei der zuständigen Behörde vor Ort anmelden und regelmäßig gesundheitlich beraten lassen. Damit sei gelungen, Prostituierte über ihre Rechte und gesundheitliche Risiken zu informieren.
"Da geht es um eine Art Empowerment", so der Studienleiter Prof. Tillmann Bartsch. "Die Befragten haben mit deutlicher Mehrheit angegeben, dass sie dort nützliche Informationen erhalten haben."
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Stigmatisierung als Problem

Jedoch zeigt der Bericht, dass sich nur ein Bruchteil der Menschen behördlich anmeldet, die in der Prostitution arbeiten. Gründe hierfür sehen die Studienmacher in der Sorge vor Benachteiligung und der Sicherheit der Daten.
Das bestätigt die Sexarbeiterin Ruby Rebelde: "Jetzt ergeht eine automatische Quermeldung ans Finanzamt. Dort ist man dann als 'Prostituierte' erfasst." Dadurch habe die Hamburgerin wie viele ihrer Kolleg*innen Sorge, sie könnte etwa eine Mietwohnung nicht bekommen, wenn ihr Job bekannt werde. Sie arbeitet seit 14 Jahren in der Sexarbeit und kritisiert:

Es gibt keinen Schutz vor der Stigmatisierung, die wir erfahren.

Ruby Rebelde, Sexarbeiterin

Die Hoffnung war, über das Anmeldeverfahren Opfer von Zwangsprostitution oder Menschenhandel zu entdecken. Laut Bericht gelingt das bislang nur selten. Das liege auch an der fehlenden Expertise in Behörden, die das Gesetz umsetzen sollen.
"In kleinen Kommunen kommt ein, zweimal im Jahr ein Mensch vorbei, der sich für die Prostitution anmelden will", so Studienleiter Bartsch. "Wie soll da ausreichende Erfahrung vorliegen, um die Menschen hinreichend zu beraten und zu erkennen, ob das Betroffene von Menschenhandel sind." Ein beträchtlicher Anteil der rund 800 befragten Behördenmitarbeitenden sei nicht auf diese Aufgabe vorbereitet worden.
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Studie beleuchtet das Hellfeld

Laut Bericht hatten die befragten Sexarbeiter*innen vielfältige Beweggründe, in der Prostitution zu arbeiten. "Es gibt diejenigen, die wenige andere Erwerbsalternativen sehen und die Arbeit als Möglichkeit begreifen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen", so Bartsch. "Und es gibt Menschen, die unter erheblichem Zwang tätig sind."
57 Prozent der rund 2.300 befragten Prostituierten gaben an, dass die Prostitution für sie eine normale Arbeit gewesen sei, als sie damit begonnen haben. Knapp sieben Prozent gaben an, unter Zwang oder aufgrund von Drohungen in die Prostitution eingestiegen zu sein.
45 Prozent der befragten Prostituierten waren deutsch, danach folgten Menschen aus Rumänien (18 Prozent), Bulgarien (zehn Prozent) und Ungarn (sechs Prozent). Laut Statistischem Bundesamt waren zum Ende des Jahres 2023 rund 80 Prozent der insgesamt 30.636 angemeldeten Prostituierten nicht deutsch.
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Kritik von Terre des Femmes

"Wenn man diese Zahlen vergleicht, dann sieht man, dass der Bericht nicht die Realität widerspiegelt", mahnt Sina Tonk von Terre des Femmes. Sie kritisiert, die Studie habe nur das Hellfeld beleuchtet, wobei davon auszugehen sei, dass Prostitution überwiegend im Verborgenen stattfinde:

Wir wissen, dass viele, überwiegend Frauen, mit falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt werden, ihnen wird eine andere Arbeit versprochen und dann landen sie in der Prostitution.

Sina Tonk, Terre des Femmes

Da niemand wisse, wie viele Menschen in Deutschland in der Prostitution tätig seien, sei ungewiss, wie repräsentativ die Daten seien, so Studienleiter Bartsch.
Bundesfrauenministerin Karin Prien (CDU) spricht bei dem Evaluationsbericht von einer validen Grundlage, "um darüber in eine intensive parlamentarische Beratung zu gehen". Noch vor der parlamentarischen Sommerpause werde eine Expertenkommission eingerichtet, die den Evaluationsbericht auswerten und Vorschläge zum weiteren Umgang mit dem Prostituiertenschutzgesetz machen soll.
Kathrin Haas ist Reporterin im ZDF-Landesstudio in Berlin.

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