Schlussplädoyer im Combs-Prozess:Verteidiger: Gewalt ja, aber kein Verbrechen
von Celine Kebben
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Mehr als sechs Wochen dauert der Prozess gegen Sean "Diddy" Combs bereits, Aussagen von 34 Zeugen wurden gehört. Mit den Schlussplädoyers steuerte er auf seinen Höhepunkt zu.
Sean Combs ist unter anderem wegen Menschenhandel, Erpressung und Beteiligung an einer kriminellen Organisation angeklagt.
Quelle: AP
Schon früh am Morgen drängten sich lange Schlangen an Journalisten und Prozessbeobachtern ins Gerichtsgebäude in Manhattan, um die Schlussplädoyers im Prozess gegen den Rapper Sean "Diddy" Combs zu hören.
In vier sogenannten Overflow-Räumen verfolgten jeweils bis zu 80 Zuschauer das Verfahren gespannt per Videoübertragung. Die wenigen Plätze im Gerichtssaal waren fast ausschließlich für Anwälte, Beteiligte und ausgewählte Presse reserviert.
Verteidigung setzt auf Freiwilligkeit
Ein fehlerhafter Mann mit Swinger-Lifestyle und Drogenproblemen - so portraitierte Combs' Hauptverteidiger Marc Agnifilo den Angeklagten. Agnifilo inszenierte sich laut, provokativ und sarkastisch.
Körperliche Gewalt durch Combs gab die Verteidigung zu. Das sei jedoch kein Beweis für Sexhandel, wofür er neben Menschenhandel, Erpressung, Kidnapping sowie Beteiligung an einer kriminellen Organisation angeklagt ist. Die Frauen hätten an den oft tagelangen Sexmarathons, bekannt als "Freak-Offs", freiwillig teilgenommen.
Ventura liebte laut Combs Verteidiger Sex
Die Kronzeugin der Staatsanwaltschaft, Combs Ex Cassie Ventura, sei laut Agnifilo eine "schöne Frau, die Sex liebte". Er bezeichnete die von der Staatsanwaltschaft als toxisch bezeichnete Beziehung des Paares im Gegenzug als "moderne Liebesgeschichte" und führte der Jury als Beleg dafür intime Textnachrichten zwischen dem Ex-Paar vor.
Ventura und weiteren Zeuginnen unterstellte Agnifilo finanzielle Absichten:
Hier geht es nicht um ein Verbrechen. Hier geht es um Geld.
Marc Agnifilo, Hauptverteidiger von Sean Combs
Gemischte Reaktionen unter den Zuschauern
Im Overflow-Raum reagierten die Zuschauer gemischt: Einige lachten über die provokant vorgeführten Aussagen Agnifilos, andere schüttelten den Kopf, manche verließen demonstrativ den Saal.
Die Verteidigung betonte, die Staatsanwaltschaft übertreibe ihren Fall gegen Combs. Es gebe nur Beweise für seinen "Swinger-Lebensstil" und Drogenprobleme, nicht für ein kriminelles Netzwerk.
Vorwurf: Kontrolle und Zwang durch Combs
Die Staatsanwaltschaft präsentierte Combs als mächtigen Kopf eines kriminellen Netzwerks. Enge Mitarbeitende hätten "schmutzige Aufgaben" übernommen: Drogenhandel, Kidnapping, Erpressung, das Verschleiern seiner mutmaßlichen Übergriffe und das Organisieren der "Freak-Offs".
Laut Staatsanwältin Maurene Comey waren die mutmaßlichen Gewalttaten gegenüber Ventura und "Jane", einer weiteren Ex-Partnerin, Teil eines über Jahre aufgebauten Systems aus Kontrolle, Abhängigkeit und sexuellem Missbrauch.
Staatsanwältin: "Er nimmt kein Nein als Antwort an"
Die angebliche Freiwilligkeit der Frauen sei nur Fassade gewesen. Tatsächlich habe es sich um eine Überlebensstrategie unter permanenter Bedrohung gehandelt.
Zentrales Beweisstück: das Überwachungsvideo aus 2016, welches zeigt, wie Combs Ventura in einem Hotel in Los Angeles brutal attackiert. Staatsanwältin Slavik betonte in ihrem Plädoyer am Donnerstag: "Er nimmt kein Nein als Antwort an."
Zweifel trotz starker Beweise
US-Rechtsexperte Neama Rahmani sieht die Anklage auf sicherem Fundament: Die Beweise zeigten ein organisiertes, kriminelles Netzwerk. Doch es gebe Schwachstellen: Beteiligte Schlüsselpersonen aus Combs nahem Umfeld blieben unangeklagt, eine Zeugin erschien nicht, andere Aussagen waren widersprüchlich, so Rahmani.
Während der Schlussplädoyers saß Combs meist zurückgelehnt im Gerichtssaal, verfolgte den Prozess aufmerksam, schrieb Notizen und reichte sie seinen Anwälten weiter.
Auffällig: Er trug dezente, helle Kleidung, keine Designerklamotten. Laut Rahmani Teil einer gezielten Strategie: "Dass Combs bewusst auf auffällige Kleidung verzichtet, soll ihn nahbar wirken lassen - nicht wie den reichen Prominenten, der er ist."
Jetzt entscheidet die Jury
Nach den Abschlussplädoyers wird die zwölfköpfige Jury voraussichtlich am Montag mit den Beratungen beginnen. Wenn Sean Combs in allen Fällen verurteilt wird, droht ihm eine lebenslange Haftstrafe. Das Urteil wird vor dem 4. Juli erwartet.
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