Sean "Diddy" Combs steht derzeit in NYC vor Gericht: Seine Ex Cassie Ventura erhob schwere Vorwürfe im Zeugenstand
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Der Fall gilt als einer der bislang größten Missbrauchsprozesse weltweit: Über ein Dutzend mutmaßliche Opfer, prominente Beteiligte und internationale Aufmerksamkeit. Die Vorwürfe gegen Sean "Diddy" Combs wiegen schwer: Laut Anklage soll er über zwei Jahrzehnte ein kriminelles Netzwerk betrieben haben, das Frauen und Männer durch Gewalt, Drogen und Erpressung zu sexuellen Handlungen zwang. Staatsanwältin Emily Johnson bezeichnete ihn als "König" eines Systems aus Drogen, Gewalt und sexuell entwürdigenden "Freak-Offs".
Mehrere Wochen wird der Prozess in New York dauern – dem Rapper droht eine lebenslange Haftstrafe. In ihrem Auftaktplädoyer wirft die Anklage ihm nun schwere Sexualverbrechen vor.13.05.2025 | 1:09 min
Diddys Ex schildert "Freak-Offs"
Als eine der Ersten trat Combs' Ex-Freundin Cassie Ventura in den Zeugenstand. Sie war von 2007 bis 2018 mit dem Musikmogul in einer Beziehung. In ihrer emotionalen und teils tränenreichen Aussage schilderte Ventura, dass die "Freak-Offs" bis zu vier Tage dauerten, oft ohne Schlaf und unter massivem Drogenkonsum stattfanden.
Die Sängerin sagte aus, dass sie Sex mit männlichen Escorts haben musste, während Combs dabei zusah und masturbierte. Der Angeklagte habe jede Einzelheit vorgegeben - von den Sexakten bis zur Farbe ihrer Fingernägel. Er verlangte laut ihrer Aussage, dass sie Babyöl auftrug, damit ihre Haut "glänzte", und zahlte männlichen Escorts weniger, wenn sie "seine Erwartungen nicht erfüllten".
Cassie habe sich dabei "erniedrigt" und "ekelhaft" gefühlt; viele Handlungen seien nicht einvernehmlich gewesen. Anschließend habe sie sich oft tagelang von den körperlichen Folgen erholen müssen.
Cassie Ventura verlässt nach ihrer Aussage den Gerichtssaal und geht dabei an Sean "Diddy" Combs vorbei.
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Verteidigung setzt auf Einvernehmlichkeit
In einem intensiven Kreuzverhör konfrontierte Verteidigerin Anna Estevao die Hauptzeugin mit zahlreichen intimen und expliziten Textnachrichten. Demnach soll Ventura die "Freak-Offs" freiwillig und sogar begeistert mitgestaltet haben. In einer Nachricht von 2009 schrieb sie: "I'm always ready to freak off." (auf Deutsch in etwa: Ich bin immer bereit für "Freak-Offs".)
In einer anderen: "When we used to freak off when we were so in love there were no questions asked, it felt right." (auf Deutsch etwa: Wenn wir "Freak-Offs" hatten, als wir verliebt waren, gab es keinen Zweifel daran, es fühlte sich richtig an.)
Ventura: Beziehung zu Diddy toxisch
Rechtsexperte Danny Cevallos kommentierte gegenüber NBC, dass einige Geschworene die Nachrichten so deuten könnten, dass Ventura freiwillig an den "Freak-Offs" teilnahm. Im Verhör stellte die Verteidigung die Beziehung insgesamt als toxisch, aber einvernehmlich dar.
Der Rap-Mogul Sean "Diddy" Combs steht wegen mutmaßlicher Sexualverbrechen und organisierter Kriminalität vor Gericht. Bei einem Schuldspruch droht ihm lebenslange Haft.
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Ventura entgegnete, sie habe sich nach außen bemüht, Combs zu gefallen - innerlich habe sie die "Freak-Offs" jedoch abgelehnt und sich "abstoßend" gefühlt. Sie habe Combs geliebt und ihn nicht enttäuschen wollen. Gleichzeitig sei sie abhängig von ihm gewesen - emotional, finanziell und auch ihr Karriereerfolg habe vom Hip-Hop-Mogul Diddy abgehängt.
Verteidigerin: Sean Combs ist "fehlerhaft", aber nicht kriminell
Cassie wirft ihrem Ex vor, sie 2018, nach ihrer Trennung, vergewaltigt zu haben. Im Kreuzverhör räumte sie ein, anschließend weiterhin einvernehmlichen Sex mit ihm gehabt zu haben - obwohl sie ihn 2023 deshalb zivilrechtlich verklagte.
Rechtsanwältin Judie Saunders betonte im CBS-Interview, dass solche Aussagen einer Zeugin früher als widersprüchlich galten, heute jedoch als Ausdruck komplexer Abhängigkeitsverhältnisse verstanden werden. Venturas Schilderungen von emotionaler Abhängigkeit und geäußerter Zustimmung könnten somit nicht als unglaubwürdig gewertet, sondern als Teil eines dynamischen Missbrauchssystems interpretiert werden.
Laut Ventura brachte Combs sie und männliche Escorts für Sexpartys quer durch die
USA und ins Ausland. Die Verteidigung gab Gewalt in der Vergangenheit zu, bestritt jedoch alle Vorwürfe im Zusammenhang mit Sexhandel oder organisierter Kriminalität.
Verteidigerin Teny Geragos bezeichnete Combs als fehlerhaften, aber nicht kriminellen Mann. Er sei "ein komplizierter Mensch" und die "Freak-Offs" seien Teil eines "Swinger-Lifestyle" gewesen, er sei aber nicht Kopf einer kriminellen Vereinigung.
Wie es im Prozess weitergeht
Die Staatsanwaltschaft plant, weitere Zeugen aufzurufen, die die Vorwürfe gegen Combs untermauern sollen. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob es der Staatsanwaltschaft gelingt, ein umfassendes Bild eines mutmaßlich kriminellen Netzwerks zu zeichnen, das über individuelle Übergriffe hinausgeht.
Combs könnte bei einer Verurteilung eine lebenslange Haftstrafe drohen. Der Fall könnte darüber hinaus als Wendepunkt im Umgang mit Machtmissbrauch in der Musik- und Unterhaltungsindustrie gelten - ähnlich wie der
Weinstein-Prozess für Hollywood. Mit dem mutmaßlichen Aufbau eines über Jahre hinweg bestehenden Systems aus emotionaler Abhängigkeit und sexueller Ausbeutung führt der Fall Combs die #MeToo-Debatte in eine neue Dimension.