P. Diddy vor Gericht:Missbrauch, Macht und Musikindustrie
von Susanne Lingemann, New York
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Hip-Hop-Mogul Sean Combs alias Puff Daddy steht in New York vor Gericht. Der Prozess könnte einer der brisantesten der amerikanischen Unterhaltungsindustrie seit #MeToo werden.
Puff Daddy, P. Diddy oder "Love": Namen hat der Rapper viele
Quelle: AP
Am Montag wurde die Jury aus zwölf Geschworenen und sechs Ersatzleuten - darunter acht Männer und vier Frauen - nach einwöchiger Auswahl vereidigt.
Einige gaben an, selbst Fans von Hip-Hop oder R&B zu sein. Doch die Zusammensetzung der Jury sorgt bereits für Kritik: Combs' Verteidigung warf der Staatsanwaltschaft vor, gezielt schwarze Kandidaten ausgeschlossen zu haben.
Häftling 37452-04 - ein gealterter Superstar
Combs selbst erschien kurz vor 9 Uhr morgens im hellen Pullover, umarmte seine Anwälte, zeigte Daumen nach oben in Richtung seiner Unterstützer. Hinter ihm: zwei Reihen mit Familienangehörigen, darunter seine Kinder und seine Mutter.
Szene aus dem Gerichtssaal
Quelle: dpa
Der einstige Superstar ist gealtert - graues Haar, grauer Bart. Haarfärbemittel sind in der Untersuchungshaft des Metropolitan Detention Centers verboten.
Combs, 55, sitzt seit acht Monaten als Häftling 37452-04 in Untersuchungshaft, in derselben Einrichtung wie Harvey Weinstein. Zwei Anträge auf Freilassung gegen Kaution wurden wegen Fluchtgefahr, möglicher Zeugenbeeinflussung und "Gefahr für die Öffentlichkeit" abgelehnt.
Ankläger: Combs ist Kopf eines mafia-ähnlichen Unternehmens
Die Staatsanwaltschaft wirft ihm in einer 14-seitigen Anklage unter anderem Erpresserische Verschwörung, Menschenhandel, Sexhandel, Drogenhandel, Nötigung und Justizbehinderung vor.
Die Firma Combs Enterprises sei laut Anklage ein kriminelles Netzwerk mit mafiaähnlichen Strukturen gewesen. Combs als Kopf soll junge Frauen bei sogenannten "Freak-Off-Partys" gefügig gemacht und zur Prostitution gezwungen haben.
Ermittlungen nach Video-Leak
Der Wendepunkt in Combs' Fall kam im Mai 2024 als CNN-Videoaufnahmen aus dem Jahr 2016 veröffentlichte: Sie zeigen, wie Combs brutal auf seine damalige Lebensgefährtin, die Sängerin Cassie Ventura, in einem Hotel eintritt. Der Clip schockierte die Öffentlichkeit - selbst in einer Branche, die für Exzesse bekannt ist.
Cassie hatte Combs bereits im November 2023 in einer Zivilklage beschuldigt, sie über Jahre hinweg systematisch missbraucht, eingeschüchtert und unter Drogen gesetzt zu haben. Die Klage wurde nach nur einem Tag mit einer finanziellen Einigung beigelegt. Combs blieb zunächst nahezu unbeschadet.
In der Öffentlichkeit wurde Ventura als goldgierige Ex-Partnerin diffamiert. Erst das Video brachte einen Meinungsumschwung. Im März 2025 durchsuchten Ermittler Combs’ Anwesen in Los Angeles und Miami. Der Fund: Schusswaffen mit entfernten Seriennummern, Drogen, über 1.000 Flaschen Gleitgel. Die Bilder der Razzien gingen um die Welt.
Stimmen aus der #MeToo-Bewegung
Der Fall Combs hat nicht nur juristische, sondern auch gesellschaftliche Dimensionen. Aktivistinnen wie Oronike Odeleye von der #MuteRKelly-Bewegung sehen in Combs keinen Einzelfall, sondern ein Symptom struktureller Gewalt gegen Frauen:
Es geht um ein weltweites patriarchales System. Solche Delikte passieren nicht nur im Showbusiness
Oronike Odeleye
In dieser Branche jedoch, so Odeleye, könnten Männer in Machtpositionen ihre Privilegien besonders ungehemmt ausspielen. "Sie glauben, sie können nehmen, was sie wollen - ohne Konsequenzen."
Aufstieg und Fall einer Hip-Hop-Ikone
Combs war über Jahrzehnte einer der einflussreichsten Player der Musikindustrie. Er brachte Hip-Hop aus den Straßen Harlems in die Villen der Hamptons, feierte legendäre Partys mit Beyoncé, Jay-Z, Vera Wang oder Salman Rushdie. Mit Mode, Parfüm und Alkoholmarken baute er ein Milliarden-Imperium auf.
Doch sein Machtapparat hatte eine dunkle Kehrseite - davon berichten Ex-Partnerinnen, Angestellte, Kolleginnen. Schon lange kursierten Hinweise auf Gewaltausbrüche und sexuellen Missbrauch - in Songtexten, Gerüchten und anonymen Aussagen.
Combs plädiert auf "nicht schuldig"
Combs selbst bestreitet alle Vorwürfe entschieden und plädiert auf "nicht schuldig". Seine Mutter bittet die Öffentlichkeit, über ihren Sohn erst zu urteilen, wenn er seine Sicht der Dinge vor Gericht dargelegt hat. Doch angesichts der erdrückenden Beweislage könnte es schwer werden, das zerstörte Image zu reparieren.
Der Prozess, der voraussichtlich zwei Monate dauern wird, könnte zum Präzedenzfall für die Frage werden, wie lange Männer in Machtpositionen mit systematischem Machtmissbrauch davonkommen - und was es braucht, um solche Strukturen aufzubrechen. Combs' Fall erinnert damit nicht nur an Harvey Weinstein oder R. Kelly, sondern stellt die gesamte Branche vor die Frage: Wer schützt in Zukunft die Opfer - und wie?
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