Vier Jahre nach NRW-Hochwasser:Ausschuss legt Abschlussbericht zur Flut vor
49 Menschen kamen in NRW durch die Fluten ums Leben, Schäden in Höhe von 13 Milliarden Euro entstanden. Noch immer wird repariert und saniert. Nun gibt es einen Abschlussbericht.
Schäden durch Flut in Hagen, NRW 2021 (Archivbild)
Quelle: epaVor vier Jahren trat in Swisttal-Odendorf der winzige Orbach über die Ufer und riss alles mit sich - Autos, Hausfassaden, Bäume, Möbel. Noch immer sieht man Spuren in der Orbachstraße, die es damals am schlimmsten getroffen hat.
Und auch da, wo die Anwohner äußerlich wieder alles instandgesetzt haben, ist hinter den Fassaden noch längst nicht alles abgeschlossen: Auseinandersetzungen mit der Versicherung, Schriftverkehr mit Behörden, um nachzuweisen, wie die Mittel aus den Wiederaufbauhilfen konkret eingesetzt wurden. Rechnungen von Handwerkern müssen etwa eingereicht werden oder gutachterliche Bestätigungen. Es gibt noch jede Menge zu tun - von der seelischen Verarbeitung ganz zu schweigen.
Rund drei Jahre nach der Ahrtal-Katastrophe liegt der Abschlussbericht des U-Ausschusses des rheinland-pfälzischen Landtages vor. Er diagnostiziert ein "defizitäres Lagebild".
03.08.2024 | 2:16 minUntersuchungsausschuss legt Abschlussbericht vor
Und während also noch Häuser saniert, neue Straßen und Schienen gebaut und Anträge gestellt werden, hat der Untersuchungsausschuss im Düsseldorfer Landtag pünktlich zum vierten Jahrestag seine Arbeit beendet. Wie konnte es so weit kommen? Was lief falsch?
All das sollte der Ausschuss klären. Ministerinnen und Minister, Zeugen, Sachverständige, Experten und Betroffene wurden gehört, Gutachten wurden eingeholt - die Ergebnisse stehen im 856 Seiten dicken Abschlussbericht.
Vor vier Jahren war die Flutkatastrophe im Ahrtal, noch immer gibt es dort viele Baustellen. Vieles wird wieder aufgebaut, auf echten Hochwasserschutz müssen die Menschen weiter warten.
14.07.2025 | 1:40 minDie drohende Gefahr sei von der damaligen schwarz-gelben Landesregierung unterschätzt worden, obwohl es schon einen Tag zuvor Warnungen der Wetterdienste gegeben habe, heißt es darin. Diese Fehleinschätzung sei einer der schwerwiegendsten Fehler gewesen, den die Landesregierung begangen habe.
Der Ausschuss kann nicht nachvollziehen, dass in den Ministerien der Eintritt der schwersten Hochwasserkatastrophe in der Geschichte unseres Landes nicht für möglich gehalten wurde.
Sven Wolff (SPD), Vorsitzender des Untersuchungsausschusses
Bericht fordert, Bevölkerung besser zu informieren
Der Abschlussbericht ist der Versuch, eine Katastrophe, die allein in Nordrhein-Westfalen 49 Menschenleben kostete und einen Schaden von rund 13 Milliarden Euro anrichtete, zu erklären. Und die nötigen Lehren daraus zu ziehen.
Fünf Handlungsempfehlungen aus dem Bericht hat Wolff beispielhaft aufgelistet: Frühwarnsysteme, kritische Infrastruktur und Krisenstäbe vor Ort müssten gestärkt, Zuständigkeiten besser geregelt und die Bevölkerung besser informiert werden. Vertreter der Landesregierung verwiesen in der Debatte auf das, was bereits getan wurde.
Einst war es eine abwechslungsreiche Naturlandschaft, Heimat vieler Pflanzen- und Tierarten. Drei Jahre nach der Ahr-Flut ist das Ökosystem immer noch nicht wiederhergestellt.
29.08.2024 | 5:09 minAfD wollte Bericht nicht zustimmen
Viele Verbesserungen seien schon umgesetzt, sagte Thomas Schnelle (CDU), Sprecher im Untersuchungsausschuss. So seien etwa neue Stellen für den Hochwasserschutz geschaffen und digitale Warnportale eingerichtet worden. Zudem seien weitere Pegelmessstellen installiert, Meldewege vereinfacht worden.
Der Abschlussbericht zeige, dass die Landesregierung nach den damaligen Vorschriften gehandelt habe:
Wir konnten keine eindeutigen Hinweise erlangen, dass durch die Landesregierung nicht alle möglichen Maßnahmen zur Bewältigung der Flutkatastrophe getroffen wurden.
Thomas Schnelle, Sprecher im Untersuchungsausschuss
Auf den Bericht haben sich sowohl die Regierungsfraktionen von CDU und Grünen als auch SPD und FDP geeinigt. Nur die AfD wollte nicht zustimmen und fordert in einem Sondervotum beispielsweise eine Pflicht zur Einsetzung eines Krisenstabs bei Großschadenslagen. Das ist allerdings bereits eine der Handlungsempfehlungen im Abschlussbericht.
Experte: Viel Verbesserungsbedarf
Kai Imsande, Projektleiter Fluthilfe vom Bürgerverein Odendorf, will nicht bewerten, welche Fehler vor vier Jahren gemacht wurden. Ihm geht es darum, dass die richtigen Lehren gezogen werden - auch aus der chaotischen Zeit nach der Flut:
Wir brauchen die richtigen Strukturen - überall, auch in anderen Bundesländern. Dass Landkreise und Hilfsorganisationen direkt in der Lage sind, zusammenzuarbeiten nach einem Hochwasser.
Kai Imsande, Projektleiter Fluthilfe Bürgerverein Odendorf
Vor allem müsse man sich wappnen gegen künftige Ereignisse - Anwohner, aber auch Kommunen und Länder. "Da muss noch vieles besser werden."
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